Interview

«Seriöses Handwerk trifft innovative Ideen»

Der Familienbetrieb ermöglichte Fredy Fanger bereits als Bub erste Einblicke in die Betonbranche. Davon fasziniert, entschied auch er sich für diesen beruflichen Weg. Nach über 40 Jahren in leitender Funktion gibt der Obwaldner seine Verantwortung in der Firma nun schrittweise weiter.

Fredy Fanger, was bedeutet Beton für Sie?
Beton ist ein genialer Baustoff, der uns viele Möglichkeiten bietet. Er ist formbar, druckfest, langlebig und wiederverwertbar – ein vielseitiges, nachhaltiges Naturprodukt. Zudem schätze ich es, dass Infrastrukturen dank Beton erschaffen und erhalten werden können.

Wie kamen Sie mit dem Baustoff Beton in Kontakt?
Ich bin mit Beton aufgewachsen. Mein Vater, Paul Fanger-von Moos, führte seit den 1940ern seinen eigenen Betrieb, ein Baugeschäft. Hierfür liess er unter anderem ein Kies- und Betonwerk am Sarnersee erbauen. Eine Zeit lang war er in beiden Bereichen tätig, doch dann beschloss er, sich auf die Elementtechnik zu konzentrieren. In der Herstellung von vorfabrizierten Betonelementen sah er eine grosse Chance – eine Meinung, die ich mit ihm teile. Als Kind erlebte ich diese Entwicklung hautnah. Da sich auch meine Mutter in der Firma engagierte, war die Arbeit bei uns daheim oft ein Thema.

Wie zeigte sich Ihre Faszination für den Betrieb damals?
Oft und gern war ich auf dem Werksgelände unterwegs, dort kurvte ich dann mit dem Pneulader herum. Für mich stand früh fest, dass ich in einem mit Beton verbundenen Beruf tätig sein möchte. Es reizte mich, die Tradition weiterzuführen und selbst etwas zu bewegen. Also machte ich als Erstausbildung eine Lehre zum Eisenbetonzeichner.

Welche drei Begriffe eignen sich, um die Fanger Elementtechnik AG in Kürze zu beschreiben?
Wir sind erfahren, nachhaltig und familiär. Erfahren, weil es den Betrieb seit 85 Jahren gibt. Nachhaltig, weil wir mit Kies aus den Seen und Bächen im Kanton Obwalden arbeiten, was aufgrund der kurzen Transportwege effizient ist und zusätzlich dem Hochwasserschutz dient. Und wir sind familiär, da wir als Familienbetrieb grossen Wert auf das Wohl und die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden legen.

Wie verlief Ihre Laufbahn innerhalb der Firma?
Bereits mit 26 Jahren übernahm ich 1983 eine leitende Funktion. Dies geschah früher als geplant, da mein Vater zu jener Zeit unerwartet verstarb. Gemeinsam mit meinen Brüdern, meiner Schwester und einem Schwager bildeten wir über viele Jahre ein starkes und bereicherndes Führungsteam. Diese Konstellation bestand bis 2012. Durch Pensionierungen trug ich anschliessend über ein Jahrzehnt hinweg die Hauptverantwortung allein.

Was bedeutet Ihnen im Beruf besonders viel?
Neben hohen fachlichen Ansprüchen lege ich grossen Wert auf einen guten Draht zur Kundschaft und den rund 50 Mitarbeitenden. Nach wie vor bin ich Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Fanger Elementtechnik AG. Die operative Geschäftsleitung liegt heute erfolgreich in den Händen eines dynamischen Dreiergremiums. Es war mir stets ein Anliegen, diesen Übergang als bewusst gestalteten Prozess zu begleiten. Gerade auch, weil mein eigener Einstieg seinerzeit durch den plötzlichen Tod meines Vaters ganz anders verlief.

Wie sieht Ihre Nachfolgeplanung aus?
Sie ist weitgehend geklärt. Glücklicherweise identifizieren sich auch meine Söhne stark mit dem Familienbetrieb. Nino, der Älteste, ist seit dem Abschluss seines Bauingenieurstudiums vor drei Jahren als Mitglied der Geschäftsleitung und als Projektleiter ins Unternehmen eingestiegen. Mauro, der Mittlere, ist gelernter Polygraf und studiert derzeit Wirtschaft. Parallel dazu unterstützt er uns in einem Teilzeitpensum im Bereich Marketing. Livio, der Jüngste, studiert Architektur und wird diesen Sommer ein Praktikum bei uns absolvieren. Kurz gesagt, ich blicke mit grosser Zuversicht in die Zukunft. Wenn mein Rat gefragt ist, stehe ich selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Ich möchte meinen Söhnen aber gleichzeitig den nötigen Freiraum für ihre eigene Entwicklung lassen.

Short Cuts

«Für das neue Schulhaus in Sachseln haben wir vor einiger Zeit eine aussergewöhnliche Fassade hergestellt. Dazu gehören zahlreiche Fotoplatten aus Beton, auf denen lebensgrosse Bilder von Sachsler Schulkindern prangen. Hierfür haben wir eng mit einem Künstler zusammengearbeitet. Ich finde es faszinierend, dass unsere Elemente eine so persönliche Botschaft vermitteln, die zum Bestimmungszweck des Gebäudes passt.»

«Die Gestaltung des Frutt Mountain Resorts entspricht mir sehr. Der weitläufige Hotelbau in Melchsee-Frutt wurde mit einer vorgehängten Fassade aus Betonelementen gestaltet. Mit ihren klaren Linien bildet sie einen spannenden Kontrast zur urchigen Bergwelt Obwaldens.»

Bild: zVg Frutt Mountain Resort

«Mir war und ist es ein Anliegen, noch mehr auf die Effizienz zu setzen. Gerade im Infrastrukturbau ist dieses Kriterium entscheidend. Zum Beispiel beim Bau von Stützmauern entlang von Autobahnen – bei diesen Dimensionen lässt sich mit der Vorfertigung viel Zeit sparen. Ich wünsche mir daher, dass die Fanger Elementtechnik AG künftig weitere Projekte in diesem Bereich umsetzen kann.»

Auf welche Produkte haben Sie sich mit der Fanger Elementtechnik AG spezialisiert?
Unsere Kernkompetenz liegt in der Beratung, der Herstellung, dem Transport und der Montage von vorfabrizierten Betonelementen für Infrastrukturbauten, ganz nach unserem Motto «Alles aus einer Hand». Genutzt werden die Elemente beim Bau von Unterführungen, Aufgängen, Durchlässen, Kanälen und Tunnels. Darüber hinaus fertigen wir Schottertröge, Bauteile für den Brückenbau sowie Stützmauern. Im Bereich Hochbau beliefern wir unsere Kundschaft mit hochwertigen Fassaden- und Balkonelementen. Häufig arbeiten wir mit Modulbausystemen, die wir zum Teil selbst entwickelt oder weiter optimiert haben. Dabei achten wir stets auf die Verbindung von Technik und Ästhetik.

Welche Betonelemente gefallen Ihnen am besten?
Mir gefallen besonders jene, die an Verkehrswegen beinahe unsichtbar zum Einsatz kommen, aber enorm wirkungsvoll sind. Ein gutes Beispiel sind Schottertröge, die zur Abdichtung und Entwässerung von Eisenbahnbrücken eingesetzt werden. Mit unseren massgefertigten Lösungen können wir dazu beitragen, die Nutzungsdauer dieser Infrastrukturen um Jahrzehnte zu verlängern.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von vorfabrizierten Elementen?
Bei uns im Werk findet die Produktion unabhängig von der Witterung statt. Das führt zu einer konstant hohen Qualität und Passgenauigkeit. In unseren drei Fertigungshallen gibt es sogar Bodenheizungen. So können wir einerseits unserem Team zu jeder Jahreszeit angenehme Arbeitsbedingungen bieten, andererseits kommt das dem Material zugute. Die gestalterischen Freiheiten der Vorfertigung schätze ich sehr. Es gibt unzählige schöne Varianten an Formen, Farben und Strukturen. Unser Angebot umfasst Besonderheiten wie den Fotobeton, also Sichtbetonplatten, deren Oberfläche mit dauerhaft eingelassenen Bildern versehen sind. Hier sind wir schon sehr nahe an der Grenze zur Kunst. Ein weiterer Vorteil ist die effiziente Montagezeit. Vor allem im Bahnbereich sind dadurch wirtschaftliche und sichere Lösungen möglich, ohne dass der Zugverkehr unterbrochen werden muss.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie ein von Ihrem Team fertiggestelltes Projekt sehen?
Ich bin erfreut und dankbar. Wir führen seriöses Handwerk aus, verbunden mit innovativen Ideen und viel Herzblut. Mir ist es ein Anliegen, auf die Bedeutung des Handwerks aufmerksam zu machen, denn ich bin überzeugt, dass es dringend weiter gefördert und wertgeschätzt werden muss.

Abgesehen von Ihrem Beruf und im Hinblick auf Ihre Pensionierung: Wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Beim Mountainbiken, Wandern und Langlaufen geniesse ich es, die wunderschöne Landschaft zu erkunden. Hier im Kanton Obwalden beginnt das Naherholungsgebiet direkt vor der Haustür. Ein Privileg, das ich künftig noch öfter nutzen möchte. Darauf freue ich mich.

«Ich schätze vor allem die gestalterischen Freiheiten der Vorproduktion: Farbe, Form und Struktur.»

Fredy Fanger

Fredy Fanger

Fredy Fanger ist seit 1983 in leitender Funktion in der Fanger Elementtechnik AG tätig, einem von seinem Vater gegründeten KMU in Sachseln / Giswil im Kanton Obwalden. Der Betrieb hat derzeit rund 50 Mitarbeitende. Aktuell tritt Fredy Fanger schrittweise in den beruflichen Ruhestand über. Nach wie vor engagiert er sich in einem Teilzeitpensum als Inhaber und Verwaltungsratspräsident. Als Erstausbildung hat Fredy Fanger eine Lehre zum Eisenbetonwerker absolviert, später folgte eine Zusatzausbildung zum Maurer und eine Weiterbildung an der Bauführerschule.

Interview

«Jedes Material verdient Respekt»

Mit Projekten wie dem «Roten Platz», der Kurklinik Oberwaid in St.Gallen oder dem «Zauberhut» im Rapperswiler Kinderzoo hat sich Carlos Martinez einen Namen gemacht. Im Interview spricht der renommierte Architekt aus der Ostschweiz darüber, wie er mit verschiedenen Baumaterialien umgeht und warum auch die Betonvorproduktion in seiner Arbeit einen festen Platz hat.

