Interview

«Aussergewöhnliche Aufträge inspirieren mich»

Marco Giavazzi leitet seit rund zehn Jahren die Tobag Baustein & Element AG, die ihren Sitz seit Kurzem im zürcherischen Pfungen hat. Er pflegt einen kollegialen Führungsstil und legt grossen Wert darauf, dass sich die Angestellten in seiner Firma wohlfühlen. Den Weg in die Betonbranche hat er über verschlungene Wege gefunden, denn als gelernter Zimmermann war Holz einst sein Material erster Wahl.

Marco Giavazzi, was bedeutet Beton für Sie?
Beton ist für mich nicht bloss ein Material, sondern ein Werkzeug voller Potenzial und Bedeutung. Es bildet das Fundament unserer Arbeit bei der Tobag Baustein & Element AG, jedoch geht die wahre Essenz unserer Mission weit darüber hinaus. Wir setzen Beton ein, um unsere Visionen zu verwirklichen und unsere Kundschaft mit erstklassigen Ergebnissen zu begeistern. Jeder Schritt, den wir mit Beton gehen, ist ein Ausdruck unserer Leidenschaft, um unser Handwerk zu perfektionieren und einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Was gefällt Ihnen am Beton, was nicht?
Beton mag ich an Wänden, Decken oder wenn es um Kunst am Bau geht. Wenn Beton dort richtig eingesetzt und gut verarbeitet ist, wirkt das sehr professionell. Bodenflächen aus Beton finde ich hingegen heikel. Sie werden mit der Zeit abgenutzt und fleckig. Dann wirken sie nicht mehr so schön und das stört mich aus optischen Gründen. Ich bin auch ein grosser Fan von Holz – ursprünglich habe ich Zimmermann gelernt und erst später die Branche gewechselt. Holz kommt bei uns bei den meisten Schalungen zum Einsatz und somit ist meine Erstausbildung hier von grossem Nutzen.

Wie lässt sich die von Ihnen geleitete Tobag Baustein & Element AG in Kürze beschreiben?
Wir sind stolz darauf, sagen zu dürfen, dass wir mit vielen Freunden und nicht bloss mit Kunden arbeiten dürfen. Wir bieten vorgefertigte Betonelemente jeglicher Art auf Mass an und sind neben grösseren Projekten auch auf Kleinserien spezialisiert. Der Treppenbau ist sicher eine unserer Stärken.

Marco Giavazzi leitet die Tobag Baustein & Element AG im zürcherischen Pfungen.

Die Tobag Baustein & Element AG hat sich innerhalb des letzten Jahres in mehreren Bereichen verändert. Inwiefern?
Vor rund einem Jahr sind wir mit der Firma von Saland nach Pfungen umgezogen. Am neuen Standort haben wir mehr Platz und eine grössere Produktionshalle. Auch unser Team wurde erweitert, wir haben es fast verdoppelt und sind nun insgesamt 18 Personen.

Welchen Führungsstil pflegen Sie?
Ich führe die Firma gemeinsam mit den Betriebsleitern und dem Leiter Avor/Produktionsplanung auf sehr kollegiale Weise: Mit flachen Hierarchien und regelmässigem Austausch. Mir ist es wichtig, dass die Leute gerne hier arbeiten und sich mit dem Betrieb verbunden fühlen. Wir sind wie ein Fussballteam, wo jeder seine Aufgabe hat und alle zusammen für den Erfolg verantwortlich sind. Um den Zusammenhalt zu stärken, führen wir alle zwei Monate einen Event für unsere Mitarbeitenden durch. Kürzlich sind wir alle zusammen Gokart fahren gegangen. Im Sommer heizen wir sehr oft den Grill über Mittag an und dann essen wir alle gemeinsam, wobei ich dann der Grillmeister bin. Dies ist längst zur Tradition geworden.

Welche besonderen Momente erleben Sie während Ihrer Arbeit?
Aussergewöhnlich wird es immer dann, wenn wir einen nicht alltäglichen Auftrag erhalten. Aktuell arbeiten wir an einer grossen Lounge aus Beton, die später als Sitzgelegenheit in einem privaten Garten zu stehen kommen wird. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen! Die Lounge ist riesig und besteht aus einem einzigen Guss. Solche Projekte begeistern und inspirieren mich.

Short Cuts

Wir stellen die Fassadenelemente für das neue Bahnhofsgebäude in Liestal im Kanton Basel-Landschaft her. Das Projekt befindet sich derzeit im Rohbau. Diese Visualisierung zeigt das künftige Bahnhofgebäude vom Kantonsgericht am Bahnhofplatz in Richtung Basel gesehen. Hinten rechts schliesst sich der Verbindungsbau ans Gebäude an, dann folgt das neue Wohn- und Geschäftshaus.

Mir gefällt der Neubau des Einkaufszentrums sowie Wohn- und Geschäftshauses Rosenberg in Winterthur sehr gut. Er befindet sich bei der nördlichen Stadteinfahrt. Die besondere Betonoberfläche mit der Noppenstruktur gibt dem Gebäude einen einzigartigen Charakter.

Bild: saw gruppe, Widnau

Mir gefallen Projekte, die sich mit der Wiederverwertung von Beton befassen, denn diese sind nachhaltig und zeitgemäss. Wäre ich in der Forschung tätig, würde ich gern eine recycelte Mischung entwickeln, bei der die gewünschte Festigkeit des Betons ohne den Einsatz von Chemie erreicht werden kann.

Neben Spezialanfertigungen wie dieser hat sich Ihre Firma auf die Herstellung von Treppen spezialisiert. Welche Treppe ist Ihnen am liebsten und was mögen Sie an Treppen überhaupt nicht?
Mir gefallen gewundene Treppen am besten. Und ich finde es super, dass unser Team im Treppenbau so besonders stark ist! Manchmal allerdings wollen die Architektinnen und Architekten ganz ausgefallene und filigrane Betonelemente, zum Beispiel in Verbindung mit Beleuchtungen oder Ausschnitten. Nicht alles ist technisch und handwerklich machbar. Manchmal muss ich verhandeln und Kompromisse vorschlagen, was herausfordernd ist.

Das Schlagwort Nachhaltigkeit ist schon seit einiger Zeit in aller Munde. Was unternimmt die Tobag Baustein & Element AG in diesem Bereich?
Wir optimieren unsere Schalungssysteme und nutzen die Schalungsbretter falls möglich mehrmals. Ausserdem achten wir darauf, vor allem regional tätig zu sein, damit die Anfahrtswege zu den Baustellen nicht allzu lang sind.

Ebenfalls zeitgemäss ist die Digitalisierung. Was unternehmen Sie diesbezüglich?
Wir erstellen und archivieren unsere internen Dokumente ausschliesslich online. In wenigen Wochen beginnen wir zudem damit, auch die Avor und die Planung der Produktion umzustellen. Damit habe ich schon viele positive Erfahrungen gemacht. Mir scheint, dass die Umstellung auch für unsere Kundschaft eine gute Sache ist, da sie viele Prozesse vereinfacht und Fehler minimiert. 

Eine weitere Aktualität ist der Fachkräftemangel in der Betonbranche. Inwiefern wirken Sie diesem entgegen?
Wir haben einen Angestellten, der gelernter Betonwerker ist. Derzeit absolviert er eine Weiterbildung, um künftig Lernende schulen zu dürfen. Im Sommer 2024 können wir daher unsere erste Lehrstelle als Betonwerker/in EFZ anbieten – der Job ist noch zu haben, Interessierte sind willkommen! Mir ist es wichtig, dass wir als Firma selbst aktiv werden und uns auf diese Weise für den Nachwuchs engagieren.

Im Jahr 2025 kann die Tobag Baustein & Element AG ihr 60-jähriges Bestehen feiern. Welche Pläne haben Sie für das Jubiläumsjahr?
Konkret ist noch nichts. Aber bereits jetzt steht fest, dass wir in irgendeiner Form eine grosse Party mit unseren Freunden, Kunden und Lieferanten feiern werden.

Und, abgesehen von Ihrem Beruf: Wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Immer dann, wenn ich Golf spiele. Das ist mein liebstes Hobby und der Sport, der genau zu mir passt, meine Leidenschaft seit vielen Jahren. Ich habe mich sogar beim Aufbau einer Golfanlage engagiert, bei Golf Augwil in der Nähe von Kloten. Dort habe ich auch eine Leitungsfunktion inne, ich sitze im Verwaltungsrat.

«Der Treppenbau ist sicher eine unserer Stärken.»

Marco Giavazzi
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Marco Giavazzi

Marco Giavazzi ist Geschäftsführer, Verwaltungsratspräsident und alleiniger Besitzer der Tobag Baustein und Element AG. Die Firma hat ihren Sitz im zürcherischen Pfungen und beschäftigt 18 Mitarbeitende. Ursprünglich hat Marco Giavazzi eine Berufslehre als Zimmermann gemacht, danach folgten regelmässige Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Betriebsführung und Verkauf. Vor rund zehn Jahren hat er in die Betonbranche gewechselt. Marco Giavazzi spricht vier Sprachen und verfügt über ein grosses berufliches Netzwerk.

Praktikumsbericht

«Meine erste eigene Betontreppe»

Lara Brändli ist 18 Jahre alt und absolviert im Büro von L3P Architekten in Regensberg ZH ihre Ausbildung als Zeichnerin EFZ. Zu ihrem Programm im 3. Lehrjahr gehörte ein Praktikum in einem der Baubranche verwandten Beruf. Lara Brändli entschied sich, in den Alltag einer Betonwerkerin hineinzuschnuppern.

Lara Brändli schnuppert als Praktikantin für vier Tage Betonluft. Die Welt der Betonvorfertigung fasziniert!

Auf die Betonwerkerin machte mich meine Lehrmeisterin an einem Berufserkundungsabend aufmerksam. Glücklicherweise fand ich bei der Firma Stüssi AG sofort einen Platz, um für vier Tage einen Einblick in diesen spannenden Beruf zu erhalten. Um es vorab schon einmal zu sagen, es hat mir sehr gut gefallen und ich konnte sehr viel lernen.

Auch das Schreinern gehört dazu

Mein Praktikum beginnt an einem Dienstagmorgen am Standort der Firma in Dällikon. Dort treffe ich mich mit Tobias Stüssi und Mesud Iseni. Zusammen zeigen sie mir auf, was in den nächsten Tagen alles auf mich zukommt. Bevor wir losgehen, um das Areal und die Mitarbeitenden kennenzulernen, rüsten sie mich mit angemessener Kleidung und mit Werkzeug aus. Von Beginn weg bin ich von dem riesengrossen Areal und der Produktionshalle beeindruckt.

