Geht es um neue Entwicklungen in der Betonbranche, stehen stets deren Vorteile im Vordergrund. Sogenannter CPC-Beton hat gleich vier davon. Er ist stabil, leicht, nachhaltig und langlebig. Vor allem die letzte der vier Eigenschaften hat es in sich – gerade dann, wenn auch ein Nachteil ins Spiel kommt. «Zwar ist die Herstellung einer CPC-Platte kostenintensiver als diejenige eines klassischen Betonelements, denn die Fasern haben ihren Preis», sagt Christophe Berset, Head of New Solutions bei Holcim Schweiz, der an der Industrialisierung und Vermarktung des Hochleistungswerkstoffs mitgewirkt hat. «Da CPC aber widerstandsfähiger ist als stahlbewehrter Beton, können die Elemente um Jahrzehnte länger genutzt werden. Das ist finanziell interessant.» Eine aussagekräftige Gegenüberstellung der Kosten, zum Beispiel von klassischem Hochbaudecken und CPC-Deckensystemen, ist gemäss Christophe Berset allerdings kaum möglich. «Weil es ein ziemlich neues Produkt ist, gibt es erst wenige Vergleichsmöglichkeiten, und man muss immer das ganze Tragwerksystem betrachten – die Leistung und die Vorteile, die es zusätzlich bietet. Diese sind sehr viel wert.»
Vorgespannte Fasern mit Betonmix
Die Abkürzung CPC bedeutet «Carbon Prestressed Concrete». Dieser wird in der Vorproduktion in Plattenform hergestellt und anschliessend mit CNC-gesteuerten Maschinen in beliebige Formstücke geschnitten. Bei der Produktion spannt man die dünnen Fasern aus Carbon kreuzweise vor und giesst anschliessend den Schalungstisch mit einem Betonmix aus. Es handelt sich also um armierten Beton, aber ohne Stahl, was Gewicht und Ressourcen spart. «Carbon hat hohe Zugfestigkeiten und korrodiert nicht», erklärt Christophe Berset. «Daher können wir damit extrem tragfähige und doch relativ dünne Platten herstellen.»
Die Entwicklung von CPC begann vor über zehn Jahren als Forschungsprojekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur und der Silidur AG aus Andelfingen. Unterdessen wurde das Produkt in den Markt eingeführt. Beim Bau von Velo- und Fussgängerbrücken, Treppenstufen, Balkonen, Belägen und Aussenwandbekleidungen kommt der carbonbewehrte Beton immer wieder erfolgreich zur Anwendung. CPC-Platten eignen sich gemäss Christophe Berset hauptsächlich für die Vorproduktion und für flache, tragende Betonteile. Für gerundete Objekte wie Rohre kann CPC nicht verwendet werden, denn die Fasern müssen flach liegen, um ihre volle Kraft entfalten zu können.
Besondere Projekte mit CPC
Das Leuchtturmprojekt «Bridge to the Future» von 2021 gilt als zukunftsweisend in Sachen Klimafreundlichkeit. Die leicht wirkende und zugleich funktionale Plattform für die Annahme von Aushubmaterial steht auf dem Areal des Holcim-Werks im zürcherischen Hüntwangen. Verbaut wurden vorgespannte Carbonlitzen sowie eine Kombination von klinkerfreiem Zement in hochfestem Beton, was gemäss heutigem Stand maximal CO2-reduziert ist. Holcim hat das Bauwerk in Zusammenarbeit mit der ZHAW und der CPC AG realisiert.
Im Mai 2024 wurde neben der Grossbaustelle Querung Grüze in Winterthur das Innovationslabor Grüze eröffnet. Es dient als Besucher*innenzentrum für die neu entstehende ÖV-Drehscheibe und als vielseitig nutzbarer Begegnungsort, zu dem auch ein Café gehört. Der offene Pavillon besteht aus extradünnen und wiederverwertbaren CPC-Platten. Entstanden ist das Innovationslabor Grüze aus einer Kooperation heraus, an der Holcim, die ZHAW und die Stadt Winterthur beteiligt waren.
Visualisierung des Innovationslabors Grüze, Copyright: Katharina Bayer
Zirkularität übertrifft Recycling
Die Holcim Schweiz gehört hierzulande zu den führenden Unternehmen im Bereich Carbonfaserbeton. Auch Clemens Wögerbauer, Head Commercial bei Holcim Schweiz, war und ist an Projekten mit dem neuen Werkstoff beteiligt und stolz darauf, dass es sich hierbei um eine Schweizer Erfindung handelt. «Mit CPC können wir Beton völlig neu denken», sagt er begeistert. Denn neben Pluspunkten bei der Herstellung bringe die neue Technologie auch etliche positive Aspekte für die Nutzung und den Rückbau mit sich. «Während klassische Betonteile für die Weiterverwertung zerkleinert werden müssen, lassen sich CPC-Elemente mit wenig Aufwand neu zuschneiden», erklärt er. Die Zirkularität sei noch zukunftsträchtiger als das Recycling, da sie neue Möglichkeiten mit sich bringe. «Aus rückgebauten Elementen kann mit überschaubarem Aufwand etwas Neues entstehen, und das ist effizient.»
Kommerzialisierung dank weiterer Forschung
Wie Clemens Wögerbauer weiter ausführt, sind CPC-Platten für eine Lebensdauer von über 100 Jahren zugelassen. Dies im Gegensatz zu stahlarmiertem Beton, bei dem mit 50 bis 80 Jahren gerechnet wird. «Das hat damit zu tun, dass klassische Betonfertigteile stärker unter Korrosion leiden als solche aus CPC», sagt er. «Bei CPC treten seltener Schäden auf, daher kann das Produkt auch bezüglich Wartungsaufwand überzeugen.» Der Experte hebt hervor, dass sich die CPC-Technologie gut mit anderen Massnahmen zur CO2-Reduktion kombinieren lassen. «Beim Betonmix geht es gut ohne Klinker», verrät er als Beispiel.
Auch wenn CPC-Betonfertigteile nun auf dem Markt bereits erhältlich sind und es Firmen wie die CPC Solutions AG gibt, die solche Produkte zu ihrem Portfolio zählen, geht die Forschung weiter. Holcim Schweiz investiert in die Weiterentwicklung des Werkstoffs, damit dieser weiter kommerzialisiert und noch bekannter wird. Und sowohl Clemens Wögerbauer als auch sein Kollege Christophe Berset sind überzeugt: «Die CPC-Technologie hat grosses Potenzial für die Zukunft.»