Carlos Martinez, wie oft kommen Sie mit vorfabrizierten Betonelementen in Kontakt?
Regelmässig – sie sind heute ein integraler Bestandteil des Bauens, genau wie andere Materialien. Schon als junger Architekt habe ich mit Betonelementen experimentiert. Dabei wurde mir bewusst, dass Baustellen oft keine idealen Bedingungen für präzise Fertigungen bieten. In den Produktionshallen spezialisierter Unternehmen hingegen herrschen optimale Voraussetzungen, um höchste Qualität und Präzision zu gewährleisten.

Welche Vorteile sehen Sie im Bauen mit Betonelementen?
Man könnte annehmen, dass die Vorproduktion gestalterische Einschränkungen mit sich bringt, doch das Gegenteil ist der Fall. Wir können Betonelemente exakt nach architektonischen Vorstellungen fertigen. Durch den Einsatz von Matrizen lassen sich zudem unterschiedlichste Oberflächenstrukturen realisieren, die oft feiner ausfallen als beim Ortbeton. In den Projekten meines Teams spielen geschwungene Formen eine wichtige Rolle. Auch hier bietet die Vorproduktion ideale Voraussetzungen, um komplexe Geometrien präzise umzusetzen.

Carlos Martinez bevorzugt seine Büroumgebung, um neue Projekte zu planen.

Wann finden Sie ein Gebäude schön?
Grundsätzlich lernen wir als Architekten, dass die Proportionen harmonisch sein müssen – etwa, dass Fenster die richtige Grösse haben und an den passenden Stellen platziert sind. Ich schätze viele verschiedene Bauweisen und kann daher keinen bevorzugten Stil nennen. Letztlich spielt die Funktion eine entscheidende Rolle – ob es sich um einen Industriebau, einen Wohnkomplex oder ein öffentliches Gebäude handelt. Die Ästhetik folgt stets dem Zweck des Baus. Im Grossen und Ganzen muss ein Gebäude vor allem funktional sein und eine klare Aussage treffen. Es geht darum, dass die Form die Funktion unterstützt und das Gebäude eine Identität erhält, die sowohl den praktischen Bedürfnissen als auch den kulturellen und emotionalen Aspekten gerecht wird.

Inwiefern muss der Baustoff mit der Funktionalität des Gebäudes im Einklang stehen?
Die Wahl des Baustoffs hängt immer vom Standort, der Umgebung und der späteren Nutzung des Gebäudes ab. In einer urbanen Umgebung kann Holz beispielsweise fremd wirken, während ein massiver, muraler Bau dort oft besser passt. Letztlich verleiht jedes Material einem Gebäude eine bestimmte Ausdruckskraft – und diese ist untrennbar mit dem gewählten Baustoff verbunden.

«Jedes Material hat seine Berechtigung und seinen idealen Einsatzbereich.»

Carlos Martinez, Architekt

Holz oder Beton – welchen der beiden Baustoffe bevorzugen Sie?
Spannend ist vor allem die Kombination. Selbst bei einem Holzbau kann es sinnvoll sein, den Sockel aus Beton zu gestalten – dafür gibt es zahlreiche bewährte Beispiele. Als Architekt habe ich mich intensiv mit den Eigenschaften verschiedener Materialien auseinandergesetzt. Früher dachte ich, dass sich mit der Zeit eine klare Präferenz entwickeln würde. Doch das ist nicht der Fall. Jedes Material hat seine eigene Berechtigung und seinen idealen Einsatzbereich.

Was gefällt Ihnen besonders am Beton?
Beton ist ausserordentlich stabil und bietet eine enorme Formbarkeit. Zudem lässt sich die Statik mit Beton oft einfacher handhaben. Besonders faszinierend finde ich auch den Holzbetonverbund, vor allem, wenn es um Themen wie Brand- und Schallschutz geht. Jedes Material muss jedoch mit Respekt behandelt werden – nur so kann es seine vollen Vorteile entfalten.

Erzeugen gewisse Baumaterialien bestimmte Emotionen?
Interessant, dass Sie das ansprechen. Tatsächlich habe ich mich intensiv mit dem Thema Material und Sinnlichkeit beschäftigt, als ich 2004 für die Universität Konstanz während eines Workshops einen Vortrag hielt. Dabei musste ich jedoch feststellen, dass mein ursprünglicher Ansatz nicht ganz richtig war. Die Sinnlichkeit entsteht nicht primär durch das Material selbst, sondern durch seine Verarbeitung und seinen gezielten Einsatz. Jedes Material ist das, was wir daraus machen. Entscheidender für das Gefühl, das man in einem Gebäude entwickelt, sind Einflüsse wie Licht oder Oberfläche und Farbe. Beton lässt sich so formen, dass er eine weiche, fast kissenartige Wirkung erzielt. Auch durch die Struktur ändert sich der Ausdruck stark.

Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit in Ihrer Arbeit?
Nachhaltigkeit hatte für mich schon immer einen hohen Stellenwert. Früh habe ich mit vorfabrizierten Holzkonstruktionen geforscht und gearbeitet. Wir durften 1995 die ersten Brandmauern in Holzbau erstellen. Bei der Siedlung Sparta in Widnau haben wir die Raumhöhen so gewählt, dass alle Treppenläufe exakt gleich vorfabriziert werden konnten. Das war damals wichtig und wir konnten 33 gleiche Elemente herstellen lassen. Bei der Nachhaltigkeit ist es für mich besonders wichtig, Gebäude zu entwerfen, die flexibel sind und sich im Laufe der Zeit an neue Nutzungen anpassen können. Als Architekten müssen wir bereits von Beginn an mitdenken, wie das Gebäude später umgenutzt werden könnte, damit es für über 100 Jahre erhalten bleibt. Dabei spielt die statische Struktur eine grosse Rolle.

Wie fliessen diese Überlegungen in Ihre Projekte mit ein?
In der Architektur geht es uns grundsätzlich darum, massgeschneiderte Lösungen für den Kunden zu entwickeln. Das bedeutet jedoch nicht, dass man die Überlegungen zur Flexibilität eines Gebäudes ausser Acht lassen sollte. Ein Industriebau kann so geplant werden, dass er perfekt auf den Bauherren zugeschnitten ist, gleichzeitig aber auch eine spätere Umnutzung ermöglicht. Dies hängt oft davon ab, wie man Tragstrukturen und Stützen plant. Zudem sollte der Bau so realisiert werden, dass die Bauteile später voneinander getrennt werden und die Installationen bei Bedarf leicht verändert werden können.

Beton hat bezüglich seiner CO2-Bilanz nicht den besten Ruf. Was muss die Industrie tun, damit sich dies ändert?
Ich finde, die Industrie unternimmt bereits viel in diese Richtung, und immer wieder höre ich von erfolgreichen Forschungsprojekten, die die Betonproduktion nachhaltiger machen. Kürzlich haben wir in einem Projekt Zirkulitbeton verwendet. Dieser enthält hochwertig aufbereitete Sekundärrohstoffe und nutzt einen reduzierten Zementanteil sowie CO2-arme Zementsorten. Es handelt sich um ein Material, das alle technischen Eigenschaften von herkömmlichem Beton aufweist, jedoch kreislauffähig ist.
Darüber hinaus müssen wir auch die graue Energie berücksichtigen. Dazu gehören zum Beispiel die Transportwege. Wenn sich ein Betonwerk in der Nähe befindet, wie es bei uns im St.Galler Rheintal der Fall ist, kann auch der Einsatz von Beton zu einem geringen CO2-Fussabdruck führen. Nachhaltigkeit ist komplex.

Wann und warum entscheiden Sie sich für diese oder jene Art der Betonproduktion?
Das ist immer situationsabhängig. Wenn in der Gestaltung Elemente vorkommen, die sich wiederholen, bietet sich die Vorproduktion an. Auch wenn besonders dünne oder filigrane Formen gewünscht sind, ist sie von Vorteil. Bei sehr grossen Projekten stösst jedoch auch die Vorproduktion an ihre Grenzen, da hier die Dimensionen eine Herausforderung darstellen können.

Short Cuts

«Der Hauptsitz der Firma Sonnenbau in Diepoldsau. Das Gebäude steht an einem heterogenen Ort an der Hauptstrasse. Es nimmt sich in seiner Schlichtheit zurück und tritt doch positiv in Erscheinung.»

«Der Kursaal in San Sebastián von Rafael Moneo. In diesem Gebäude in Nordspanien befinden sich zwei grosse Säle für Konzerte. Die zwei Baukörper symbolisieren Steinbrocken, wie sie in Häfen als Wellenbrecher eingesetzt werden. Sie stehen eigenständig da, sind aber in einen gemeinsamen Sockel gepackt, der kaum in Erscheinung tritt. Rafael Moneo hat ein Gebäude geschaffen, das gleichzeitig eine Skulptur ist.»

Bild: WikiArquitectura, Guillermo

«Ein Hochhaus. Die Herausforderung der Höhe reizt mich. Je grösser ein Gebäude ist, desto schwieriger wird es, die Ästhetik zu wahren.»

In welchen Projekten von Ihnen stecken vorfabrizierte Betonelemente?
Ein Beispiel ist die Raiffeisenbank in Oberriet, deren Fassade aus vorgefertigten Betonelementen besteht, die mit Glasfasern verstärkt sind. Diese Fassade ist zudem mit einem Titan-Zinkoxid-Zusatz versehen, der eine luftreinigende Wirkung erzielt. Ein weiteres Projekt ist das Geschäftsgebäude für die Firma Sonnenbau in Diepoldsau, bei dem wir die ansonsten gerade Fassade mit elliptischen Formen aufgebrochen haben. Auch bei unserem eigenen Bau, dem Hauptsitz unseres Architekturbüros in Berneck, kamen Betonelemente zum Einsatz – sowohl im Sockelbereich als auch bei der Fassade. Besonders interessant dabei ist, dass wir die Fassadenplatten auch auf dem Dach verwendet haben.

Wo holen Sie sich Ihre Inspiration?
Beim Arbeiten, in der Auseinandersetzung mit dem Ort und der Aufgabe. Auch der Austausch mit meinem Team ist eine wichtige Inspirationsquelle. Die übergeordnete Idee entsteht oft zuerst verbal. Also als Text, was es werden soll, welche Aussagen es machen soll, wie es organisiert werden muss.