Zuerst darf ich beim Schreinern zusehen und helfen. Ich lerne, wie die Schalungen für eine Betontreppe zugeschnitten werden und darf es sogar selbst ausprobieren. Diese Arbeiten müssen wir vorsichtig und sehr sorgfältig ausführen. Schliesslich habe ich nicht vor, in meinem Praktikum einen Finger zu verlieren!

Die zugeschnittenen Holzteile setzen wir anschliessend richtig zusammen und befestigen sie gut, bevor wir sie mit Schalungsöl bestreichen. Dieses dient dazu, dass der Beton später gut ausgeschalt werden kann und dass die Betonwerker die Formen mehrfach verwenden können.

«Und jetzt ist es soweit: Die Betonwerker füllen das flüssige Material ein.»

Lara Brändli,
Lernende Zeichnerin EFZ

Die Bewehrungen richtig binden

Am nächsten Morgen steht die Eisenbiegerei auf dem Programm. Ich darf von Beginn weg mithelfen. Als erstes bei den kleineren Teilen, die wir für eine grosse Bewehrung vorbereiten. Als ich den Dreh raushabe, darf ich zusammen mit einem lernenden Betonwerker eine grössere Bewehrung binden. Dazu verlegen wir ein Netz aus Armierungsstäben und verbinden sie mit Metalldrähten. Zuerst kommt die untere Bewehrung und dann die obere. Im Anschluss stelle ich eine eigene kleine Bewehrung für mein eigenes, mitgebrachtes Treppenmodell her. Im Handumdrehen ist auch der zweite Tag vorbei.

Am dritten Tag geht es für mich weiter in der Produktion mit der Vorbereitung einer Metallschalung, die für mehrere gleiche Betonelemente verwendet werden soll.  Zuerst reinige ich die Schalung und entferne Betonresten. Danach wische ich mit einem Lappen auch noch die letzten Staubkörner von der Schalung fort. Dies ist wichtig, damit die Oberfläche des zukünftigen Betonteils schön glatt wird. Im Anschluss setzen die Fachleute die Bewehrung ein, ganz vorsichtig mit dem Kran, denn sie ist zu schwer für die reine Muskelkraft. Sobald sie an Ort und Stelle platziert ist, heisst es, die Schalung zusammenzuschieben und zu versiegeln.

Die Krönung: Der Beton wird eingefüllt

Und jetzt ist es soweit: Die Betonwerker füllen den flüssigen Beton ein. Ein weiterer spannender Vorgang, denn auch hier ist viel Geschick und Knowhow gefragt. So müssen die Betonwerker zum Beispiel darauf achten, dass keine Luftblasen im Beton entstehen. Sie fahren dazu mit einem vibrierenden Gerät über das noch flüssige Material, damit allfällige Lufteinschlüsse aufsteigen. Schliesslich sind wir fertig und der Beton wird in aller Ruhe über Nacht aushärten.

Etwas schade ist, dass ich beim Ausschalen nicht mehr dabei sein werde. Dafür darf ich am Nachmittag selbst Beton mit Farbpulver mischen und eigene kleine Formen giessen, darunter auch meine kleine Betontreppe.

Am letzten Tag bin ich bei der Elementkontrolle. Wir gehen dabei von Element zu Element, notieren Eigenschaften und Fehler. Darunter finde ich eines der Elemente wieder, die wir am Vortag produziert haben. Es sieht gut aus! Meine eigenen Figuren und vor allem meine kleine Betontreppe sind ebenfalls fertig. Sie sind mit allen Arbeitsbereichen mitgewachsen und werden mich immer an diese spannenden Tage erinnern.

Interview

«Beton wird seinen Platz behaupten»

Christian Peter leitet seit acht Jahren die Geschicke der Element AG. 2015 hat er das Unternehmen von ausländischen Investoren zurückgekauft, die es zehn Jahre zuvor übernommen hatten. Zusammen mit der gut 200-köpfigen Belegschaft hat er die Element AG seither als einen der führenden Schweizer Anbieter von vorfabrizierten Betonelementen re-etabliert.

Christian Peter, wenn Sie an den Werkstoff Beton denken, welche Attribute kommen Ihnen als erstes in den Sinn?
Beton ist ein komplett natürlicher und dauerhafter Baustoff, der dank seiner Langlebigkeit und des Einsatzes moderner Zementsorten besonders effizient ist. Er ist wesentlich nachhaltiger als man gemeinhin denkt.

Was meinen Sie damit?
Beton ist in den letzten Jahren aufgrund seiner CO2-Emissionen, die durch die Zementherstellung entstehen, verteufelt worden – zu Unrecht, finde ich. Leider ist es der Branche bisher nicht gelungen, den Baustoff dort hinzubringen, wo er hingehört. Wenn man nämlich genau hinschaut, ist er durchaus nachhaltig und gehört unbedingt in die Klimapolitik mit hinein. Denn wenn Beton richtig eingesetzt wird, mit dem korrekten Zement und den entsprechenden Zuschlagsstoffen, ist er äusserst effizient und extrem dauerhaft.

Was finden Sie an Beton schön?
Die unendlich vielen Gestaltungsmöglichkeiten. Gerade in der Vorfabrikation lässt sich Beton durch die Anfertigung individueller Schalungen in verschiedenste Formen giessen. Beton muss nicht immer eckig sein, die Passerelle de Rosel in Martigny zeigt zum Beispiel eine sehr ansprechende geschwungene Form.

Verbinden Sie auch Emotionen mit Beton?
Beton ist das Material, das mich über einen grossen Teil meiner beruflichen Laufbahn begleitet hat. Ein Baustoff, den ich aus dem Effeff kenne. Wenn ich die Bauwerke aus Beton sehe, seien dies gewaltige Träger für die Infrastruktur, filigrane Platten für den Hochbau oder auch ganz einfache Liftschächte oder Trafostationen, dann verspüre ich Stolz und Dankbarkeit, dass wir diese Teile produzieren dürfen. Es macht Freude und Spass, mitzuhelfen, dass das Bauwesen und damit jede einzelne Konstruktion funktioniert.

Christian Peter ist seit 2015 Inhaber und Geschäftsführer der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden.

Viele vorproduzierende Unternehmen sind Familienbetriebe. Sie haben Architektur studiert und waren auch in anderen Bereich der Wirtschaft tätig. Wie kommt das?
Ich war nicht beim Berufsberater (lacht). Ich habe einfach das gemacht, was mich in der jeweiligen Lebensphase interessiert hat. So resultierte ein etwas merkwürdiger Werdegang mit der ursprünglichen Ausbildung als Hochbauzeichner und den späteren Studien in Architektur, Jura und BWL. Ich verfolgte dabei keinen spezifischen Plan.

Nachdem Sie bereits in der Betonbranche Fuss gefasst hatten, gingen Sie dann aber doch wieder für ein paar Jahre hinaus in die Bankenwelt. Warum?
Die Zeit im Private Banking hat mir enorm viel gebracht. Meine Kunden schätzten es, jemanden mit unternehmerischer Erfahrung als Vis-à-Vis zu haben. Jemand der weiss, was sie als Unternehmer beschäftigt und der ihre Anliegen in der Bankenwelt bestens vertreten kann. Natürlich spielte auch eine Rolle, dass die Eigentümerfamilie, für welche ich arbeitete, ab 2004 einen Grossteil ihrer Firmen verkaufte. So ging im Jahre 2005 die Element AG an ein irisches Unternehmen.

Als sich dann aber die Gelegenheit ergab, haben Sie das Unternehmen 2015 zurückgekauft …
Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder jemand kauft das Unternehmen oder es verschwindet vom Markt. Das war die Ausgangslage. Ich fand, dass diese Firma eine Daseinsberechtigung hat. Sie beschäftigt viele Mitarbeitende und sie stellt Produkte her, die zukunftsfähig sind. So bin ich in dieses Abenteuer eingetaucht.

Short Cuts

Das Space Eye, dessen Architektur von Mario Botta stammt. Dieses Observatorium für Weltraum und Umwelt beherbergt das grösste Teleskop der Schweiz. Die weisse Fassade besteht aus carbonarmierten, vorfabrizierten Betonelementen mit einer Konstruktionsstärke von nur 50 Millimetern.

Bild: Element AG

Der geplante Tilia Tower in Prilly bei Lausanne. Der 85 Meter hohe Turm mit Wohnungen, Büros, einem Hotel und Ladenflächen ist eine vorbildliche Holz-Beton-Verbundbauweise.

Bild: Visualisierung, 3XN Architects

Die öffentliche Hand hat noch einige Autobahnüberdeckungen projektiert, ähnlich jener bei Schwamendingen. Hier hoffen wir auf weitere Aufträge, die wir aufgrund der bereits gewonnenen Erfahrungen effizient produzieren könnten.

Autobahnüberdeckung in Schwamendingen. Bild: Element AG.

Wenn Sie die Element AG beschreiben, was genau macht Ihr Unternehmen aus?
Wir sind eine eigentümergeführte Schweizer Firma mit einer absolut gesunden Bilanz und mit einer geradlinigen, korrekten Ausrichtung. Wir denken partnerschaftlich und verlangen dies auch von unseren Partnern. Innerhalb der Baubranche wollen wir als Manufaktur funktionieren, die von der Planung bis zur massgenauen Ausführung alles anbietet – und dies auf einem Topniveau. Ich bin stolz darauf, dass wir das einzige Unternehmen der Branche sind, das über zwei voll ausgebildete Standorte inklusive modernster Ingenieurbüros verfügt.
Unsere Spezialität sind grosse, schwere in Serie hergestellte Elemente, wie sie für Sportstadien, Lagerhallen oder auch Strassen- sowie Bahninfrastrukturbauten verwendet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich fertig gestellte Autobahnüberdeckung in Schwamendingen, für die 178 Träger aus unseren beiden Werken verbaut wurden – sie sind bis zu 70 Tonnen schwer und überbrücken die 30 Meter breite Autobahn.

Sie erwähnen den Slogan «100% Schweiz» auf Ihrer Webseite. Haben Sie sich bewusst von einem internationalen Unternehmen wieder zurück auf die Schweiz besinnt?
Das hat für mich nichts mit Patriotismus, sondern vor allem mit meinem Qualitätsverständnis zu tun. Im Ausland werden Dinge zwar günstiger hergestellt, aber zu ganz anderen Konditionen, Bedingungen oder Normen. Auch darum schauen wir als Unternehmen darauf, dass wir so viel wie möglich in der Schweiz einkaufen. Mit unseren zwei Werken in den Kantonen Aargau und Freiburg bekennen wir uns zur Schweiz als Produktionsstandort, und somit bleibt unsere Wertschöpfung eine gänzlich regionale.

«Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp.»

