Technisches und handwerkliches Können sowie Ausdauer und Teamgeist – das alles braucht es, um an der Betonkanu-Regatta vorne mitzufahren. Die rund 50 Mitglieder des Betonkanu-Vereins der ETH Zürich bringen sämtliche Voraussetzungen mit. Einmal mehr haben sich die Studierenden aus der Schweiz mit ihren selbst gebauten Booten für den aussergewöhnlichen Wettkampf angemeldet, der dieses Jahr am 15. Juni in Brandenburg an der Havel stattfindet. An der Betonkanu-Regatta in Deutschland können Gruppen von Hochschulen und andere Institutionen teilnehmen, an denen das Fach Betontechnik gelehrt wird. Die Aufgabe besteht darin, ein stabiles und leichtes Boot zu konstruieren, das ohne zusätzliche Beschichtung wasserdicht ist und gut gelenkt werden kann. Prämiert werden zudem die Kreativität, Innovation und Nachhaltigkeit, was dazu führt, dass sich die Kanus jeweils in allen erdenklichen Ausführungen und Formen zeigen. Daneben ist der Anlass für die jungen Fachleute auch eine gute Möglichkeit, um sich zu vernetzen und auszutauschen.
«Schwimmender Beton, dieser Widerspruch ist faszinierend.»
Tiziano Verasani,
Mitglied des Betonkanu-Vereins der ETH Zürich
Sport und Wissen optimal kombiniert
«Schwimmender Beton – auf den ersten Blick ein Widerspruch, und genau das ist aus meiner Sicht das Faszinierende daran», sagt Tiziano Verasani von der ETH, der sich seit drei Jahren im Betonkanu Verein engagiert. Ihm und seinen Kolleg*innen sei es wichtig, die im Studium gelernte Theorie praktisch umsetzen zu können. Die erfahrenen Studierenden teilen ihre Kenntnisse mit jenen, die neu eingestiegen sind. «Wir alle lernen stetig dazu und können die vielen Möglichkeiten, welche das Material Beton uns bietet, anhand eines konkreten Beispiels erfahren.» Ein weiterer Pluspunkt des Projekts ist laut Tiziano Verasani der sportliche und spielerische Aspekt beim Paddeln. Er sagt: «Die Trainings, die wir unter Anleitung eines Kanu-Experten absolvieren, machen immer grossen Spass.»
Kanu-Taufe an Land statt im Wasser
Derzeit laufen an der ETH die letzten Vorbereitungen. Am 31. Mai hat die Taufe der beiden neu erstellten Boote stattgefunden, sie heissen nun «AprETHski» und «Vera VErTHo». «Nach fast einem Jahr Projektarbeit war das ein wichtiger Moment für uns», sagt der Student. Allerdings sei das ursprünglich vorgesehene Programm ins Wasser gefallen. Eigentlich wäre vorgesehen gewesen, die zwei Kanus anlässlich der Taufe erstmals draussen zu testen, in einem Teich auf dem Campus der ETH. Doch aufgrund der aktuellen Regenperiode sei das leider nicht zustande gekommen, bedauert Tiziano Verasani. Die Präsentation fand schliesslich auf dem Areal der ETH Hönggerberg im Trockenen statt, ergänzt mit einer Ausstellung. Zahlreiche Fachpersonen sowie Medienschaffende und Sponsoren waren anwesend, um mehr über die Herstellung der Boote und die damit verbundenen wissenschaftlichen Hintergründe zu erfahren.
Ähnlich und doch ganz verschieden
Die neuen Boote der ETH umfassen je zwei Plätze, und beide sind wie vorgeschrieben aus Beton. In jedem Fall dauerte das Aushärten rund einen Monat. Doch die Entstehungsgeschichten und Merkmale der zwei Kanus sind völlig unterschiedlich. Eines bauten die Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit, das andere entstand im Rahmen der Bachelorarbeit mehrerer ETH-Absolventen. Beim in der Freizeit erstellten Boot liegt der Fokus auf der Nachhaltigkeit. Tiziano Verasani erklärt: «Die Herausforderung bestand darin, möglichst wenig Baustoff zu verwenden. Zudem war es uns wichtig, wo immer möglich mit wiederverwerteten Materialien zu arbeiten.» Ausserdem habe man mit Leinennetzen und der Verwendung von Skistöcken experimentiert. Als Schalung wurde ein industriell hergestelltes Kanu verwendet. Mit dem Resultat sind die Erbauer*innen durchwegs zufrieden. Am Bachelor-Kanu wiederum ist aussergewöhnlich, dass es aus 13 einzelnen Teilen besteht, die in kurzer Zeit auf- und abgebaut werden können. Aus den gleichen Elementen lassen sich auch Möbel zusammensetzen – eine solche Innovation gab es in der Geschichte der ETH-Betonkanus bisher nicht.
Ausbessern, verladen und los geht’s
Im Labor der ETH stehen nun, einige Tage vor dem Start, die letzten Überprüfungen im Pool an. Allfällige Risse in den Booten kann man so erkennen und anschliessend ausbessern. Doch erst in Brandenburg wird sich zeigen, wie belastbar die Boote im Ernstfall sind. Am 13. Juni verlädt das Team die Kanus, dann beginnt der Transport nach Deutschland. «Der Weg ist weit und der Aufwand nicht zu unterschätzen», sagt Tiziano Verasani. Doch er ist zuversichtlich, da alles bestens organisiert sei und man von den Erfahrungen aus früheren Jahren profitieren könne.
Das Rennen in Brandenburg besteht traditionsgemäss aus einer 200 Meter langen Slalomstrecke, die zweimal gemeistert werden muss – hin und zurück. Dieses Mal wird Tiziano Verasani beim Rennen nicht im Boot sitzen. Doch voller Vorfreude sagt er: «Diese besondere Erfahrung überlasse ich nun jenen, die neu im Verein sind und das noch nie erleben durften.»
Möchten Sie wissen, wie es dem Team der ETH an der Regatta ergangen ist? Hier erfahren Sie mehr.