Ihre Heimat Nordspanien ist ein europäischer Hotspot für moderne Architektur. Sind Sie oft dort?
Ja. Und natürlich werde ich auch dort immer wieder inspiriert. Das Reisen im Allgemeinen eröffnet neue Horizonte. Wenn ich auf Reisen bin, liebe ich es, architektonische Bauten zu besichtigen. Besonders faszinieren mich die einzigartigen Bauwerke in meiner Heimat Asturien, die eine perfekte Mischung aus traditioneller und moderner Architektur bieten. Diese Eindrücke fliessen immer wieder in meine eigenen Projekte ein, insbesondere in Bezug auf Materialwahl und innovative Formen.

Carlos Martinez

Carlos Martinez wurde 1967 in Widnau SG geboren. Nach seiner Ausbildung als Hochbauzeichner studierte er von 1988 bis 1992 Architektur am Abendtechnikum St.Gallen. Seit 1993 ist er Mitglied im Schweizerischen Werkbund und er war bis 2009 Architekturexperte der Eidgenössischen Kunstkommission. Mit seinem Büro realisierte er über 100 Projekte. Für seine herausragenden Leistungen wurde er 2017 mit der Goldmedaille des «Foro Europeo Cum Laude» ausgezeichnet.

Interview

«Die Prävention steht an erster Stelle»

Seit 15 Jahren gehört der Aargauer Alfred «Fredy» Suter zum Gremium Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei SwissBeton. Im Interview verrät er, was sich während seiner Beratungstätigkeit verändert hat und wo in der Betonbranche die grössten Gefahren lauern.

Seit 15 Jahren ist Fredy Suter als Suva-Berater in der Bau- und Betonbranche tätig.

Fredy Suter, was verbindet Sie mit Beton?
Geschäftlich befasse ich mich schon lange mit Baumaschinen und der Baubranche. Somit habe ich immer wieder mit Beton und der Betonvorfabrikation zu tun. Ich kenne die Abläufe, die damit verbunden sind.

Wie kam es zu Ihrem Engagement bei SwissBeton?
Dieses ergab sich mit meinem Einstieg bei der Suva 2009. Die Suva vereint Prävention, Versicherung und Rehabilitation und ist in diesen Belangen in verschiedenen Branchenverbänden vertreten. Zuvor bin ich in einem Betrieb tätig gewesen, der Baumaschinen und Krane herstellt. Ich kann bei SwissBeton und auch bei der Cemsuisse von diesen Erfahrungen profitieren und darauf aufbauen. Zwischen den Geräten und den Materialien besteht ein enger Zusammenhang. Mir kommt es zugute, dass ich mit beidem vertraut bin.

Wofür genau sind Sie bei SwissBeton zuständig?
Ich bin Vertreter der Suva und Berater für die Mitglieder von SwissBeton. In dieser Rolle leite ich die Verantwortlichen in den Firmen dazu an, die geltenden Richtlinien einzuhalten und korrekt umzusetzen. Fachsprachlich gesagt bin ich Betreuer für die Branchen 01 und verschiedene Betriebsgruppenlösungen nach der EKAS RL 6508. Meine Aufgabe besteht darin, die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz in der Betonvorfabrikation und in der Zementindustrie zu gewährleisten.

Welche Entwicklungen haben Sie seit Ihrem Einstieg bei der Suva in der Betonbranche beobachtet?
Das Wichtigste ist: Die Unfallzahlen sind in den vergangenen 15 Jahren gesunken. Dies zeigt uns die Statistik und darüber freue ich mich. In der Betonbranche zeigt sich diese Entwicklung besonders stark, aber auch in anderen Sparten konnten wir sie in letzter Zeit beobachten. Auf diesen Erfolg können auch die beteiligten Unternehmen stolz sein!

Welche Beispiele können Sie hier nennen?
Eine entscheidende Verbesserung gab es bei der Ergonomie. Viele Betriebe haben in den vergangenen Jahren Krane und andere Hilfsmittel installiert, mit denen schwere Lasten angehoben werden können. Zuvor mussten die Angestellten diese Arbeit mit Muskelkraft erledigen, was der Gesundheit in vielen Fällen schadete. Da nun weniger Angestellte unter Schmerzen leiden, kommt es seltener zu Ausfalltagen. Ausserdem konnten wir in der Betonbranche einen Rückgang der Augenunfälle verzeichnen. Dies, da ich mich dafür eingesetzt habe, dass die Mitarbeitenden ihre individuell angepassten Schutzbrillen bekommen und diese während der Arbeit tragen. Um darauf aufmerksam zu machen, gab es sogar eine spezialisierte Suva-Kampagne. Ein weiteres Thema, das derzeit aktuell ist, ist der UV-Schutz. Hier können wir viel von anderen Ländern lernen, die in diesem Bereich schon weiter sind als wir in der Schweiz.

Wie gehen Sie vor, um praktikable Lösungen zu finden?
Entscheidend ist der Dialog. Ich sehe mich in der Rolle des Beraters und Kundenbetreuers, der gemeinsam mit den Sicherheitsbeauftragten der Firmen die bestmögliche Lösung finden will.

Fredy Suter ist für die Suva oft im Aussendienst unterwegs.

Welche Gefahrenquellen sind in der Betonbranche typisch und wie kann man sie beheben?
In der Planung werden die gesetzlichen Vorgaben der Bauarbeiterverordnung sowie die Absturzgefahren teilweise vernachlässigt, oder sie sind den zuständigen Personen nicht ausreichend bekannt. Am häufigsten ereignen sich Stürze. Dem können die Firmen mit Absperrungen und Vorrichtungen entgegenwirken. Auch Verbrennungen mit Heissmehl kommen vor, häufig sind diese gravierend. Schutzkleidung, Handschuhe und Brillen können die Mitarbeitenden davor bewahren. Wichtig ist auch, dass alle Maschinen und Anlagen mit einem Notstopp ausgerüstet sind.

Was müssen Sie tun, wenn Ihnen ein Arbeitsunfall gemeldet wird?
In schweren Fällen muss ich den Unfallort aufsuchen und das Ereignis rapportieren. Dies ist herausfordernd. Denn in der Baubranche, in der körperlich gearbeitet wird, können sich schwere Unfälle ereignen, zum Teil mit Todesfolge. Als Angestellter der Suva habe ich im Allgemeinen den Auftrag, die Ausführung von Sicherheitsmassnahmen zu kontrollieren und wo nötig konstruktiv zu beanstanden – dies, bevor etwas passiert. Übrigens werden bei einigen Unternehmungen auch Fast-Unfälle gemeldet, um Gefahrenquellen zu erkennen und frühzeitig beheben zu können. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht, denn die Mitarbeitenden werden dadurch zum Mitdenken animiert.

«Ich sehe mich als Berater im Dienste der Sicherheit, der gemeinsam mit den Firmen die bestmöglichen Lösungen findet.»

Fredy Suter

Auf welche schönen Momente aus Ihrer langen Amtszeit blicken Sie zurück?
Da ich zu rund drei Vierteln meiner Arbeitszeit im Aussendienst unterwegs bin, erhalte ich viele Einblicke in die Unternehmen. Dort treffe ich immer wieder auf Menschen, die ich aus früheren beruflichen Zusammenhängen kenne. Einigen begegne ich seit ihrer Lehrzeit immer wieder. Ich finde es spannend zu sehen, welche Laufbahnen sie eingeschlagen haben und wie sie sich fachlich weiterentwickeln.

Welche weiteren Pläne haben Sie für Ihre eigene Karriere?
Ich gebe weiterhin mein Bestes, um zur Senkung der Unfallzahlen beizutragen. Im Sommer 2026 werde ich dann in den Ruhestand gehen. Mein Nachfolger Ueli Stampfli ist bereits jetzt bei der Suva tätig, was für uns beide von Vorteil ist. Wir haben nun genügend Zeit für die Amtsübergabe, zum Beispiel für den Aufbau von Kontakten. Ich bin überzeugt, dass Ueli Stampfli die Tätigkeit bei SwissBeton nach meinem Rücktritt kompetent weiterführen kann.

Was möchten Sie den Produzenten von Betonelementen für die Zukunft mit auf den Weg geben?
Ich rate allen, auf die Prävention zu setzen. Sie steht an erster Stelle! Wenn weniger Unfälle geschehen, wirkt sich das nicht nur positiv auf die Gesundheit, sondern auch auf die Zufriedenheit der Teams und auf die Wirtschaftlichkeit aus. Man kann also nur gewinnen, wenn man vorsorgliche Massnahmen trifft.

In Balance mit Beton

Parkour: Ein urbaner Trendsport als Lebensschule

Wer Parkour-Athlet:innen erblickt, ist sofort begeistert. Ihre Mischung aus Stunts, Zirkusakrobatik, Action, Breakdance und Extremsport im urbanen Raum bringt einen zum Staunen. Die sogenannten Traceurs legen ihre Spur gekonnt über alles, was für Normalsterbliche unüberwindbar erscheint: Wände, Stufen, Schächte, Geländer, Treppen – oftmals sind es Elemente aus Beton.

Der Schweizer Parkour-Pionier Roger Widmer schätzt Bauten aus Beton als Landschaft, die zum Bewegen einlädt.

Entstanden ist die Sportart Parkour vor rund 20 Jahren in Frankreich. In der Schweiz und in Deutschland ist mit ParkourONE eine Gruppierung mit eigener Academy entstanden. Das Team von BETONSUISSE konnte Roger Widmer, einem der Pioniere und dem Inhaber und Gründer von ParkourONE, einige Fragen stellen.

Roger Widmer, es heisst, Parkour sei mehr als bloss ein Sport. Wie siehst du das?

Für mich ist es definitiv mehr als ein Sport. Parkour ist eine Lebensschule. Parkour basiert auf Werten und schult Kompetenzen, die man ein Leben lang brauchen kann. Zum Beispiel, dass es immer einen Weg gibt. Oder dass Solidarität wichtig ist. Du lernst Entscheidungsfreudigkeit, Selbsteinschätzung und den Umgang mit Herausforderungen, Risiko und Angst.

Wie ist Parkour in die Schweiz gekommen?