Christian Peter

Sie verkaufen bewusst keine Produkte ab Stange, sondern produzieren stets auf Auftrag. Warum?
Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp. Die Planer in der Schweiz können es sich erlauben, an jedes Projekt komplett neu heranzugehen und haben wenige bis keine Vorgaben bauherrenseits. Wir konstruieren unsere Elemente am 3D-Modell, inklusive aller Einlageteile, und binden sie dann in den digitalen Produktionsprozess ein. Dabei spielen die digitalen Prozesse wie BIM (Building Information Modelling) eine sehr wichtige Rolle. Bei uns wird hierzu die Software Tekla eingesetzt.

Die eigentliche Handarbeit gibt es aber auch bei Ihnen, von der Schalung bis zum fertigen Element …
BIM und Handarbeit stehen nicht im Widerspruch. Mit BIM arbeiten wir, um über eine strukturierte Datensammlung zu verfügen. Das heisst nicht, dass die Herstellung künftig etwa durch Roboter ersetzt werden könnte.

Und doch schreitet die Digitalisierung weiter voran …
Ich glaube, dass die Produktion in naher Zukunft individualisiert bleibt. Wir sind von den Ingenieuren und Architekten abhängig, die die Bauten planen. Diese werden hierzulande an ihren besonders individuellen – das heisst komplizierten und teuren – Gebäuden gemessen. Der Digitalisierungsprozess in der Schweizer Bauwirtschaft kommt sehr schleppend voran, da besonders die Bauherrschaften und vor allem die Planer einem stärker digitalisierten Bauablauf skeptisch gegenüberstehen. Dazu kommt, dass die Ausbildungsstätten für Baufachleute erst langsam dazukommen, digitalisiertes Bauen zu vermitteln.

Wie zukunftstauglich ist dieses Denken?
Es wird sich zwangsläufig Richtung Digitalisierung verändern. Denn gerade jetzt spüren wir eine Abschwächung in der Bauindustrie. Somit werden sich Investoren in Zukunft genauer überlegen, wie teuer ein Bau wirklich werden darf. Wir werden einen neuen und vor allem effizienteren Weg auf allen Ebenen der Bauwirtschaft suchen müssen.

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Das Thema der Nachhaltigkeit ist brandaktuell. Was unternimmt die Element AG in diesem Bereich?
Wir haben unsere Betonrezepturen in den letzten zehn Jahren gewaltig optimiert, um den CO2-Ausstoss bei der Produktion zu verringern. 20% haben wir bisher geschafft. Wir sind somit gut unterwegs und das Interesse, einen noch nachhaltigeren Beton zu produzieren, ist auch bei den Kolleginnen und Kollegen gross. Wir tun alles, um noch viel besser zu werden. Wir bauen zudem bereits heute mit Recyclingbeton, auch bei Tragwerken und Fassaden, und haben noch viele Ideen, welche wir umsetzen wollen.

Gibt es weitere Stossrichtungen, die Sie verfolgen, respektive: Wo gehören Sie zu den First Movern?
Bei den Betonmischungen gibt es noch viel Potenzial für Forschung und Entwicklung. Unsere Investitionen fokussieren wir darum auf den stark CO2-reduzierten Zement, auf die Digitalisierung mit einem modellbasierten, durchgängigen Workflow über alle Produktionsschritte sowie auf die ideale leichtere Konstruktion. In allen Bereichen gehören wir zu den führenden Unternehmen der Schweiz. Überdies bieten wir Konstruktionen in UHFB an (ultra-hochfester Faserverbund-Baustoff), im Moment vornehmlich für Brücken und Passerellen. Die Armierungsmethoden verändern sich auch, so haben wir für die Fassade der neuen und grössten von Mario Botta entworfene Sternwarte «Space Eye» im bernischen Uecht/Niedermuhlern eine ultra-dünne Fassade aus carbonarmierten Elementen gefertigt.

Einen weiteren, wichtigen Ansatz sehe ich beim Gewicht und Volumen. Ein Betonteil, das 2 Kubikmeter misst, könnte vielfach dieselbe Funktion erfüllen, wenn man das Volumen auf 1,2 Kubikmeter optimiert. Hier sehe ich die effizienteste Sparmöglichkeit, sowohl hinsichtlich des Materials als auch in Bezug auf die Kosten. Leider verhindern die Schweizerischen Normen nach wie vor, dass die Planer an effizienten, robusten Konstruktionen interessiert sind. Noch immer werden häufig Honorare nach Baukosten bemessen, was schlanke und effiziente Lösungen oft ausschliesst. Dazu muss ich schweren Herzens immer wieder feststellen, dass die Ingenieurkunst in der Schweiz auf einem bescheidenen Niveau angelangt ist. Um aus unserem Beton das Ganze herauszuholen und um die Digitalisierung hochzuhalten, können wir unsere Konstrukteure und Ingenieure fast nur noch im wesentlich weiter entwickelten Ausland rekrutieren. Dieser Umstand schmerzt mich.

«Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben.»

Christian Peter

Die mangelnden Fachkräfte sind ein grosses Thema. Wie kommen Sie an Ihre Mitarbeitenden?
Als ich die Firma 2015 kaufte, hatten wir fast keinen Rücklauf auf Stelleninserate. Heute bekommen wir auf praktisch jede Ausschreibung wieder gute Bewerbungen. Wir erhalten sogar Spontanbewerbungen. Der Rücklauf ist nicht üppig, aber die Situation hat sich verändert. Wir müssen jedoch als Arbeitgeber sehr flexibel bleiben. Nicht immer bekommt man die topausgebildete Fachkraft, die einfach alles selbstständig und richtig macht. Wir erhalten viele Bewerbungen, die nur ungefähr in das Wunschprofil hineinpassen. Mir ist in der Rekrutierung vor allem wichtig, dass wir Menschen anstellen, die wirklich etwas erreichen wollen, Freude an unseren Konstruktionen haben und für die Element AG langfristig einstehen wollen.

Gerade beim Betonwerker ist es noch immer schwierig, Lernende zu finden …
Vielleicht ist diese Ausbildung als handfeste, dreijährige Lehre ein bisschen zu anspruchsvoll angesiedelt. Es melden sich oftmals Jugendliche, die die geforderten schulischen Fähigkeiten nicht mitbringen. Vielleicht müsste man hier über eine zweijährige Ausbildung wie etwa beim Schreinerpraktiker (EBA) nachdenken.

Welche Momente bei der Element AG sind für Sie besonders wertvoll?
Mich beeindruckt, dass wir zusammen mit unseren gut 200 Mitarbeitenden die Element AG von einer nicht so guten Situation dorthin gebracht haben, wo wir heute stehen. Und es freut mich sehr, dass auch die Mitarbeitenden stolz darauf sind. Und selbstverständlich gibt es das eine oder andere Bauprojekt, das mir grosse Freude macht, manchmal aufgrund der Tatsache, dass wir daran gut verdienen und manchmal, weil es einfach ein super Projekt ist.

Und wann läuft es für sie rund?
Was heisst rund laufen? Wenn es gar keine Probleme mehr gibt, werde ich nicht mehr gebraucht und mir wird langweilig. Darum ist «unrund» manchmal gar nicht so schlecht. Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben. Und ja, vielleicht läuft es dann für mich rund.

Wo sehen Sie den Baustoff Beton in der Zukunft?
Ich habe für den Beton keine Bedenken. Im Moment haben wir zwar einen Holzhype. Ja, ich mag Holz. Aber ich mag dieses Schwarz-Weiss-Denken nicht. Und ich bin felsenfest überzeugt, dass Beton seinen Platz behaupten wird. Denn man kann gewisse Dinge nicht mit Holz realisieren. Es geht schlussendlich um den Einsatz des richtigen Werkstoffes am richtigen Ort. Das ist für mich echte Nachhaltigkeit.

Und wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Wenn ich in der Element AG mitarbeite.

Christian Peter

Christian E. Peter ist CEO der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner hat er sich am Abendtechnikum in Bern zum Architekten HTL weitergebildet und anschliessend in Fribourg Rechtswissenschaften und in Bern Betriebswirtschaft studiert. Er hatte unter anderem Stellen inne als Portfoliomanager bei der Credit Suisse, als Sektionschef am Eidg. Institut für Geistiges Eigentum, als CEO bei der Element Integral AG sowie als Head Premium Clients bei der Credit Suisse, bevor er 2015 die Element AG kaufte. Christian E. Peter ist Eigentümer mehrerer Firmen und hat verschiedene weitere Mandate in der Schweiz.

Interview

«Ich bin gern dort, wo alles passiert»

Fabian Loacker führt in siebter Generation die Geschicke der Loacker AG aus Hauptwil TG. Das Unternehmen ist Spezialistin für vorfabrizierte Treppenelemente aus Beton. Im Interview verrät der 42-Jährige, warum er Hühnerhaut bekommt, wenn am Schluss alles zusammenpasst.

Fabian Loacker, welche drei Begriffe beschreiben Ihre Produkte aus Beton am besten?
Was wir herstellen, ist vielfältig, optisch ansprechend und aus meiner Sicht ganz einfach eine Meisterleistung.

Betonvorfabrikate werden für die verschiedensten Anwendungen hergestellt. Worin ist die Loacker AG besonders stark?
Wir haben uns auf Treppen spezialisiert – bei den Wendeltreppen sind wir top. Wir übernehmen jeweils das gesamte Projekt von der Planung bis zur Umsetzung. Dazu gehören die Statik und alles Drum und Dran.

Wie kam es zu diesem Fokus?
Unsere Firma ist 130 Jahre alt. Die Loackers von damals hatten eine Baufirma gegründet. Lange boten sie dabei alles rund ums Bauen an, insbesondere auch Sanierungen. Mein Grossvater und mein Vater leiteten schliesslich die Spezialisierung auf Betonelemente ein. Diese stellen wir seit 1979 her.

«Keine einzige unserer Treppen ist gleich wie die andere.»

Fabian Loacker

Was verbindet Sie mit dem Baustoff Beton?
Beton ist mein Leben – damit bin ich aufgewachsen. Bereits als 12-Jähriger habe ich in den Sommerferien im Familienbetrieb mit angepackt. Was mich schon damals faszinierte: Es steckt enorm viel Handarbeit in der Herstellung von Vorfabrikaten. Keine einzige unserer Treppen ist gleich wie die andere.

Wann sind Sie in Ihrem Element?
Wenn ich durch unsere Produktionshallen gehe. Hier wird konzentriert und sorgfältig gearbeitet. Und wir machen alles von Hand. Hier arbeitet der Schreiner, der die Schalungen herstellt, dort die Betonwerker, die armieren und betonieren. Wir haben auch einen Betonkosmetiker. Ich bin einfach gern dort, wo alles passiert.

Die meisten Menschen sehen den Beton wohl als einen brachialen Baustoff. Sie sprechen von Betonkosmetik. Was muss am Beton verschönert werden?
Wir legen viel Wert darauf, dass unsere Treppen keine Makel aufweisen. Dass sie schön aussehen, bis ins kleinste Detail. Dies verlangt Fingerspitzengefühl. So müssen etwa Transportlöcher vor Ort mit einem Reprofiliermörtel gefüllt werden. Auch die Kanten werden manchmal nachgebessert. Das kann nur jemand, der langjährige Erfahrung und ein Auge für die Schönheit des Werkstoffs hat.

Gibt es für Sie bei der Arbeit ganz besondere Momente?
Ja. Zum Beispiel, wenn ich eine unserer Treppen montiert auf der Baustelle sehe. Wenn alles zusammenpasst, es eine saubere Sache ist, dann bekomme ich Hühnerhaut. Wenn die Bauherrschaft, die Architekten und die Menschen, die in den Gebäuden wohnen, Freude haben. Das macht mich stolz.

Treppen sind sein Element. Fabian Loacker vor der Produktionshalle in Hauptwil TG.

Sie vertreten die Firma Loacker bereits in der 7. Generation. Was haben Sie von Ihren Vorgängern gelernt?
Fast alles. Mein Onkel war Technischer Zeichner. Mein Vater führte das Offertwesen. Von ihm habe ich gelernt, wie man ein Geschäft führt. Er war mein Mentor. Jetzt ist er im Verwaltungsrat und kommt noch ab und zu vorbei, um etwas Betonluft zu schnuppern. Er lässt mich machen.

Pflegen Sie einen besonderen Führungsstil?
Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Am allerwichtigsten ist für mich, dass das Team passt. Eine familiäre Atmosphäre mit zufriedenen Mitarbeitenden, die gern zur Arbeit kommen, das ist mein Credo. Denn wenn sie nicht gern kommen, funktioniert der Betrieb nicht.

Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Jein – vor eineinhalb bis zwei Jahren hatten wir eine Phase, in der wir Leute gesucht haben. Inzwischen haben wir wieder ein sehr gutes Team beieinander, das super harmoniert. Schwieriger ist es beim Nachwuchs. Letztes Jahr haben wir keinen Lernenden gefunden. Dabei ist Betonwerker ein sehr schöner Beruf.

Short Cuts

Das Schulhaus Burghalden in Baden. Es hat runde, gewendelte Treppen mit seitlicher Aufbordung. Die einzelnen Elemente sind 2,45 Meter breit und wiegen zwischen 8,5 und 9,5 Tonnen. Es war für uns ein Riesenprojekt mit langer Bauzeit. Und es war das letzte grosse Projekt, das ich mit meinem Vater zusammen realisiert habe.

Das neue Museumszentrum an der «Plateforme 10» in Lausanne. Die Architektur der beiden Portugiesen Manuel und Francisco Aires Mateus finde ich schlicht phänomenal.

Mudac Lausanne, Copyright Matthieu Gafsou

Foto: Matthieu Gafsou

Ich finde bei jedem Projekt einen Trigger und fange Feuer. Darum ist es ganz einfach das nächste Projekt, das auf uns zukommt.

Welches ist Ihre Lieblingstreppe?
Eine graue Sichtbetontreppe, schalungsglatt. So wie sie oft in modernen Gebäuden eingebaut werden. In Ausstellungshallen, in denen die Räume sehr gross sind, kommen sie besonders schön zur Geltung.

Welche Architektur finden Sie spannend?
Mir gefallen Projekte, in denen alt und neu gemischt wird. Holz und Beton zum Beispiel.

«Ich bin nicht so der Typ, der jedem neuen Trend folgt. Ich tüftle lieber selbst.»

Fabian Loacker
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Welche Trends verfolgen Sie, wenn es um die Weiterentwicklung der heutigen Baumaterialien – und insbesondere Beton – geht?
Ich bin nicht so der Typ, der jedem neuen Trend folgt. Ich tüftle lieber selbst. Ein Projekt, das wir ausprobiert haben, zusammen mit einem Heizungsspezialisten, waren Wandelemente aus Beton mit einer integrierten Luft-Wärme-Anlage. Dabei haben wir eine Spirale in die Wand eingebaut, die Wärme aus dem Boden zieht. Wir haben gemerkt, in südlichen Ländern würde es funktionieren, bei uns ist es zu kalt. Darum haben wir das nicht weiterverfolgt.

Wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Eigentlich immer. Ich verbringe viel Zeit im Geschäft. Ich bin im Büro voll dran, und in der Produktionshalle voll dran. Und dann habe ich noch das Fischen. Das ist mein Hobby. Die Momente an Seen und Flüssen – meistens in Frankreich – sind die Momente, in denen ich mich entspanne. Dann stelle ich das Telefon aus.

Fabian Loacker

Fabian Loacker hat eine Lehre als Betonwerker absolviert und arbeitete danach auf dem Bau, unter anderem auch zwei Jahre lang für eine Sanitärfirma. Mit 24 stieg der heute 42-Jährige in den Familienbetrieb ein. Im Herbst 2021 übernahm er in siebter Generation die Geschäftsleitung der Loacker AG mit 12 Mitarbeitenden. 

Interview

«Wir sind ein eingespieltes Dreamteam»

Die saw gruppe in Widnau im St.Galler Rheintal ist mit 130 Mitarbeitenden in verschiedenen Bereichen rund um die Vorfabrikation von Betonelementen tätig. Geführt wird das Unternehmen in dritter Generation von zwei Geschwisterpaaren. Dabei erweisen sich die Cousins Marcel, Sabrina, Andre und Alex Schmitter als perfekt aufgestelltes und eingespieltes Team.

Welches sind die Vorteile eines inhabergeführten Familienunternehmens gegenüber einer Firma, die von Managern geleitet wird?
Sabrina Schmitter: Die Nachhaltigkeit von Entscheiden und Investitionen ist uns wichtig. Das war bei unseren Vätern schon so. Wir würden nicht bereits in der dritten Generation geschäften, wenn unsere Vorfahren nicht schon so gedacht und gehandelt hätten.
Marcel Schmitter: Alle ticken gleich und wir arbeiten für die gleichen Ziele.
Alex Schmitter: Die kurzen Entscheidungswege sind ein Riesenvorteil. Wir sind uns einig, dass wir als Familienunternehmen nachhaltige Entscheidungen treffen wollen. Wir sind als dritte Generation ein eingespieltes Dreamteam.
Andre Schmitter: Wir bauen und sanieren so, dass es hält. Zudem investieren wir ausschliesslich mit langfristigem Horizont und haben ein grosses Qualitätsbewusstsein. Das zahlt sich mit der Zeit immer aus. Und die nächste Generation profitiert.

Welches sind die Nachteile einer Geschäftsleitung, die aus Familienmitgliedern besteht?
Marcel Schmitter: Vielleicht ist die Hemmschwelle kleiner.
Sabrina Schmitter: Es besteht die Gefahr, dass man sich eher zu stark einsetzt – weil es eben für die Familie ist.
Andre Schmitter: Ja, wir geben alles, sind mit Emotionen und mit Herzblut dabei.
Alex Schmitter: Natürlich ist die Grenze von Privatleben und Geschäft in unserer Konstellation fliessend. Es ist kaum zu verhindern, dass bei Familientreffen das Unternehmen zur Sprache kommt.
Sabrina Schmitter: Tatsächlich, das Thema kommt fast immer irgendwann auf den Tisch.

Wie kam es zu dieser Nachfolgekonstellation?
(allgemeines Gelächter)

Weshalb lachen Sie?
Sabrina Schmitter: Weil wir alle auf grossen Umwegen ins Unternehmen kamen.
Alex Schmitter: Ich zum Beispiel war Oberstufenlehrer …
Marcel Schmitter (lachend): Ja, du bist der Klügste der Familie …
Andre Schmitter: Für mich war immer klar, dass ich mit den Händen arbeiten will.
Sabrina Schmitter: Bei jedem war es anders, ich arbeitete auch mal als Polizistin. Und jetzt staunen wir, wie geschmeidig die Konstellation funktioniert.
Andre Schmitter: Es ist doch super und ein Privileg, wenn man mit dem Bruder, der Cousine und den Cousins zusammenarbeiten kann.

Hätten Sie sich auch eine andere Karriere vorstellen können ausserhalb des Familienbetriebes?
Marcel Schmitter: Ich spreche, glaube ich, für alle, wenn ich sage, dass es von den Eltern keinen Druck gab, ins Unternehmen einzusteigen. Bei mir war es so, dass mich mein ehemaliger Chef im Transportunternehmen dazu motivierte. Er sagte: Diese einmalige Chance musst du nutzen, Marcel!

Was bedeutet Ihnen der Werkstoff Beton?
Andre Schmitter: Ich halte täglich Beton in den Händen und arbeite damit. Für mich bedeutet Beton, etwas zu erschaffen, das man sieht. Und ich finde beeindruckend, welche Vielfalt von Farben und Formen Beton zulässt.
Sabrina Schmitter: Tatsächlich, mir gefallen besonders die verschiedenen Oberflächenstrukturen.
Alex Schmitter: Für mich bildet Beton die Basis. Beton braucht es überall.
Marcel Schmiter: Lustig, ich überlegte mir bisher noch nie, was mir Beton bedeutet. Es ist ein spannender Werkstoff mit unbegrenzten Möglichkeiten. Mit Beton kann man wirklich alles machen.

«Ein grosses Familienunternehmen gehört niemandem allein. Man denkt einfach weiter, an die nächste Generation – und ist demütig.»

Marcel Schmitter

Welches sind Ihre ersten Erinnerungen an Beton?
Sabrina Schmitter: Wir alle wuchsen mit Beton auf und waren seit Kindsbeinen auf dem Werksgelände.

Ihr Grossvater gründete das Unternehmen. Ihre Väter führten den Betrieb weiter und bauten ihn aus. Nun sitzen Ihre Väter im Verwaltungsrat. Was heisst das für Sie beziehungsweise für die strategischen Entscheide?
Alex Schmitter: Wir schätzen die Unterstützung unserer Väter sehr und sind froh, dass wir auf ihre Erfahrung zurückgreifen können. Weil unser Grossvater Adolf Schmitter früh verstarb, fehlte unseren Vätern diese Möglichkeit.