Ich hatte Anfang 2000 einen Beitrag im Fernsehen gesehen. Man sah, wie David Belle, der Wegbereiter dieser Sportart, über ein Geländer springt. Ich wusste sofort: Das ist es. Das will ich tun. Es sah so leicht und elegant aus. Ich begann mit meinen Freunden mit den ersten Sprüngen in Münsingen, meinem Heimatort. Wir gründeten erst die Gruppe PkM (Parkour Münsingen), später ParkourONE Schweiz. 2005 reisten wir nach Frankreich, um David Belle kennenzulernen. 2006 eröffneten wir in Münsingen das erste regelmässige Trainingsprogramm weltweit. Dank Parkour-Szenen bei «James Bond» und in einem Video von Madonna gab es ein grosses Medien-Echo. Parkour wurde bekannter und dies ermöglichte es uns, aus dem Hobby einen Beruf zu machen.

Ihr trainiert offenbar viel und bereitet jeden Move genau vor. Geht ihr auch spontan los und schaut, wo ihr landet?
Ja und nein. Alles beginnt bei der Vorbereitung und dem Training, das ganzheitlich angelegt ist. Dabei ist Repetition der Schlüssel. Man trainiert Schritt für Schritt, Hand in Hand. Ich mache keinen Sprung, ohne mir den Konsequenzen bewusst zu sein.

Welches Material magst du am liebsten, Beton, Ziegel, Sandstein oder Holz?
Beton ist ein grosser gemeinsamer Nenner. Auf Beton ist Verlass, er ist ein ehrliches Gegenüber. Ich kenne die Oberflächen sowie die Art der Verwitterung. Beton ist roh, direkt, ästhetisch. Wenn ich Beton sehe, weiss ich sofort, wie er sich anfühlt und ob es «hebt» oder nicht. Beton verzeiht aber auch nicht. Das merkt das Schienbein ziemlich schnell. Was ich gar nicht mag, sind die Pseudowände, die hinter dem Verputz hohl sind und die so tun, als wären sie solide.

Was denkst du, wenn du den Begriff «Beton» und «zugebaute Räume» hörst?
Möglichkeiten! Umgestaltung! Leere Leinwand! Da gibt es neue Chancen, tolle Begegnungen. Da steckt Bewegung und Kultur drin. Hier kann ich mich einbringen. Mir gefallen die urbanen Betonlandschaften sehr. Ich wohne selbst in einer Bauhaus-Siedlung mit viel Sichtbeton.

Was macht Parkour so viel besser als jede andere Sportart?
Besser ist natürlich relativ. Wir mögen, dass Parkour nicht kompetitiv ist. Es geht nicht darum, wer mehr Tore schiesst oder Punkte macht. Parkour ist multidimensionales Lernen. Es ist physisch, psychisch, emotional, sozial und sensorisch dauerwirksam. Da gehören Lebensschule, Charakterbildung und sportlich gesehen Bouldern, Weitsprung, Hochsprung, Akrobatik und vieles mehr dazu.

Wer kann bei euch trainieren?
Grundsätzlich wollen wir Jugendliche und Erwachsene zusammen unterrichten. Das Teilen von Lebenserfahrung, egal vom Alter, ist wichtig und kommt super an. Dann gibt es Kurse für 3 bis 6 Jahre alte Kinder, für solche von 6 bis 12, dann 12+ und 18+. Und wir heissen auch 60+ willkommen. Wir sind offen für alle.

Dein Tipp für alle, die neu mit Parkour beginnen?
Unbedingt eine Probelektion besuchen! Dann Freude an kleinen Schritten entwickeln. Ins Handeln kommen. Tun! Keine Angst vor Fehlern und vorm Scheitern haben. Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.

Hier geht es zum ausführlichen Interview mit Roger Widmer.

Spannender Lehrberuf

Die Zukunft mitgestalten: Betonwerker können’s

Beton ist langweilig? Mitnichten. Betonwerkerinnen und Betonwerker wissen, wie vielfältig das Material ist. Sie stellen daraus Treppenelemente, Fassadenplatten, Stützen sowie Brückenträger her. Im Gegensatz zu anderen Bauberufen arbeiten sie nicht draussen, sondern unter Dach. Die Lehre dauert drei Jahre und bietet Abwechslung und viele Vorteile.

Kevin Bischofberger bearbeitet ein fertiges Fassadenelement aus Beton. Die Drahtschlaufen werden für die Montage benötigt.

Für Kevin Bischofberger war klar: Er will eine Lehre auf dem Bau machen, denn er arbeitet gerne mit den Händen und es ist ihm wichtig, am Abend ein Resultat zu sehen. Darum schnupperte er als Strassenbauer und Maurer. Dann erzählte ihm sein Vater von der Ausbildung zum Betonwerker: «Von diesem Beruf hatte ich noch nie gehört, aber er hat mich sofort interessiert», sagt Kevin Bischofberger. Also absolvierte er bei der Firma saw spannbetonwerk ag in Widnau eine fünftägige Schnupperlehre und wusste danach: «Das ist es!»

Betonwerker stellen Betonelemente in allen möglichen Formen her: Fassadenplatten, Stützen, Fensterbänke und sogar Gartenmöbel. Bis aus flüssigem Beton ein stabiles Element wird, sind mehrere Arbeitsschritte nötig: Es braucht eine Schalung aus Holz, Verstärkungen aus Eisengitter und die passende Betonmischung. Nach dem Ausschalen können die Oberflächen zum Beispiel durch Sandstrahlen veredelt werden.

Abwechslungsreiche Tätigkeiten

Wer Abwechslung mag und gerne mit verschiedenen Materialien arbeitet, kommt im Betonelementwerk auf seine Kosten. Aktuell arbeitet Kevin Bischofberger an der Bewehrung für ein Fassadenelement. Geschickt fixiert er Eisengitter mit Drähten und kontrolliert die Abstandhalter. Diese Konstruktion ist wie ein Skelett; sie gibt dem fertigen Betonelement Stabilität. Gemeinsam mit seinem Ausbildner Beninu Tobler vergleicht der Lernende seine Arbeit mit den Vorgaben auf dem Plan. Alles passt. «Räumliches Vorstellungsvermögen ist das A und O bei unserer Arbeit. Wir bekommen einen zweidimensionalen Plan und müssen uns das fertige Element in 3D vorstellen», erklärt der Ausbildner. Beninu Tobler ist seit sieben Jahren bei der saw. Zuerst als Lehrling und nun als Ausbildner. Er gibt sein Wissen gerne weiter und sieht sich nicht nur als Lehrmeister, sondern auch als Vorbild. Beninu Tobler hat Kevin Bischofberger bereits während der Schnupperlehre betreut. So haben beide gemerkt: Wir zwei – das passt.

«Am Abend sehe ich ein Resultat. Das ist toll!»

Kevin Bischofberger, Lernender Betonwerker EFZ

Einmal pro Woche besucht Kevin Bischofberger die Berufsschule in Zofingen. Der Weg aus dem St.Galler Rheintal ist weit. Um pünktlich im Schulzimmer zu sitzen, muss er den ersten Zug um 4.30 Uhr erwischen. Er nimmt es positiv: «Ich nutze die Fahrt jeweils zum Lernen und für einen Powernap.»

Beruf mit vielen Vorteilen

Auch sein Arbeitsalltag im Elementwerk beginnt früh: nämlich um 6 Uhr. Dafür ist um 16 Uhr Feierabend. Neben den Arbeitszeiten nennt Kevin Bischofberger einen weiteren Pluspunkt: Sein Arbeitsplatz ist wettergeschützt. Betonwerkerinnen und Betonwerker arbeiten im Gegensatz zu anderen Bauberufen unter Dach.

Nun ist das erste Lehrjahr schon fast vorbei, doch Kevin Bischofberger erinnert sich noch gut an den Anfang: «Die Umstellung vom Schul- auf den Berufsalltag war streng. Ich hatte über Wochen Muskelkater in den Armen und Beinen.» Gewöhnt hat er sich auch an den rauen Umgangston im Elementwerk. Er sieht darin sogar einen Vorteil: «Inzwischen bin ich schlagfertiger und lasse mir nicht mehr alles gefallen. Die Lehre ist für mich auch eine Lebensschule.»

«Mit Betonelementen zu arbeiten, ist ein bisschen wie Lego spielen für Erwachsene.»

Beninu Tobler, Ausbildner

An Zukunftsprojekten mitarbeiten

Und was war sein spannendstes Projekt bis jetzt? Die Antwort kommt sofort: «Die Fassaden- und Fensterelemente für das neue Kantonsspital in St.Gallen.» Vor kurzem hat er das fertige Gebäude besichtigt, und Stolz schwingt mit, wenn er sagt: «In diesen Teilen steckt auch meine Arbeit. Es ist toll zu sehen, wie aus den einzelnen Elementen ein Gebäude entstanden ist, das viele Jahre halten wird.» Und Beninu Tobler ergänzt: «Mit Betonelementen zu arbeiten ist ein bisschen wie Lego spielen für Erwachsene.»

Die Arbeit mit Beton ist für beide ein Traumberuf. Sie hoffen, dass sich noch mehr junge Menschen für den abwechslungsreichen Beruf begeistern können. Vielleicht lässt sich schon bald jemand von ihrer Begeisterung anstecken. Zum Beispiel bei einer Schnupperlehre in der saw in Widnau.

Beninu Tobler ist seit sieben Jahren bei der saw, zuerst als Lernender, heute als Ausbildner.
Betonwerker ist sein Traumberuf:
Kevin Bischofberger, aktuell im 1. Lehrjahr.
Interview

«Aussergewöhnliche Aufträge inspirieren mich»

Marco Giavazzi leitet seit rund zehn Jahren die Tobag Baustein & Element AG, die ihren Sitz seit Kurzem im zürcherischen Pfungen hat. Er pflegt einen kollegialen Führungsstil und legt grossen Wert darauf, dass sich die Angestellten in seiner Firma wohlfühlen. Den Weg in die Betonbranche hat er über verschlungene Wege gefunden, denn als gelernter Zimmermann war Holz einst sein Material erster Wahl.

Marco Giavazzi, was bedeutet Beton für Sie?
Beton ist für mich nicht bloss ein Material, sondern ein Werkzeug voller Potenzial und Bedeutung. Es bildet das Fundament unserer Arbeit bei der Tobag Baustein & Element AG, jedoch geht die wahre Essenz unserer Mission weit darüber hinaus. Wir setzen Beton ein, um unsere Visionen zu verwirklichen und unsere Kundschaft mit erstklassigen Ergebnissen zu begeistern. Jeder Schritt, den wir mit Beton gehen, ist ein Ausdruck unserer Leidenschaft, um unser Handwerk zu perfektionieren und einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Was gefällt Ihnen am Beton, was nicht?
Beton mag ich an Wänden, Decken oder wenn es um Kunst am Bau geht. Wenn Beton dort richtig eingesetzt und gut verarbeitet ist, wirkt das sehr professionell. Bodenflächen aus Beton finde ich hingegen heikel. Sie werden mit der Zeit abgenutzt und fleckig. Dann wirken sie nicht mehr so schön und das stört mich aus optischen Gründen. Ich bin auch ein grosser Fan von Holz – ursprünglich habe ich Zimmermann gelernt und erst später die Branche gewechselt. Holz kommt bei uns bei den meisten Schalungen zum Einsatz und somit ist meine Erstausbildung hier von grossem Nutzen.