Was haben Ihre Väter richtig gemacht?
Alex Schmitter: Mir imponiert, wie sie uns Junge im Übergangsprozess die Erfahrungen selber machen liessen und gleichzeitig immer eng begleiteten – bis heute übrigens.
Sabrina Schmitter: Unsere Väter sorgten mit guten Entscheiden dafür, dass wir nun als dritte Generation nachkommen.
Andre Schmitter: Sie zeigten ein enormes Engagement und sind ein Vorbild für uns.
Marcel Schmitter: Ein grosses Familienunternehmen gehört niemandem allein. Man denkt einfach weiter, an die nächste Generation – und ist demütig. Wir tragen heute die Verantwortung für 130 Mitarbeitende und sorgen dafür, dass die nächste Generation keinen Scherbenhaufen übernehmen und aufräumen muss.

 

Unternehmensleitung in Familienhand: Marcel, Andre, Alex und Sabrina Schmitter

Sie sind mit Ihren Unternehmungen im den Bereichen Betonelemente, Fassaden, Tragkonstruktionen, Betonwerk, Logistik, Entsorgung und Vermietung tätig. Ist das nicht ziemlich komplex?
Alex Schmitter: Wenn man das Unternehmen von aussen betrachtet, kann es auf den ersten Blick tatsächlich kompliziert ausschauen. Wir sind intern jedoch top organisiert und haben die einzelnen Bereiche sauber aufgeteilt, das macht die Sache einfach. Und: Wir profitieren von vielen Synergien.

Ihr Unternehmen befindet sich im St.Galler Rheintal ganz im Osten der Schweiz an der Grenze zu Österreich – was heisst das für Sie?
Sabrina Schmitter: Wir sehen die Lage am Rande der Schweiz nicht als Nachteil. Wir zeichnen einfach einen halben Kreis und keinen Ganzen.
Marcel Schmitter: Die Lage bringt Vor- und Nachteile. Wir profitieren zum Beispiel von qualifiziertem Personal aus Österreich und aus Deutschland und von Lieferanten aus dieser Region. Gleichzeitig arbeiten wir nur in der Schweiz und haben manchmal weitere Wege.
Alex Schmitter: Das sind wir uns allerdings gewohnt und ein eigener Gleisanschluss macht den Transport einfach und ökologisch. Das Gleis gibt es seit 1924 – strategisch ein bis heute bedeutender Entscheid unseres Grossvaters. Wir transportieren rund 250’000 Tonnen Kies, Sand, Zement und sonstige Güter pro Jahr mit der Bahn. Das ist richtig viel.
Andre Schmitter: Mit der Digitalisierung sind Distanzen sowieso weniger wichtig geworden in den letzten Jahren.

Sichtwort Digitalisierung: Welche Entwicklungen im Bereich Betonvorfabrikate beschäftigt Sie?
Marcel Schmitter: Alles rund um den 3D-Druck beschäftigt uns natürlich sehr. Es handelt sich um einen Branchentrend. Damit produzieren wir schlanker, und es gibt noch mehr Möglichkeiten für Freiformen.
Andre Schmitter: Wir realisierten in den letzten Jahren sehr komplexe und komplizierte Projekte – und diese nehmen in Zukunft wohl eher zu. Vor allem im Fassadenbau werden die Elemente immer dünner und gleichzeitig grösser. Da muss man in der Produktion fit sein.
Alex Schmitter: Vieles hat mit Ästhetik zu tun – und das gefällt uns.
Sabrina Schmitter: Wir sehen die neuen Entwicklungen als Herausforderung, die wir gerne annehmen – zum Beispiel das digitale Planen mit der BIM-Technik.

«Wir alle wuchsen mit Beton auf und waren seit Kindsbeinen auf dem Werksgelände.»

Sabrina Schmitter
Short Cuts

Der «Weisse Würfel» der Hilty Art Foundation in Vaduz. Wir realisierten die Fassade des privat finanzierten Museums aus weissem Marmorbeton.

©Valentin Jeck, Stäfa

Die neue Swiss Life Arena in Zürich ist ein eindrückliches Bauwerk aus Beton. Leider nicht von uns.

©ZSC Lions AG

Ein Eiffelturm aus Beton, das wäre ein Traumprojekt.

Wie schätzen Sie heute die Entwicklung der Baukonjunktur ein: Stichworte Teuerung, knapperes Material, Unsicherheiten?
Marcel Schmitter: Unserer Meinung nach wird hier alles etwas zu warm gekocht. In der Schweiz ist der Wohnraum nach wie vor knapp. Es wird weiterhin viel gebaut.
Alex Schmitter: Ja, wir verfallen hier nicht in Panik. Es gibt auch im Bereich Infrastruktur weiterhin viel zu tun.

Wie wirken sich die steigenden Energiepreise auf Ihr Geschäft aus?
Alex und Marcel Schmitter: Das ist tatsächlich ein grosses Thema. Wir erleben momentan eine Verdoppelung des Strompreises und eine Verdreifachung des Gaspreises.
Sabrina Schmitter: Durch die aktuellen Entwicklungen müssen wir unsere Preise regelmässig erhöhen. Früher reichte eine Preisliste pro Jahr. Jetzt müssen wir wegen der Zuschläge die Preislisten mehrmals jährlich anpassen.

Eine Herausforderung für die gesamte Baubranche ist die Nachhaltigkeit. Welche Massnahmen ergreifen Sie im Unternehmen?
Alex Schmitter: Wir waren und sind als Unternehmen in Sachen Energieverbrauch schon immer sparsam. Mit der vermehrten Nachfrage von Recycling-Beton kommt eine Stärke von uns zum Tragen. Zudem können wir mit dem eigenen Entsorgungspark den Kreislauf selbst schliessen.
Marcel Schmitter: Regionale Baustoffe und der Transport auf der Schiene gehören ebenso zur Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass unsere Produkte hochwertig und damit langlebig sind. Auch das ist ein Beitrag zur Schonung der Ressourcen.

Wie und wo sehen Sie die Zukunft des Betons?
Sabrina Schmitter: Hier kann ich wohl für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass auch unsere Nachfahren Beton brauchen werden. Das Material ist langlebig, regional erhältlich und rezyklierbar. Holz kann Beton nicht ersetzen, dafür ist Beton zu wichtig, zu vielseitig und ein zu spannendes Baumaterial. Immerhin ist Beton direkt nach Wasser das zweitwichtigste Material der Welt.

«Ich halte täglich Beton in den Händen und arbeite damit. Für mich bedeutet Beton, etwas zu erschaffen, das man sieht. Und ich finde beeindruckend, welche Vielfalt von Farben und Formen Beton zulässt.»

Andre Schmitter

Marcel Schmitter

Geschäftsführer Betonwerk & Logistik und Verkauf Betonwerk
Er ist in der Familie der Kaufmann mit Erfahrung im Transportgewerbe.

Sabrina Schmitter

Assistenz der Geschäftsleitung & Marketing
Sie ist die Alleskönnerin der Schmitters: Hochbauzeichnerin. Bautechnikerin. LKW-Fahrerin und Polizistin.

Andre Schmitter

Produktion
Der Maurer und vielseitig talentierte Mann fürs Handwerkliche. So jemanden wünscht man sich in jeder Familie.

Alex Schmitter

Geschäftsführer Vermietung & Administration
Er war Oberstufenlehrer für Mathematik und Physik und gilt als der Denker in der Familie Schmitter.

Interview

«Beton wird mit dem Alter stärker»

Thomas Rohr beschäftigt sich seit drei Jahrzehnten intensiv mit der Verbesserung von Kanalisationsrohren aus Beton. Wenige kennen sich in dieser Disziplin so gut aus wie er. Der Bauingenieur ist Mitglied bei Normenvereinigungen und Dozent für Siedlungsentwässerung. Dabei richtet sich sein Blick stets nach vorne, in die Zukunft der Kanalisationsrohre.

Thomas Rohr, Sie befassen sich seit Jahrzehnten mit Fragen und Forschung rund um das Thema Kanalisation. Was fasziniert Sie besonders am Thema?
Grundsätzlich ist es so: Bei einer Entwässerung oder bei der Abwasserentsorgung wollen wir unsere Gewässer so wenig als möglich belasten. Da es weder ökologisch noch ökonomisch ist, alles Abwasser über eine Kläranlage zu leiten, braucht es Regeln und Grenzen, um den Wasserkreislauf zu jeder Zeit aufrechterhalten zu können. Es müssen viele Komponenten zusammenstimmen, damit ein solches Bauwerk funktioniert und wirtschaftlich ist. Betonrohre haben sich in der Kanalisation bewährt und sind zukunftsträchtig. Da mitzuarbeiten, ist faszinierend und lohnend.

Sie tönen es an: Die ersten Betonkanäle stammen aus dem Jahr 1863 und wurden in Basel eingebaut. Wo liegen die entscheidenden Fortschritte des Betonkanals in den letzten 160 Jahren?
Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass abgesehen davon, dass das Abwasser noch immer von oben nach unten läuft und wir nach wie vor runde Rohre verwenden, sich tatsächlich alles geändert hat. 1863 wurden die Rohre noch mit Stampfbeton hergestellt, heute produzieren wir die Rohre mit hoch entwickelten Produktionsanlagen. Die Herstellverfahren, Qualität und Anwendungstechnik von Rohren und Schächten aus Beton und Stahlbeton wurden ständig weiterentwickelt, um den Anforderungen an Abwasserleitungen und -kanäle hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Dichtheit, Tragfähigkeit und Funktionssicherheit gerecht zu werden.

«Die Digitalisierung macht auch bei der Produktion von vorfabrizierten Betonbauteilen nicht Halt.»

Und wie weit ist die Technik heute im digitalen Zeitalter?
Die Digitalisierung macht auch bei der Produktion von vorfabrizierten Betonbauteilen nicht Halt. Heute werden die Schachtunterteile mit 3D-Fräsanlagen objektspezifisch hergestellt. Um die notwendigen Modelldaten zu erhalten, sind in der letzten Zeit digitale Konfiguratoren entwickelt worden, die auch als Grundlage für die hydraulischen und statischen Bemessungen verwendet werden können. Dies bedeutet, wir bauen heute auch in der Entwässerungstechnik erst einen digitalen Zwilling und dann setzen wir das Bauobjekt um.

Weshalb verwendet man noch heute Beton für Kanalisationsrohre?
Seit 1863 hat sich bei der Art des Abwassers wenig geändert. Bei dem häuslichen Schmutzwasser und Regenwasser wurde die Menge grösser, die chemische Zusammensetzung blieb jedoch ähnlich. Bei dem Industrie- und Gewerbeabwasser hat sich die chemische Zusammensetzung allerdings geändert. Dies hat Einfluss auf die Nutzungsdauer einer Abwasserleitung. Und genau in diesem Bereich hat der Beton einen grossen Vorteil. Beton wird mit dem Alter nicht schwächer, sondern eher stärker. Beton können wir mit einfachen Mitteln reparieren und renovieren, ohne dass wir die Bauteile auswechseln müssen.

Thomas Rohr, Projektleiter bei der MÜLLER-STEINAG Gruppe, ist Bauingenieur und Kanalisationsexperte.

Ist beim Beton schon alles erforscht oder gibt es noch Wissenslücken?
Ich glaube, es gibt im Rohrmarkt keinen anderen Werkstoff, der so genau untersucht und analysiert worden ist, wie Beton beziehungsweise Stahlbeton. Heute diskutieren wir über den Rohrpreis, der in etwa 2 bis 4 Prozent des Gesamtpreises eines Rohreinbaus ausmacht. Wir sprechen dabei interessanterweise nie über die Werterhaltungskosten über eine bestimmte Nutzungsdauer. Dabei müssen wir Rohre und Schächte aus Beton und Stahlbeton als Ganzes betrachten, sie sind effizient, widerstandsfähig und verlässlich in ihrer Leistung, von der Produktion bis zur Wiederverwertung. Dadurch bieten die Bauteile zahlreiche Vorteile, die sie zu einer optimalen Wahl für Abwassersysteme machen.

Wo liegt der Vorteil gegenüber Kunststoffrohren?
Das werde ich oft gefragt und ich finde dies eine dumme Frage. Wir kennen mehr als 30 verschiedene Rohrarten und -typen. Und vermutlich hat jeder Rohrwerkstoff oder Typ seine Berechtigung auf dem Markt.

Das ist eine sehr diplomatische Aussage. Was ist nun Sache, welcher Rohrtyp ist besser?
Bei dieser Frage will man sicher hören, dass ein Betonrohr zu 82,1 Prozent aus Sand und Kies, aus 5,1 Prozent aus Wasser und zu 12,8 Prozent aus Zement besteht und ein Kunststoffrohr zu 100 Prozent aus Erdöl- oder Erdgasrohstoffen produziert wurde. Oder, dass ein Betonrohr zu 100 Prozent wiederverwertet werden kann und ein Kunststoffrohr in der Regel einer thermischen Verwertung zugeführt wird. Oder, dass Betonrohre gegenüber anderen Rohrmaterialien keinen Mikroplastik verursachen.

So weit ist uns das bekannt. Doch welches Material ist nun im Vorteil?
Sagen wir es so: Was die Rohre und Schächte aus Beton und Stahlbeton so optimal für die unterschiedlichste Anwendungsbereiche macht, ist das besondere Potenzial für die nahezu grenzenlosen Formbarkeit. Kein anderer Werkstoff kann in den verschiedensten Formen vorfabrizierte Profilrohre anbieten.

Sie verfolgen und prägen die Entwicklung von Rohren aus vorgefertigtem Beton seit Jahrzehnten. Wohin führt sie oder anders gefragt: Welche neuen Technologien prüfen Sie?
Durch die modellbasierten geometrischen Modelldaten können wir exakte Produkteigenschaften zur Verfügung stellen, und diese zum Beispiel für hydraulische Simulationen brauchen. Dadurch können wir Werkzeuge zur Verfügung stellen, die eine noch präzisere Projektplanung ermöglichen und die Baustellenabläufe noch besser optimieren lassen. Die nächsten Schritte werden die Einführungen einer automatisierten Qualitätskontrolle sein oder die digitale Erkennung der Informationen an dem Bauteil.

«Es macht keinen Sinn, dass wir nun die bestehenden Kanalisationen einfach durch grössere Rohre ersetzen.»

Die Klimaerwärmung stellt mit vermehrtem Starkregen auch an die Kanalisation höhere Ansprüche, damit sie die grossen Wassermengen fasst. Wie schaffen Sie das technisch?
Solche Ereignisse sind in der Regel sehr kurzfristig. Es macht keinen Sinn, dass wir nun die bestehenden Kanalisationen einfach durch grössere Rohre ersetzen. Obwohl dies für uns Hersteller ein Glücksgriff wäre, und unsere Produktion wäre über mehrere Jahre sichern würde. Aber es macht mehr Sinn, dass die grösseren Regenmengen kurzfristig zwischengespeichert werden, entweder an der Oberfläche oder unter Terrain. Solche Massnahmen funktionieren nur, wenn die Wassermengen geführt und geregelt abgeleitet werden. In diesem Bereich sind noch einige Investitionen notwendig.

Thomas Rohr, was wünschen Sie sich für den Schweizer Kanalisationsbau?
Durch die Einführung des Berufes von Entwässerungspraktikern und -technologen verfügen wir in der Schweiz über Fachpersonen, die ihr Handwerk im Unterhalt und in der Wartung verstehen. Ich hoffe, dass dieser Beruf bestehen wird und genügend Nachwuchs hat. Ich wünsche mir, dass es viele Leute gibt, die etwas in der Abwasserentsorgung bewirken wollen und Werkzeuge für wirkungsvolle Entwässerungsprozesse entwickeln. Ich hoffe auch, dass es weiterhin Produzenten von Betonvorfabrikaten gibt, die den Nachwuchs fördern und die in den wunderbaren Werkstoff Beton viel Zeit und Geld investieren. Damit unterstützen sie die Forschung und Entwicklung im Bereich der Entwässerungstechnik.

Thomas Rohr

Der Bauingenieur ist ein ausgewiesener Fachmann für Kanalisationsbau mit über 30 Jahren Erfahrung. Zuerst arbeitete Thomas Rohr als Ingenieur in einem privaten Büro und seit 1994 als Produkt Manager und Projektleiter bei der MÜLLER-STEINAG Gruppe. Rohr ist unter anderem Mitglied bei Normenvereinigungen sia 190 Kanalisationen und bei der VSA als Co-Leiter CC Kanalisationen. Zudem ist er Dozent beim CAS Siedlungsentwässerung an der Berner Fachhochschule.

Mehr Informationen

Wie Schweizer Hersteller von vorfabrizierten Kanalisationsrohren im Untergrund wirken, erfahren Sie hier: aqua-eco.ch

Werde Betonwerker:in!

Unter Dach handwerken

Betonwerker:in – ein Knochenjob? Weit gefehlt. Betonwerker:innen stellen Elemente in verschiedensten Formen und für unterschiedlichste Verwendungen her: Von Treppenelementen über Sitzinseln und Brunnen bis hin zu Abwasserschächten. Und sie arbeiten unter Dach – geschützt vor Wind und Wetter.

Betonelemente werden in der Produktionshalle vorproduziert: Der Beton dort gemischt, gegossen und geglättet. Als Betonwerker:in ist reine Muskelkraft weniger gefragt als auf dem Bau, der Beruf erfordert insbesondere handwerkliches Geschick, technisches Verständnis und Kreativität. GRAU sprach mit den beiden Betonwerker-Lernenden Omer Jasari (MÜLLER-STEINAG Gruppe, Rickenbach LU) und Blerian Ramadani (Stüssi Betonvorfabrikation AG, Dällikon ZH).

Mit dem Kopf bei der Sache. Betonwerker:in ist ein anspruchsvoller Beruf.

Blerian und Omer, warum habt ihr euch für die Ausbildung als Betonwerker entschieden?

Blerian: Der Beruf hat mir einfach gefallen. Ich wollte unbedingt einen handwerklichen Beruf erlernen. Und den Baustoff Beton finde ich überaus spannend.

Omer: Schon als Kind habe ich in den Ferien oft meinen Vater zur Arbeit begleitet. Er arbeitet als Maurer und so kam ich mit der Baubranche in Berührung. Die Arbeiten gefielen mir, aber weil es im Winter oft sehr kalt ist, wollte ich nicht draussen arbeiten. Glücklicherweise bin ich auf den Beruf Betonwerker EFZ gestossen.

Was findet ihr am Baustoff Beton spannend?

Omer: Ich fand es schon immer faszinierend, dass aus dem zuerst flüssigen Material so harte und stabile Elemente entstehen können. Zudem ist Beton sehr vielfältig und durch die flexible Formbarkeit einzigartig.

Blerian: Eigentlich ist alles an Beton spannend; wie er hergestellt wird und wofür er benutzt werden kann. Überall braucht es Beton. Für Gebäude – sprich die Infrastruktur im ganzen Land.

Da sieht man, was man gemacht hat. Beton ist immer konkret.

Und was weckt euer Interesse an vorfabrizierten Betonelementen?

Blerian: Dass es so grosse Elemente gibt, ist einfach spannend. Die Arbeit mit dem Kran fasziniert mich besonders.

Omer: Lange dachte ich, dass Beton immer grau ist. Tatsächlich können wir die Elemente aber in jeder Farbe vorfabrizieren. Auch das macht Beton so vielfältig.

Gibt es Arbeiten, die ihr besonders gern macht?

Blerian: Eigentlich mache ich alles gern.

Omer: Ich mag es, Treppen zu produzieren. Am interessantesten finde ich es aber, wenn ich das Produkt von der Schalung bis zum fertigen Produkt mitproduzieren darf, egal welches.

«Das handwerkliche Geschick ist sehr wichtig. Zudem hilft mir mein gutes Vorstellungsvermögen.»

Omer Jasari

Welche eurer persönlichen Eigenschaften helfen euch auch im Beruf?

Omer: Das handwerkliche Geschick. Zudem hilft mir mein gutes Vorstellungsvermögen. Nur so ist es mir möglich, die Pläne zu verstehen und bei der Produktion das Endprodukt vor Augen zu haben.

Blerian: Mir hilft, dass ich sehr sportlich bin. Die körperliche Fitness reicht aber nicht aus, man muss für diesen Job auch einen wachen Kopf haben. Auch ein guter Teamgeist hilft. Als Einzelgänger kommt man bei diesem Beruf nicht weit. Wir arbeiten zusammen.

«Als Einzelgänger kommt man bei diesem Beruf nicht weit. Wir arbeiten zusammen.»

Blerian Ramadani

Habt ihr ein Lieblingsprojekt oder ein Lieblingswerkstück?

Blerian: Beim Schnuppern durfte ich das Modell einer Treppe selbst herstellen – selbst gezeichnet, selbst geschalt und armiert, selbst betoniert. Diese Modelltreppe durfte ich mit nach Hause nehmen.

Omer: Mein Lieblingswerkstück sind Wendeltreppen. Diese bestehen aus vielen Einzelteilen, die wir alle sorgfältig anfertigen. Besonders gern bin ich dabei, wenn wir sie zusammenbauen und das fertige Produkt entsteht.

Was gibt euch bei der Arbeit Antrieb?

Blerian: Ich komme morgens in die Halle und alle begrüssen mich mit einem Lachen im Gesicht. Es ist toll, ein Teil dieses Teams zu sein.

Omer: Das Lob des Berufsbildners oder von anderen Mitarbeitenden motiviert mich. Zudem ist es ein schönes Gefühl, das Endprodukt vor mir zu sehen und zu wissen, wie viel Arbeit von der Schalung bis zur Montage darin steckt.