Wie lässt sich die von Ihnen geleitete Tobag Baustein & Element AG in Kürze beschreiben?
Wir sind stolz darauf, sagen zu dürfen, dass wir mit vielen Freunden und nicht bloss mit Kunden arbeiten dürfen. Wir bieten vorgefertigte Betonelemente jeglicher Art auf Mass an und sind neben grösseren Projekten auch auf Kleinserien spezialisiert. Der Treppenbau ist sicher eine unserer Stärken.

Marco Giavazzi leitet die Tobag Baustein & Element AG im zürcherischen Pfungen.

Die Tobag Baustein & Element AG hat sich innerhalb des letzten Jahres in mehreren Bereichen verändert. Inwiefern?
Vor rund einem Jahr sind wir mit der Firma von Saland nach Pfungen umgezogen. Am neuen Standort haben wir mehr Platz und eine grössere Produktionshalle. Auch unser Team wurde erweitert, wir haben es fast verdoppelt und sind nun insgesamt 18 Personen.

Welchen Führungsstil pflegen Sie?
Ich führe die Firma gemeinsam mit den Betriebsleitern und dem Leiter Avor/Produktionsplanung auf sehr kollegiale Weise: Mit flachen Hierarchien und regelmässigem Austausch. Mir ist es wichtig, dass die Leute gerne hier arbeiten und sich mit dem Betrieb verbunden fühlen. Wir sind wie ein Fussballteam, wo jeder seine Aufgabe hat und alle zusammen für den Erfolg verantwortlich sind. Um den Zusammenhalt zu stärken, führen wir alle zwei Monate einen Event für unsere Mitarbeitenden durch. Kürzlich sind wir alle zusammen Gokart fahren gegangen. Im Sommer heizen wir sehr oft den Grill über Mittag an und dann essen wir alle gemeinsam, wobei ich dann der Grillmeister bin. Dies ist längst zur Tradition geworden.

Welche besonderen Momente erleben Sie während Ihrer Arbeit?
Aussergewöhnlich wird es immer dann, wenn wir einen nicht alltäglichen Auftrag erhalten. Aktuell arbeiten wir an einer grossen Lounge aus Beton, die später als Sitzgelegenheit in einem privaten Garten zu stehen kommen wird. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen! Die Lounge ist riesig und besteht aus einem einzigen Guss. Solche Projekte begeistern und inspirieren mich.

Short Cuts

«Wir stellen die Fassadenelemente für das neue Bahnhofsgebäude in Liestal im Kanton Basel-Landschaft her. Das Projekt befindet sich derzeit im Rohbau. Diese Visualisierung zeigt das künftige Bahnhofgebäude vom Kantonsgericht am Bahnhofplatz in Richtung Basel gesehen. Hinten rechts schliesst sich der Verbindungsbau ans Gebäude an, dann folgt das neue Wohn- und Geschäftshaus.»

«Mir gefällt der Neubau des Einkaufszentrums sowie Wohn- und Geschäftshauses Rosenberg in Winterthur sehr gut. Er befindet sich bei der nördlichen Stadteinfahrt. Die besondere Betonoberfläche mit der Noppenstruktur gibt dem Gebäude einen einzigartigen Charakter.»

Bild: saw gruppe, Widnau

«Mir gefallen Projekte, die sich mit der Wiederverwertung von Beton befassen, denn diese sind nachhaltig und zeitgemäss. Wäre ich in der Forschung tätig, würde ich gern eine recycelte Mischung entwickeln, bei der die gewünschte Festigkeit des Betons ohne den Einsatz von Chemie erreicht werden kann.»

Neben Spezialanfertigungen wie dieser hat sich Ihre Firma auf die Herstellung von Treppen spezialisiert. Welche Treppe ist Ihnen am liebsten und was mögen Sie an Treppen überhaupt nicht?
Mir gefallen gewundene Treppen am besten. Und ich finde es super, dass unser Team im Treppenbau so besonders stark ist! Manchmal allerdings wollen die Architektinnen und Architekten ganz ausgefallene und filigrane Betonelemente, zum Beispiel in Verbindung mit Beleuchtungen oder Ausschnitten. Nicht alles ist technisch und handwerklich machbar. Manchmal muss ich verhandeln und Kompromisse vorschlagen, was herausfordernd ist.

Das Schlagwort Nachhaltigkeit ist schon seit einiger Zeit in aller Munde. Was unternimmt die Tobag Baustein & Element AG in diesem Bereich?
Wir optimieren unsere Schalungssysteme und nutzen die Schalungsbretter falls möglich mehrmals. Ausserdem achten wir darauf, vor allem regional tätig zu sein, damit die Anfahrtswege zu den Baustellen nicht allzu lang sind.

Ebenfalls zeitgemäss ist die Digitalisierung. Was unternehmen Sie diesbezüglich?
Wir erstellen und archivieren unsere internen Dokumente ausschliesslich online. In wenigen Wochen beginnen wir zudem damit, auch die Avor und die Planung der Produktion umzustellen. Damit habe ich schon viele positive Erfahrungen gemacht. Mir scheint, dass die Umstellung auch für unsere Kundschaft eine gute Sache ist, da sie viele Prozesse vereinfacht und Fehler minimiert. 

Eine weitere Aktualität ist der Fachkräftemangel in der Betonbranche. Inwiefern wirken Sie diesem entgegen?
Wir haben einen Angestellten, der gelernter Betonwerker ist. Derzeit absolviert er eine Weiterbildung, um künftig Lernende schulen zu dürfen. Im Sommer 2024 können wir daher unsere erste Lehrstelle als Betonwerker/in EFZ anbieten – der Job ist noch zu haben, Interessierte sind willkommen! Mir ist es wichtig, dass wir als Firma selbst aktiv werden und uns auf diese Weise für den Nachwuchs engagieren.

Im Jahr 2025 kann die Tobag Baustein & Element AG ihr 60-jähriges Bestehen feiern. Welche Pläne haben Sie für das Jubiläumsjahr?
Konkret ist noch nichts. Aber bereits jetzt steht fest, dass wir in irgendeiner Form eine grosse Party mit unseren Freunden, Kunden und Lieferanten feiern werden.

Und, abgesehen von Ihrem Beruf: Wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Immer dann, wenn ich Golf spiele. Das ist mein liebstes Hobby und der Sport, der genau zu mir passt, meine Leidenschaft seit vielen Jahren. Ich habe mich sogar beim Aufbau einer Golfanlage engagiert, bei Golf Augwil in der Nähe von Kloten. Dort habe ich auch eine Leitungsfunktion inne, ich sitze im Verwaltungsrat.

«Der Treppenbau ist sicher eine unserer Stärken.»

Marco Giavazzi

Marco Giavazzi

Marco Giavazzi ist Geschäftsführer, Verwaltungsratspräsident und alleiniger Besitzer der Tobag Baustein und Element AG. Die Firma hat ihren Sitz im zürcherischen Pfungen und beschäftigt 18 Mitarbeitende. Ursprünglich hat Marco Giavazzi eine Berufslehre als Zimmermann gemacht, danach folgten regelmässige Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Betriebsführung und Verkauf. Vor rund zehn Jahren hat er in die Betonbranche gewechselt. Marco Giavazzi spricht vier Sprachen und verfügt über ein grosses berufliches Netzwerk.

Praktikumsbericht

«Meine erste eigene Betontreppe»

Lara Brändli ist 18 Jahre alt und absolviert im Büro von L3P Architekten in Regensberg ZH ihre Ausbildung als Zeichnerin EFZ. Zu ihrem Programm im 3. Lehrjahr gehörte ein Praktikum in einem der Baubranche verwandten Beruf. Lara Brändli entschied sich, in den Alltag einer Betonwerkerin hineinzuschnuppern.

Lara Brändli schnuppert als Praktikantin für vier Tage Betonluft. Die Welt der Betonvorfertigung fasziniert!

Auf die Betonwerkerin machte mich meine Lehrmeisterin an einem Berufserkundungsabend aufmerksam. Glücklicherweise fand ich bei der Firma Stüssi AG sofort einen Platz, um für vier Tage einen Einblick in diesen spannenden Beruf zu erhalten. Um es vorab schon einmal zu sagen, es hat mir sehr gut gefallen und ich konnte sehr viel lernen.

Auch das Schreinern gehört dazu

Mein Praktikum beginnt an einem Dienstagmorgen am Standort der Firma in Dällikon. Dort treffe ich mich mit Tobias Stüssi und Mesud Iseni. Zusammen zeigen sie mir auf, was in den nächsten Tagen alles auf mich zukommt. Bevor wir losgehen, um das Areal und die Mitarbeitenden kennenzulernen, rüsten sie mich mit angemessener Kleidung und mit Werkzeug aus. Von Beginn weg bin ich von dem riesengrossen Areal und der Produktionshalle beeindruckt.

Zuerst darf ich beim Schreinern zusehen und helfen. Ich lerne, wie die Schalungen für eine Betontreppe zugeschnitten werden und darf es sogar selbst ausprobieren. Diese Arbeiten müssen wir vorsichtig und sehr sorgfältig ausführen. Schliesslich habe ich nicht vor, in meinem Praktikum einen Finger zu verlieren!

Die zugeschnittenen Holzteile setzen wir anschliessend richtig zusammen und befestigen sie gut, bevor wir sie mit Schalungsöl bestreichen. Dieses dient dazu, dass der Beton später gut ausgeschalt werden kann und dass die Betonwerker die Formen mehrfach verwenden können.

«Und jetzt ist es soweit: Die Betonwerker füllen das flüssige Material ein.»