Blerian Ramadani, Lernender Betonwerker, Stüssi Betonvorfabrikation AG
Omer Jasari, Lernender Betonwerker, MÜLLER-STEINAG Gruppe

Fahrt ihr manchmal zu Orten, wo man eure Arbeit sieht? Und wie geht es euch dabei?

Omer: Ja sehr oft sogar. Kürzlich waren wir bei einer Moschee, die aus unseren Stützen gebaut wurde. Voller Stolz konnte ich das Werk meiner Familie zeigen.

Blerian: Wir haben die Elemente für das neue Kunsthaus in Zürich geliefert. Das Kunsthaus ist mega schön gemacht. Da ist man schon stolz.

Was möchtet ihr nach der Ausbildung machen?

Omer: Zuerst möchte ich ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln. Danach will ich mich weiterbilden. Eine Weiterbildung als Vorarbeiter kann ich mir gut vorstellen oder auch den Baustoffprüfer finde ich spannend. Es gibt viele Möglichkeiten.

Blerian: Ich möchte sicher noch ein paar Jahre auf dem Beruf und in dieser Firma weiterarbeiten. Dann vielleicht intern weiterkommen. Ich könnte mir ebenfalls vorstellen, Vorarbeiter zu werden, oder in der Firma höher aufzusteigen, wer weiss?

Mehr Informationen

Werde Betonwerker:in! Ein spannender Beruf, der handwerkliches Geschick, technisches Knowhow und Kreativität vereint.
> https://www.swissbeton.ch/ausbildung/lehrberufe/

Und hier geht es zu den aktuell ausgeschriebenen Lehrstellen:
https://www.swissbeton.ch/ausbildung/lehrberufe/#lehrstellen

Blogeintrag vom Baumeisterverband zum Betonwerker:
> https://baumeister.swiss/jetzt-wird-betoniert/

Erfolgreicher Lehrabschluss

Lehre erfolgreich abgeschlossen

Die Branche der Betonvorfabrikanten begrüsst fünf neue Betonwerker in ihren Reihen. Sie haben ihre dreijährige Lehre erfolgreich abgeschlossen und sind nun bestens für die berufliche Laufbahn gerüstet. Am besten abgeschlossen hat Emir Kurtalic (STEINAG Rozloch AG) mit einer Gesamtnote von 5,2.

Bei der Qualifikationsfeier im Restaurant «Die Giesserei» in Zürich-Oerlikon durften fünf frisch gebackene Betonwerker ihr eidgenössisches Fähigkeitszeugnis entgegennehmen. Emir Kurtalic, der seine Lehre bei der STEINAG Rozloch AG absolvierte, schloss als Jahresbester mit der Note 5,2 ab. Leider konnte er an der Feier nicht teilnehmen.

Die Lehre ebenfalls erfolgreich abgeschlossen haben ausserdem: Ahmadi Nawruz (Külling AG), Giovanni Corapi (Loacker AG), Samir Jakupovic (Sebastian Müller AG) und Raphael Raths (Sebastian Müller AG).

Von links nach rechts: Giovanni Corapi (Loacker AG), Ahmadi Nawruz (Külling AG), Raphael Raths (Sebastian Müller AG), Albin Weber (Chefexperte und Lehrperson an der Berufsfachschule Zofingen), Samir Jakupovic (Sebastian Müller AG). Nicht auf dem Foto: Emir Kurtalic (STEINAG Rozloch AG)

Die Ausbildung zum/zur Betonwerker/in dauert drei Jahre und schliesst mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis ab. Der Regelunterricht findet an der Berufsfachschule in Zofingen AG statt. Zudem nehmen die Lernenden an 60 überbetrieblichen Kurstagen in den Maurerlehrhallen in Sursee teil. Die Anforderungen für eine Lehre als Betonwerker/in sind insbesondere handwerkliches Geschick und technisches Verständnis. Auch die Mathematik ist elementarer Bestandteil der Ausbildung. In der Deutschschweiz bilden 24 Lehrbetriebe Betonwerker/innen aus.

Interview

«Unser Grossvater ist stolz auf uns – und wir auf ihn»

Alexander und Tobias Stüssi werden bald in dritter Generation gemeinsam das Familienunternehmen Stüssi Betonvorfabrikation AG in Dälllikon bei Zürich übernehmen. Die Brüder, die drei Jahre versetzt am gleichen Tag zur Welt kamen, ergänzen sich mit ihren Unterschieden. Alexander Stüssi ist technisch versiert, sein jüngerer Bruder Tobias kennt sich in organisatorischen Dingen aus.

Alexander und Tobias Stüssi, wann kamen Sie zum ersten Mal mit Beton in Berührung?
Alexander Stüssi: Das ist tatsächlich lange her. Als Jugendlicher half ich regelmässig im Betrieb mit. Buben finden Technik, Bauen und Kräne meist ja sowieso spannend.

Tobias Stüssi: Ja, auch ich kam in unserer Firma bei einem Sommerjob als Jugendlicher in Kontakt mit Beton.

«Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot.»

Alexander Stüssi

Was bedeutet Beton für Sie?
Tobias Stüssi: Salopp gesagt ist Beton gleichzeitig ziemlich einfach und recht kompliziert. Eigentlich braucht es für Basisbeton nicht viele Zutaten. Mit höheren Ansprüchen wird die Sache jedoch schnell hochkomplex und führt in Bereiche wie Chemie, Physik, Design oder Ökologie.

Alexander Stüssi: Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot. Mit Beton ist fast alles möglich, es ist superspannend, mit Beton zu arbeiten.

Ihr Grossvater gründete das Unternehmen. Deren Söhne, Ihr Vater und Ihr Onkel, führten den Betrieb weiter und werden ihn bald an Sie übergeben. War Ihr Weg vorbestimmt?
Alexander Stüssi: Bei uns hat es nie geheissen: Sohn, du musst die Firma übernehmen. Vielmehr wächst man einfach damit auf. Man sieht, was Grossvater, Vater und Onkel machen, interessiert sich dafür und realisiert, dass die Familie für diese Arbeit steht. Das wollen wir weiterführen.

Tobias Stüssi: Lange hatte ich keinen Kontakt zum Unternehmen. Erst nach dem Studium entstand wieder Nähe. Ich hatte genügend Zeit, mir zu überlegen, ob ich im Familienbetrieb einsteigen wollte.

Wie läuft es mit der Aufteilung?
Alexander Stüssi: Da gibt es keine Probleme, weil wir in klar getrennten Bereichen tätig sind mit überschaubaren Schnittstellen.

Tobias Stüssi: Wir ergänzen uns sehr gut. Alexander ist kompetent im Baubereich und sehr engagiert und zuverlässig. Meine Domäne ist das Büro.

Wie verstehen Sie sich als Brüder in diesem Setting?
Tobias Stüssi: Wir lernten uns in den letzten Monaten neu kennen – und von einer anderen Seite. Wir wuchsen gemeinsam auf, machten unabhängig voneinander Ausbildungen und sammelten Lebenserfahrung. Nun sind wir auch beruflich gemeinsam unterwegs.

Alexander Stüssi: Unser gegenseitiges Vertrauen ist stark. 

Wie läuft die berufliche Ablösung von Vater und Onkel?
Alexander Stüssi: Ich übernehme seit letztem Jahr den Part meines Onkels, der sich langsam aus dem Berufsleben zurückzieht. Tobias ist auf bestem Weg, die Führung der Administration und Organisation von unserem Vater zu übernehmen.

Tobias und Alexander Stüssi schreiben die Betongeschichte ihrer Familie fort.

Was sagt der Grossvater dazu?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater ist sehr stolz, dass nun bereits die dritte Generation die Zügel der Firma in die Hand nimmt. Er legte mit dem Unternehmen den Grundstein für die ganze Familie. Wir sind ihm sehr dankbar dafür.

Was bleibt mit Ihnen gleich?
Tobias Stüssi: Das hohe Engagement und die Leidenschaft für Betonvorfabrikate und für das Unternehmen möchte ich beibehalten. Freude haben an der Arbeit und etwas Positives bewirken, das wurde uns vorgelebt. Ich will stolz sein, wenn ich nach zwanzig, dreissig Jahren zurückschaue.

Führen Sie Ihre Mitarbeitenden anders als die Generation vor Ihnen?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater, Vater und Onkel sind wie wir gradlinige und ehrliche Menschen. Wir sagen, wenn uns etwas gefällt oder eben nicht. Hier fahren wir mehr oder weniger die gleiche Linie. Wir schätzen unsere Mitarbeitenden sehr und wollen möglichst nahe am Geschehen sein. Wir respektieren das Können und den Einsatz der Mitarbeitenden. Und diese sehen, was wir machen. So akzeptieren wir uns gegenseitig.

Ihr Unternehmen befindet sich im Zentrum der Wirtschaftsregion Zürich. Was heisst das für Sie?
Tobias Stüssi: Dällikon liegt am Tor zur Stadt Zürich und nahe bei Baden. Dieser urbane Standort prägt uns. Hier läuft sehr viel. Wir befinden uns in der Nachbarschaft von Google und Microsoft und erleben mit, was in anderen Bereichen passiert. Das gibt uns viel Input. Auch müssen wir uns als Arbeitgeber in dieser kompetitiven Umgebung beweisen.

Short Cuts

Unser Aushängeschild ist aktuell das Projekt «Three Point», an dem wir mitarbeiten. In Dübendorf werden die drei höchsten Wohntürme der Schweiz erstellt. Wir liefern die Balkonelemente.

Die Tessiner Superbatterie «Energy Vault», die nachhaltig produzierten Strom speichert. So könnte unsere Energiezukunft aussehen.

Bei einem privat finanzierten Wohnhaussystem wären wir gerne dabei, das günstiges, jedoch wertiges Wohnen im Raum Zürich ermöglicht – und in Sachen Nachhaltigkeit und Technik vorbildlich ist. 

Welche Entwicklungen im Bereich Betonvorfabrikate verfolgen Sie?
Tobias Stüssi: Ich interessiere mich stark für die Bereiche Digitalisierung, 3D-Planung und moderne Prozessabläufe.

Alexander Stüssi: Trends wie schlankes Bauen oder filigrane Betonkonstruktionen verfolge ich eng und freue mich immer, wenn ich eine schön strukturierte Betonfassade an einem modernen Gebäude sehe.

«Die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen auf ressourcenoptimierte Betonmischungen und effizientere Produktionsprozesse.»

Tobias Stüssi
Alexander Stüssi (unten) und Tobias Stüssi (oben) wollen hoch hinaus mit Betonfertigelementen.