Lara Brändli,
Lernende Zeichnerin EFZ

Die Bewehrungen richtig binden

Am nächsten Morgen steht die Eisenbiegerei auf dem Programm. Ich darf von Beginn weg mithelfen. Als erstes bei den kleineren Teilen, die wir für eine grosse Bewehrung vorbereiten. Als ich den Dreh raushabe, darf ich zusammen mit einem lernenden Betonwerker eine grössere Bewehrung binden. Dazu verlegen wir ein Netz aus Armierungsstäben und verbinden sie mit Metalldrähten. Zuerst kommt die untere Bewehrung und dann die obere. Im Anschluss stelle ich eine eigene kleine Bewehrung für mein eigenes, mitgebrachtes Treppenmodell her. Im Handumdrehen ist auch der zweite Tag vorbei.

Am dritten Tag geht es für mich weiter in der Produktion mit der Vorbereitung einer Metallschalung, die für mehrere gleiche Betonelemente verwendet werden soll.  Zuerst reinige ich die Schalung und entferne Betonresten. Danach wische ich mit einem Lappen auch noch die letzten Staubkörner von der Schalung fort. Dies ist wichtig, damit die Oberfläche des zukünftigen Betonteils schön glatt wird. Im Anschluss setzen die Fachleute die Bewehrung ein, ganz vorsichtig mit dem Kran, denn sie ist zu schwer für die reine Muskelkraft. Sobald sie an Ort und Stelle platziert ist, heisst es, die Schalung zusammenzuschieben und zu versiegeln.

Die Krönung: Der Beton wird eingefüllt

Und jetzt ist es soweit: Die Betonwerker füllen den flüssigen Beton ein. Ein weiterer spannender Vorgang, denn auch hier ist viel Geschick und Knowhow gefragt. So müssen die Betonwerker zum Beispiel darauf achten, dass keine Luftblasen im Beton entstehen. Sie fahren dazu mit einem vibrierenden Gerät über das noch flüssige Material, damit allfällige Lufteinschlüsse aufsteigen. Schliesslich sind wir fertig und der Beton wird in aller Ruhe über Nacht aushärten.

Etwas schade ist, dass ich beim Ausschalen nicht mehr dabei sein werde. Dafür darf ich am Nachmittag selbst Beton mit Farbpulver mischen und eigene kleine Formen giessen, darunter auch meine kleine Betontreppe.

Am letzten Tag bin ich bei der Elementkontrolle. Wir gehen dabei von Element zu Element, notieren Eigenschaften und Fehler. Darunter finde ich eines der Elemente wieder, die wir am Vortag produziert haben. Es sieht gut aus! Meine eigenen Figuren und vor allem meine kleine Betontreppe sind ebenfalls fertig. Sie sind mit allen Arbeitsbereichen mitgewachsen und werden mich immer an diese spannenden Tage erinnern.

Interview

«Beton wird seinen Platz behaupten»

Christian Peter leitet seit acht Jahren die Geschicke der Element AG. 2015 hat er das Unternehmen von ausländischen Investoren zurückgekauft, die es zehn Jahre zuvor übernommen hatten. Zusammen mit der gut 200-köpfigen Belegschaft hat er die Element AG seither als einen der führenden Schweizer Anbieter von vorfabrizierten Betonelementen re-etabliert.

Christian Peter, wenn Sie an den Werkstoff Beton denken, welche Attribute kommen Ihnen als erstes in den Sinn?
Beton ist ein komplett natürlicher und dauerhafter Baustoff, der dank seiner Langlebigkeit und des Einsatzes moderner Zementsorten besonders effizient ist. Er ist wesentlich nachhaltiger als man gemeinhin denkt.

Was meinen Sie damit?
Beton ist in den letzten Jahren aufgrund seiner CO2-Emissionen, die durch die Zementherstellung entstehen, verteufelt worden – zu Unrecht, finde ich. Leider ist es der Branche bisher nicht gelungen, den Baustoff dort hinzubringen, wo er hingehört. Wenn man nämlich genau hinschaut, ist er durchaus nachhaltig und gehört unbedingt in die Klimapolitik mit hinein. Denn wenn Beton richtig eingesetzt wird, mit dem korrekten Zement und den entsprechenden Zuschlagsstoffen, ist er äusserst effizient und extrem dauerhaft.

Was finden Sie an Beton schön?
Die unendlich vielen Gestaltungsmöglichkeiten. Gerade in der Vorfabrikation lässt sich Beton durch die Anfertigung individueller Schalungen in verschiedenste Formen giessen. Beton muss nicht immer eckig sein, die Passerelle de Rosel in Martigny zeigt zum Beispiel eine sehr ansprechende geschwungene Form.

Verbinden Sie auch Emotionen mit Beton?
Beton ist das Material, das mich über einen grossen Teil meiner beruflichen Laufbahn begleitet hat. Ein Baustoff, den ich aus dem Effeff kenne. Wenn ich die Bauwerke aus Beton sehe, seien dies gewaltige Träger für die Infrastruktur, filigrane Platten für den Hochbau oder auch ganz einfache Liftschächte oder Trafostationen, dann verspüre ich Stolz und Dankbarkeit, dass wir diese Teile produzieren dürfen. Es macht Freude und Spass, mitzuhelfen, dass das Bauwesen und damit jede einzelne Konstruktion funktioniert.

Christian Peter ist seit 2015 Inhaber und Geschäftsführer der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden.

Viele vorproduzierende Unternehmen sind Familienbetriebe. Sie haben Architektur studiert und waren auch in anderen Bereich der Wirtschaft tätig. Wie kommt das?
Ich war nicht beim Berufsberater (lacht). Ich habe einfach das gemacht, was mich in der jeweiligen Lebensphase interessiert hat. So resultierte ein etwas merkwürdiger Werdegang mit der ursprünglichen Ausbildung als Hochbauzeichner und den späteren Studien in Architektur, Jura und BWL. Ich verfolgte dabei keinen spezifischen Plan.

Nachdem Sie bereits in der Betonbranche Fuss gefasst hatten, gingen Sie dann aber doch wieder für ein paar Jahre hinaus in die Bankenwelt. Warum?
Die Zeit im Private Banking hat mir enorm viel gebracht. Meine Kunden schätzten es, jemanden mit unternehmerischer Erfahrung als Vis-à-Vis zu haben. Jemand der weiss, was sie als Unternehmer beschäftigt und der ihre Anliegen in der Bankenwelt bestens vertreten kann. Natürlich spielte auch eine Rolle, dass die Eigentümerfamilie, für welche ich arbeitete, ab 2004 einen Grossteil ihrer Firmen verkaufte. So ging im Jahre 2005 die Element AG an ein irisches Unternehmen.

Als sich dann aber die Gelegenheit ergab, haben Sie das Unternehmen 2015 zurückgekauft …
Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder jemand kauft das Unternehmen oder es verschwindet vom Markt. Das war die Ausgangslage. Ich fand, dass diese Firma eine Daseinsberechtigung hat. Sie beschäftigt viele Mitarbeitende und sie stellt Produkte her, die zukunftsfähig sind. So bin ich in dieses Abenteuer eingetaucht.

Short Cuts

Das Space Eye, dessen Architektur von Mario Botta stammt. Dieses Observatorium für Weltraum und Umwelt beherbergt das grösste Teleskop der Schweiz. Die weisse Fassade besteht aus carbonarmierten, vorfabrizierten Betonelementen mit einer Konstruktionsstärke von nur 50 Millimetern.

Bild: Element AG

Der geplante Tilia Tower in Prilly bei Lausanne. Der 85 Meter hohe Turm mit Wohnungen, Büros, einem Hotel und Ladenflächen ist eine vorbildliche Holz-Beton-Verbundbauweise.

Bild: Visualisierung, 3XN Architects

Die öffentliche Hand hat noch einige Autobahnüberdeckungen projektiert, ähnlich jener bei Schwamendingen. Hier hoffen wir auf weitere Aufträge, die wir aufgrund der bereits gewonnenen Erfahrungen effizient produzieren könnten.

Autobahnüberdeckung in Schwamendingen. Bild: Element AG.

Wenn Sie die Element AG beschreiben, was genau macht Ihr Unternehmen aus?
Wir sind eine eigentümergeführte Schweizer Firma mit einer absolut gesunden Bilanz und mit einer geradlinigen, korrekten Ausrichtung. Wir denken partnerschaftlich und verlangen dies auch von unseren Partnern. Innerhalb der Baubranche wollen wir als Manufaktur funktionieren, die von der Planung bis zur massgenauen Ausführung alles anbietet – und dies auf einem Topniveau. Ich bin stolz darauf, dass wir das einzige Unternehmen der Branche sind, das über zwei voll ausgebildete Standorte inklusive modernster Ingenieurbüros verfügt.
Unsere Spezialität sind grosse, schwere in Serie hergestellte Elemente, wie sie für Sportstadien, Lagerhallen oder auch Strassen- sowie Bahninfrastrukturbauten verwendet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich fertig gestellte Autobahnüberdeckung in Schwamendingen, für die 178 Träger aus unseren beiden Werken verbaut wurden – sie sind bis zu 70 Tonnen schwer und überbrücken die 30 Meter breite Autobahn.

Sie erwähnen den Slogan «100% Schweiz» auf Ihrer Webseite. Haben Sie sich bewusst von einem internationalen Unternehmen wieder zurück auf die Schweiz besinnt?
Das hat für mich nichts mit Patriotismus, sondern vor allem mit meinem Qualitätsverständnis zu tun. Im Ausland werden Dinge zwar günstiger hergestellt, aber zu ganz anderen Konditionen, Bedingungen oder Normen. Auch darum schauen wir als Unternehmen darauf, dass wir so viel wie möglich in der Schweiz einkaufen. Mit unseren zwei Werken in den Kantonen Aargau und Freiburg bekennen wir uns zur Schweiz als Produktionsstandort, und somit bleibt unsere Wertschöpfung eine gänzlich regionale.

«Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp.»

Christian Peter

Sie verkaufen bewusst keine Produkte ab Stange, sondern produzieren stets auf Auftrag. Warum?
Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp. Die Planer in der Schweiz können es sich erlauben, an jedes Projekt komplett neu heranzugehen und haben wenige bis keine Vorgaben bauherrenseits. Wir konstruieren unsere Elemente am 3D-Modell, inklusive aller Einlageteile, und binden sie dann in den digitalen Produktionsprozess ein. Dabei spielen die digitalen Prozesse wie BIM (Building Information Modelling) eine sehr wichtige Rolle. Bei uns wird hierzu die Software Tekla eingesetzt.

Die eigentliche Handarbeit gibt es aber auch bei Ihnen, von der Schalung bis zum fertigen Element …
BIM und Handarbeit stehen nicht im Widerspruch. Mit BIM arbeiten wir, um über eine strukturierte Datensammlung zu verfügen. Das heisst nicht, dass die Herstellung künftig etwa durch Roboter ersetzt werden könnte.

Und doch schreitet die Digitalisierung weiter voran …
Ich glaube, dass die Produktion in naher Zukunft individualisiert bleibt. Wir sind von den Ingenieuren und Architekten abhängig, die die Bauten planen. Diese werden hierzulande an ihren besonders individuellen – das heisst komplizierten und teuren – Gebäuden gemessen. Der Digitalisierungsprozess in der Schweizer Bauwirtschaft kommt sehr schleppend voran, da besonders die Bauherrschaften und vor allem die Planer einem stärker digitalisierten Bauablauf skeptisch gegenüberstehen. Dazu kommt, dass die Ausbildungsstätten für Baufachleute erst langsam dazukommen, digitalisiertes Bauen zu vermitteln.

Wie zukunftstauglich ist dieses Denken?
Es wird sich zwangsläufig Richtung Digitalisierung verändern. Denn gerade jetzt spüren wir eine Abschwächung in der Bauindustrie. Somit werden sich Investoren in Zukunft genauer überlegen, wie teuer ein Bau wirklich werden darf. Wir werden einen neuen und vor allem effizienteren Weg auf allen Ebenen der Bauwirtschaft suchen müssen.

Das Thema der Nachhaltigkeit ist brandaktuell. Was unternimmt die Element AG in diesem Bereich?
Wir haben unsere Betonrezepturen in den letzten zehn Jahren gewaltig optimiert, um den CO2-Ausstoss bei der Produktion zu verringern. 20% haben wir bisher geschafft. Wir sind somit gut unterwegs und das Interesse, einen noch nachhaltigeren Beton zu produzieren, ist auch bei den Kolleginnen und Kollegen gross. Wir tun alles, um noch viel besser zu werden. Wir bauen zudem bereits heute mit Recyclingbeton, auch bei Tragwerken und Fassaden, und haben noch viele Ideen, welche wir umsetzen wollen.

Gibt es weitere Stossrichtungen, die Sie verfolgen, respektive: Wo gehören Sie zu den First Movern?
Bei den Betonmischungen gibt es noch viel Potenzial für Forschung und Entwicklung. Unsere Investitionen fokussieren wir darum auf den stark CO2-reduzierten Zement, auf die Digitalisierung mit einem modellbasierten, durchgängigen Workflow über alle Produktionsschritte sowie auf die ideale leichtere Konstruktion. In allen Bereichen gehören wir zu den führenden Unternehmen der Schweiz. Überdies bieten wir Konstruktionen in UHFB an (ultra-hochfester Faserverbund-Baustoff), im Moment vornehmlich für Brücken und Passerellen. Die Armierungsmethoden verändern sich auch, so haben wir für die Fassade der neuen und grössten von Mario Botta entworfene Sternwarte «Space Eye» im bernischen Uecht/Niedermuhlern eine ultra-dünne Fassade aus carbonarmierten Elementen gefertigt.

Einen weiteren, wichtigen Ansatz sehe ich beim Gewicht und Volumen. Ein Betonteil, das 2 Kubikmeter misst, könnte vielfach dieselbe Funktion erfüllen, wenn man das Volumen auf 1,2 Kubikmeter optimiert. Hier sehe ich die effizienteste Sparmöglichkeit, sowohl hinsichtlich des Materials als auch in Bezug auf die Kosten. Leider verhindern die Schweizerischen Normen nach wie vor, dass die Planer an effizienten, robusten Konstruktionen interessiert sind. Noch immer werden häufig Honorare nach Baukosten bemessen, was schlanke und effiziente Lösungen oft ausschliesst. Dazu muss ich schweren Herzens immer wieder feststellen, dass die Ingenieurkunst in der Schweiz auf einem bescheidenen Niveau angelangt ist. Um aus unserem Beton das Ganze herauszuholen und um die Digitalisierung hochzuhalten, können wir unsere Konstrukteure und Ingenieure fast nur noch im wesentlich weiter entwickelten Ausland rekrutieren. Dieser Umstand schmerzt mich.

«Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben.»

Christian Peter

Die mangelnden Fachkräfte sind ein grosses Thema. Wie kommen Sie an Ihre Mitarbeitenden?
Als ich die Firma 2015 kaufte, hatten wir fast keinen Rücklauf auf Stelleninserate. Heute bekommen wir auf praktisch jede Ausschreibung wieder gute Bewerbungen. Wir erhalten sogar Spontanbewerbungen. Der Rücklauf ist nicht üppig, aber die Situation hat sich verändert. Wir müssen jedoch als Arbeitgeber sehr flexibel bleiben. Nicht immer bekommt man die topausgebildete Fachkraft, die einfach alles selbstständig und richtig macht. Wir erhalten viele Bewerbungen, die nur ungefähr in das Wunschprofil hineinpassen. Mir ist in der Rekrutierung vor allem wichtig, dass wir Menschen anstellen, die wirklich etwas erreichen wollen, Freude an unseren Konstruktionen haben und für die Element AG langfristig einstehen wollen.

Gerade beim Betonwerker ist es noch immer schwierig, Lernende zu finden …
Vielleicht ist diese Ausbildung als handfeste, dreijährige Lehre ein bisschen zu anspruchsvoll angesiedelt. Es melden sich oftmals Jugendliche, die die geforderten schulischen Fähigkeiten nicht mitbringen. Vielleicht müsste man hier über eine zweijährige Ausbildung wie etwa beim Schreinerpraktiker (EBA) nachdenken.

Welche Momente bei der Element AG sind für Sie besonders wertvoll?
Mich beeindruckt, dass wir zusammen mit unseren gut 200 Mitarbeitenden die Element AG von einer nicht so guten Situation dorthin gebracht haben, wo wir heute stehen. Und es freut mich sehr, dass auch die Mitarbeitenden stolz darauf sind. Und selbstverständlich gibt es das eine oder andere Bauprojekt, das mir grosse Freude macht, manchmal aufgrund der Tatsache, dass wir daran gut verdienen und manchmal, weil es einfach ein super Projekt ist.

Und wann läuft es für sie rund?
Was heisst rund laufen? Wenn es gar keine Probleme mehr gibt, werde ich nicht mehr gebraucht und mir wird langweilig. Darum ist «unrund» manchmal gar nicht so schlecht. Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben. Und ja, vielleicht läuft es dann für mich rund.

Wo sehen Sie den Baustoff Beton in der Zukunft?
Ich habe für den Beton keine Bedenken. Im Moment haben wir zwar einen Holzhype. Ja, ich mag Holz. Aber ich mag dieses Schwarz-Weiss-Denken nicht. Und ich bin felsenfest überzeugt, dass Beton seinen Platz behaupten wird. Denn man kann gewisse Dinge nicht mit Holz realisieren. Es geht schlussendlich um den Einsatz des richtigen Werkstoffes am richtigen Ort. Das ist für mich echte Nachhaltigkeit.

Und wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Wenn ich in der Element AG mitarbeite.

Christian Peter

Christian E. Peter ist CEO der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner hat er sich am Abendtechnikum in Bern zum Architekten HTL weitergebildet und anschliessend in Fribourg Rechtswissenschaften und in Bern Betriebswirtschaft studiert. Er hatte unter anderem Stellen inne als Portfoliomanager bei der Credit Suisse, als Sektionschef am Eidg. Institut für Geistiges Eigentum, als CEO bei der Element Integral AG sowie als Head Premium Clients bei der Credit Suisse, bevor er 2015 die Element AG kaufte. Christian E. Peter ist Eigentümer mehrerer Firmen und hat verschiedene weitere Mandate in der Schweiz.

Interview

«Ich bin gern dort, wo alles passiert»

Fabian Loacker führt in siebter Generation die Geschicke der Loacker AG aus Hauptwil TG. Das Unternehmen ist Spezialistin für vorfabrizierte Treppenelemente aus Beton. Im Interview verrät der 42-Jährige, warum er Hühnerhaut bekommt, wenn am Schluss alles zusammenpasst.

Fabian Loacker, welche drei Begriffe beschreiben Ihre Produkte aus Beton am besten?
Was wir herstellen, ist vielfältig, optisch ansprechend und aus meiner Sicht ganz einfach eine Meisterleistung.

Betonvorfabrikate werden für die verschiedensten Anwendungen hergestellt. Worin ist die Loacker AG besonders stark?
Wir haben uns auf Treppen spezialisiert – bei den Wendeltreppen sind wir top. Wir übernehmen jeweils das gesamte Projekt von der Planung bis zur Umsetzung. Dazu gehören die Statik und alles Drum und Dran.

Wie kam es zu diesem Fokus?
Unsere Firma ist 130 Jahre alt. Die Loackers von damals hatten eine Baufirma gegründet. Lange boten sie dabei alles rund ums Bauen an, insbesondere auch Sanierungen. Mein Grossvater und mein Vater leiteten schliesslich die Spezialisierung auf Betonelemente ein. Diese stellen wir seit 1979 her.

«Keine einzige unserer Treppen ist gleich wie die andere.»

Fabian Loacker

Was verbindet Sie mit dem Baustoff Beton?
Beton ist mein Leben – damit bin ich aufgewachsen. Bereits als 12-Jähriger habe ich in den Sommerferien im Familienbetrieb mit angepackt. Was mich schon damals faszinierte: Es steckt enorm viel Handarbeit in der Herstellung von Vorfabrikaten. Keine einzige unserer Treppen ist gleich wie die andere.

Wann sind Sie in Ihrem Element?
Wenn ich durch unsere Produktionshallen gehe. Hier wird konzentriert und sorgfältig gearbeitet. Und wir machen alles von Hand. Hier arbeitet der Schreiner, der die Schalungen herstellt, dort die Betonwerker, die armieren und betonieren. Wir haben auch einen Betonkosmetiker. Ich bin einfach gern dort, wo alles passiert.

Die meisten Menschen sehen den Beton wohl als einen brachialen Baustoff. Sie sprechen von Betonkosmetik. Was muss am Beton verschönert werden?
Wir legen viel Wert darauf, dass unsere Treppen keine Makel aufweisen. Dass sie schön aussehen, bis ins kleinste Detail. Dies verlangt Fingerspitzengefühl. So müssen etwa Transportlöcher vor Ort mit einem Reprofiliermörtel gefüllt werden. Auch die Kanten werden manchmal nachgebessert. Das kann nur jemand, der langjährige Erfahrung und ein Auge für die Schönheit des Werkstoffs hat.