Wo sehen Sie Herausforderungen?
Tobias Stüssi: Sicher ist die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen mit ressourcenoptimierten Betonmischungen bereits einiges um in diesem Bereich. Zum Thema gehört auch der sorgsame Umgang mit Energie, aus ökologischen und finanziellen Gründen.

Alexander Stüssi: Bei unserem Grossvater waren Rohstoffe sehr teuer, dafür die Arbeitsstunden günstig. Bei unserem Vater und Onkel waren Rohstoffe günstig, dafür die Arbeitsstunden teuer. Wir kämpfen – Stand heute – mit knappen und teuren Rohstoffen, Lieferschwierigkeiten, viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt sowie mit teuren Arbeitsstunden. Herausforderungen, denen wir uns stellen.

Schlussfrage: Wie ist es als Brüder, wenn man am gleichen Tag Geburtstag hat?
Tobias Stüssi: Es ist cool! Das mag wohl etwas überraschen. Als Kinder feierten wir unsere Geburtstage immer gemeinsam und haben dann alle unsere Gspänli eingeladen und zusammen gebastelt, Kuchen gegessen und so weiter.

Alexander Stüssi: Bei uns war es nie ein Thema, dass man am Geburtstag nicht die ganze Aufmerksamkeit geniesst. Und heute ist es angenehm, weil wir nie des anderen Geburtstag vergessen 😉.

Alexander Stüssi

34 Jahre, ist gelernter Zimmermann. Vor seinem Studium zum Bauingenieur arbeitete er bereits einige Jahre in der Produktion und als Montagepolier im Familienunternehmen. Im August 2021 kehrte er mit beruflicher Erfahrung als Ingenieur im konstruktiven Hochbau zur Stüssi AG zurück, leitet dort seither den Bereich Planung und ist als Bauleiter tätig.

Tobias Stüssi

31 Jahre, absolvierte eine KV-Lehre in einem Speditionsunternehmen und schloss ein BWL-Studium ab. Er ist seit 2017 im Familienunternehmen tätig, vor allem in der Administration und Organisation. Allerdings springt er auch immer wieder in der Fertigung ein. Zurzeit bildet sich Tobias Stüssi an der Fachhochschule Nordwestschweiz im technischen Bereich weiter.

Interview

«In unseren Adern fliesst Beton»

Hendrix Müller führt den Produktionsstandort Rickenbach/LU der familieneigenen MÜLLER-STEINAG Gruppe. Er ist fasziniert vom vielfältigen Baustoff Beton und setzt alles daran, diesen umweltfreundlicher zu machen. Er bezeichnet sich selbst als «Early Adopter», als jemanden, der technische Neuerungen besonders schnell in den Alltag integriert.

Hendrix Müller, wann kamen Sie das erste Mal bewusst mit vorfabriziertem Beton in Berührung?
In meiner Kantonsschulzeit machte ich immer wieder Ferienjobs im Betrieb. Ich arbeitete in der Polymerbetonfertigung und liebte es. Später war ich eine Zeitlang auf einem Bauernhof tätig, wo wir für den Bau eines Freiluftstalles die Roste, Güllerinnen und Liegeplätze für die Kühe teilweise selbst betonierten. Und ich war auch schon als Lastwagenchauffeur mit Beton unterwegs.

Und heute?
Ich komme tagtäglich mit Beton in Berührung – und zwar wortwörtlich. Wenn ich durch die Betriebshallen gehe, berühre ich immer wieder das Material. Das Haptische ist mir wichtig. Und kürzlich wechselte ich bei mir Zuhause einige Verbundsteine selbst aus.

Was bedeutet Ihnen der Werkstoff Beton?
Für mich ist Beton mit Emotionen verbunden. Der Geruch ist spezifisch, wie auch beim Holz. Riecht es nach Beton oder Holz, werde ich an meine Grossväter erinnert, der eine führte unser Betonwerk, der andere eine Zimmerei. Mich faszinieren die vielen Möglichkeiten, die Beton bietet.

Wie unterscheiden sich Betonprodukte, die vor 20 Jahren entstanden, von den heutigen?
Grundsätzlich sind die Zutaten die gleichen. Sand und Kies, Wasser und Zement. Heute verwenden wir allerdings Zusatzmittel, die sich viel genauer einstellen lassen und erreichen so präzise die gewünschten Eigenschaften. Mit dem modernen SCC-Beton (selbstverdichtender Beton) arbeiten wir sehr fortschrittlich und auch viel ruhiger, da kaum mehr Vibratoren eingesetzt werden müssen. Das erhöht die Arbeitsqualität enorm.

Hendrix Müller, Müller Steinag Element AG, Swiss Beton, GRAU online
Hendrix Müller ist ein Technikfan uns sucht stets nach innovativen Lösungen.

Und wie werden Betonprodukte in 20 Jahren sein?
Der Blick in die Kristallkugel ist schwierig. Vielleicht kommen Alternativen zu herkömmlichem Zement auf, die zur Ergänzung eingesetzt werden können. Hier sind calcinierte Tone (LC3) sicher Favoriten. Auch hydrolithische Steinmehle gehören dazu. Zentral sind für mich die Anstrengungen, die CO2-Emissionen zu senken. Darauf muss sich die Zementindustrie und auch wir als Betonprodukthersteller fokussieren,

Betonvorfabrikate werden auf der ganzen Welt eingesetzt. Gibt es Unterschiede?
Bei uns in der Schweiz sind die Ansprüche um ein Vielfaches höher, Insbesondere, was die Optik und die Oberflächen angeht. Wir bieten wie sonst wohl niemand verschiedenste Betonoberflächen, vom Waschbeton bis zu gestrahltem Beton – und alles in perfekter Qualität. Bei uns geht es ja oft um einzelne Objekte. Plattenbauten mit x-facher Wiederholung gibt es hierzulande nicht.

Wo spielt die Musik in Sachen Beton?
Wir sind sehr nah dran am Puls der Zeit. Der Wissensaustausch unserer Forschungsabteilungen mit Hochschulen und Instituten ist ein zentraler Faktor. Ein Fokus der Forschung liegt darin, dünnere Betonteile mit hoher Festigkeit herzustellen, um so Material zu sparen. Es gibt noch weitere grossartige Ideen, die wir zum Teil bereits umsetzen. Zum Beispiel konnten wir bei uns im Werk bereits erfolgreich CO2 im Beton binden.

«Als Early Adopter suche ich immer nach neuen Lösungen, auch ausserhalb meines angestammten Bereichs.»

Hendrix Müller

Hendrix Müller, Sie befassen sich intensiv mit der Entwicklung von Beton für Vorfabrikate. Was fasziniert sie am meisten?
Spannend ist sicher brandfester Beton, wo ich bei Brandversuchen staunte, wieviel Wasser im erhärteten Beton gebunden ist. Ein weiteres hochinteressantes Feld sehe ich im schnellbeschleunigenden Beton mit sehr kurzer Aushärtezeit. Zudem finde ich generell bei unseren Elementen die Betonoberflächen faszinierend, die so fein sind wie Baby-Popos.

Im Bereich Digitalisierung leisten Sie Pionierarbeit. Sie machen den Lebenszyklus von Betonbauwerken digital verfügbar. Was ist der Vorteil?
Die sogenannte BIM-Technologie (Building Information Modeling) heisst auf Deutsch Bauwerksdatenmodellierung. BIM ist eine Methode, bei der Gebäude mithilfe von Software vernetzt geplant, gebaut und bewirtschaftet werden. Ich sehe den Vorteil dabei weniger im Erstellen und Bauen, sondern vor allem in der Instandhaltung des Gebäudes – bis zu einem möglichen Abbruch der Liegenschaft. Alle nötigen Informationen für den Unterhalt oder eine Sanierung sind vorhanden. Beim Abbruch eines Gebäudes ist damit sofort klar, was noch von Nutzen ist und was nicht. Diese Daten sind für die Kreislaufwirtschaft zentral. Hier sehe ich viel Potential.

Man spürt bei Ihnen, dass Sie sich für neue Technologien begeistern. Woher kommt diese Affinität zum Technischen und Digitalen?
Als Early Adopter suche ich immer nach neuen Lösungen, auch ausserhalb meines angestammten Bereichs. Bei technologischen Entwicklungen bin ich immer sehr früh dran und weiss, worum es geht. Neueste Trends und deren praktische Umsetzung sind einfach spannend. Zum Beispiel können wir mittlerweile mit Sensoren den Bewässerungsgrad einer Baumgrube überwachen. So muss die Stadtgärtnerei nicht unnötig bewässern.

«Mein Ziel ist, Beton so nachhaltig wie möglich zu machen.»

Hendrix Müller

Ein wichtiges Thema ist die Nachhaltigkeit von Beton und Betonvorfabrikaten zu verbessern. Wohin geht die Reise?
Mein Ziel ist, Beton so nachhaltig wie möglich zu machen. Dabei denken ich nicht in erster Linie an Zertifikate oder Kompensationen, sondern an konkrete Massnamen in unserem Betrieb. Wir machen bereits sehr viel mit einer umweltfreundlichen Transportflotte, Holzschnitzelheizung, Strom aus Photovoltaik oder umfangreichen Rekultivierungen.

Was halten Sie von mit Ton versetztem sogenannten Ökobeton, wie ihn die Universität Lausanne propagiert?
Wir verfolgen die Entwicklung mit Interesse. Für uns in der Region ist dieser LC3-Beton nicht ideal, da die Ausschalfristen noch zu lang sind und wir bei uns auch wenig Tonvorkommen haben. In Indien, wo dieser Beton nun vermehrt eingesetzt wird, macht er aber durchaus Sinn. Wir selbst produzieren Elemente aus Recyclingbeton oder fertigen Steine aus Lehmbeton und machen mit dem sogenannten Terrabloc gute Erfahrungen.

Zum Schluss die Frage: Sie sind Teil einer grossen Betonfamilie, drei Onkel und zwei Cousinen sind im Unternehmen aktiv. Ist das Thema Beton bei einem Familientreffen Allgegenwärtig?
Tatsächlich fliesst bei uns Beton durch die Adern. Bei Familienfesten haben allerdings auch sehr viele andere Themen Platz. Wir sind gesellig und vielseitig interessiert. Von Musik über Politik und Technik bis hin zu Astronomie oder Historischem. Wir sind alles, ausser Betonköpfe.   

Zur Person

Hendrix Müller (Jahrgang 1978) ist Verwaltungsrat der familiengeführten Luzerner MÜLLER-STEINAG Gruppe und Geschäftsführer des Produktionsstandortes Rickenbach/LU, wo er auch wohnt. Der dreifache Familienvater ist in der Freizeit oft in der Natur und in den Bergen anzutreffen und betreibt gerne Ausdauersport.

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