Gibt es für Sie bei der Arbeit ganz besondere Momente?
Ja. Zum Beispiel, wenn ich eine unserer Treppen montiert auf der Baustelle sehe. Wenn alles zusammenpasst, es eine saubere Sache ist, dann bekomme ich Hühnerhaut. Wenn die Bauherrschaft, die Architekten und die Menschen, die in den Gebäuden wohnen, Freude haben. Das macht mich stolz.

Treppen sind sein Element. Fabian Loacker vor der Produktionshalle in Hauptwil TG.

Sie vertreten die Firma Loacker bereits in der 7. Generation. Was haben Sie von Ihren Vorgängern gelernt?
Fast alles. Mein Onkel war Technischer Zeichner. Mein Vater führte das Offertwesen. Von ihm habe ich gelernt, wie man ein Geschäft führt. Er war mein Mentor. Jetzt ist er im Verwaltungsrat und kommt noch ab und zu vorbei, um etwas Betonluft zu schnuppern. Er lässt mich machen.

Pflegen Sie einen besonderen Führungsstil?
Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Am allerwichtigsten ist für mich, dass das Team passt. Eine familiäre Atmosphäre mit zufriedenen Mitarbeitenden, die gern zur Arbeit kommen, das ist mein Credo. Denn wenn sie nicht gern kommen, funktioniert der Betrieb nicht.

Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Jein – vor eineinhalb bis zwei Jahren hatten wir eine Phase, in der wir Leute gesucht haben. Inzwischen haben wir wieder ein sehr gutes Team beieinander, das super harmoniert. Schwieriger ist es beim Nachwuchs. Letztes Jahr haben wir keinen Lernenden gefunden. Dabei ist Betonwerker ein sehr schöner Beruf.

Short Cuts

Das Schulhaus Burghalden in Baden. Es hat runde, gewendelte Treppen mit seitlicher Aufbordung. Die einzelnen Elemente sind 2,45 Meter breit und wiegen zwischen 8,5 und 9,5 Tonnen. Es war für uns ein Riesenprojekt mit langer Bauzeit. Und es war das letzte grosse Projekt, das ich mit meinem Vater zusammen realisiert habe.

Das neue Museumszentrum an der «Plateforme 10» in Lausanne. Die Architektur der beiden Portugiesen Manuel und Francisco Aires Mateus finde ich schlicht phänomenal.

Mudac Lausanne, Copyright Matthieu Gafsou

Foto: Matthieu Gafsou

Ich finde bei jedem Projekt einen Trigger und fange Feuer. Darum ist es ganz einfach das nächste Projekt, das auf uns zukommt.

Welches ist Ihre Lieblingstreppe?
Eine graue Sichtbetontreppe, schalungsglatt. So wie sie oft in modernen Gebäuden eingebaut werden. In Ausstellungshallen, in denen die Räume sehr gross sind, kommen sie besonders schön zur Geltung.

Welche Architektur finden Sie spannend?
Mir gefallen Projekte, in denen alt und neu gemischt wird. Holz und Beton zum Beispiel.

«Ich bin nicht so der Typ, der jedem neuen Trend folgt. Ich tüftle lieber selbst.»

Fabian Loacker

Welche Trends verfolgen Sie, wenn es um die Weiterentwicklung der heutigen Baumaterialien – und insbesondere Beton – geht?
Ich bin nicht so der Typ, der jedem neuen Trend folgt. Ich tüftle lieber selbst. Ein Projekt, das wir ausprobiert haben, zusammen mit einem Heizungsspezialisten, waren Wandelemente aus Beton mit einer integrierten Luft-Wärme-Anlage. Dabei haben wir eine Spirale in die Wand eingebaut, die Wärme aus dem Boden zieht. Wir haben gemerkt, in südlichen Ländern würde es funktionieren, bei uns ist es zu kalt. Darum haben wir das nicht weiterverfolgt.

Wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Eigentlich immer. Ich verbringe viel Zeit im Geschäft. Ich bin im Büro voll dran, und in der Produktionshalle voll dran. Und dann habe ich noch das Fischen. Das ist mein Hobby. Die Momente an Seen und Flüssen – meistens in Frankreich – sind die Momente, in denen ich mich entspanne. Dann stelle ich das Telefon aus.

Fabian Loacker

Fabian Loacker hat eine Lehre als Betonwerker absolviert und arbeitete danach auf dem Bau, unter anderem auch zwei Jahre lang für eine Sanitärfirma. Mit 24 stieg der heute 42-Jährige in den Familienbetrieb ein. Im Herbst 2021 übernahm er in siebter Generation die Geschäftsleitung der Loacker AG mit 12 Mitarbeitenden. 

Interview

«Wir sind ein eingespieltes Dreamteam»

Die saw gruppe in Widnau im St.Galler Rheintal ist mit 130 Mitarbeitenden in verschiedenen Bereichen rund um die Vorfabrikation von Betonelementen tätig. Geführt wird das Unternehmen in dritter Generation von zwei Geschwisterpaaren. Dabei erweisen sich die Cousins Marcel, Sabrina, Andre und Alex Schmitter als perfekt aufgestelltes und eingespieltes Team.

Welches sind die Vorteile eines inhabergeführten Familienunternehmens gegenüber einer Firma, die von Managern geleitet wird?
Sabrina Schmitter: Die Nachhaltigkeit von Entscheiden und Investitionen ist uns wichtig. Das war bei unseren Vätern schon so. Wir würden nicht bereits in der dritten Generation geschäften, wenn unsere Vorfahren nicht schon so gedacht und gehandelt hätten.
Marcel Schmitter: Alle ticken gleich und wir arbeiten für die gleichen Ziele.
Alex Schmitter: Die kurzen Entscheidungswege sind ein Riesenvorteil. Wir sind uns einig, dass wir als Familienunternehmen nachhaltige Entscheidungen treffen wollen. Wir sind als dritte Generation ein eingespieltes Dreamteam.
Andre Schmitter: Wir bauen und sanieren so, dass es hält. Zudem investieren wir ausschliesslich mit langfristigem Horizont und haben ein grosses Qualitätsbewusstsein. Das zahlt sich mit der Zeit immer aus. Und die nächste Generation profitiert.

Welches sind die Nachteile einer Geschäftsleitung, die aus Familienmitgliedern besteht?
Marcel Schmitter: Vielleicht ist die Hemmschwelle kleiner.
Sabrina Schmitter: Es besteht die Gefahr, dass man sich eher zu stark einsetzt – weil es eben für die Familie ist.
Andre Schmitter: Ja, wir geben alles, sind mit Emotionen und mit Herzblut dabei.
Alex Schmitter: Natürlich ist die Grenze von Privatleben und Geschäft in unserer Konstellation fliessend. Es ist kaum zu verhindern, dass bei Familientreffen das Unternehmen zur Sprache kommt.
Sabrina Schmitter: Tatsächlich, das Thema kommt fast immer irgendwann auf den Tisch.

Wie kam es zu dieser Nachfolgekonstellation?
(allgemeines Gelächter)

Weshalb lachen Sie?
Sabrina Schmitter: Weil wir alle auf grossen Umwegen ins Unternehmen kamen.
Alex Schmitter: Ich zum Beispiel war Oberstufenlehrer …
Marcel Schmitter (lachend): Ja, du bist der Klügste der Familie …
Andre Schmitter: Für mich war immer klar, dass ich mit den Händen arbeiten will.
Sabrina Schmitter: Bei jedem war es anders, ich arbeitete auch mal als Polizistin. Und jetzt staunen wir, wie geschmeidig die Konstellation funktioniert.
Andre Schmitter: Es ist doch super und ein Privileg, wenn man mit dem Bruder, der Cousine und den Cousins zusammenarbeiten kann.

Hätten Sie sich auch eine andere Karriere vorstellen können ausserhalb des Familienbetriebes?
Marcel Schmitter: Ich spreche, glaube ich, für alle, wenn ich sage, dass es von den Eltern keinen Druck gab, ins Unternehmen einzusteigen. Bei mir war es so, dass mich mein ehemaliger Chef im Transportunternehmen dazu motivierte. Er sagte: Diese einmalige Chance musst du nutzen, Marcel!

Was bedeutet Ihnen der Werkstoff Beton?
Andre Schmitter: Ich halte täglich Beton in den Händen und arbeite damit. Für mich bedeutet Beton, etwas zu erschaffen, das man sieht. Und ich finde beeindruckend, welche Vielfalt von Farben und Formen Beton zulässt.
Sabrina Schmitter: Tatsächlich, mir gefallen besonders die verschiedenen Oberflächenstrukturen.
Alex Schmitter: Für mich bildet Beton die Basis. Beton braucht es überall.
Marcel Schmiter: Lustig, ich überlegte mir bisher noch nie, was mir Beton bedeutet. Es ist ein spannender Werkstoff mit unbegrenzten Möglichkeiten. Mit Beton kann man wirklich alles machen.

«Ein grosses Familienunternehmen gehört niemandem allein. Man denkt einfach weiter, an die nächste Generation – und ist demütig.»

Marcel Schmitter

Welches sind Ihre ersten Erinnerungen an Beton?
Sabrina Schmitter: Wir alle wuchsen mit Beton auf und waren seit Kindsbeinen auf dem Werksgelände.

Ihr Grossvater gründete das Unternehmen. Ihre Väter führten den Betrieb weiter und bauten ihn aus. Nun sitzen Ihre Väter im Verwaltungsrat. Was heisst das für Sie beziehungsweise für die strategischen Entscheide?
Alex Schmitter: Wir schätzen die Unterstützung unserer Väter sehr und sind froh, dass wir auf ihre Erfahrung zurückgreifen können. Weil unser Grossvater Adolf Schmitter früh verstarb, fehlte unseren Vätern diese Möglichkeit.

Was haben Ihre Väter richtig gemacht?
Alex Schmitter: Mir imponiert, wie sie uns Junge im Übergangsprozess die Erfahrungen selber machen liessen und gleichzeitig immer eng begleiteten – bis heute übrigens.
Sabrina Schmitter: Unsere Väter sorgten mit guten Entscheiden dafür, dass wir nun als dritte Generation nachkommen.
Andre Schmitter: Sie zeigten ein enormes Engagement und sind ein Vorbild für uns.
Marcel Schmitter: Ein grosses Familienunternehmen gehört niemandem allein. Man denkt einfach weiter, an die nächste Generation – und ist demütig. Wir tragen heute die Verantwortung für 130 Mitarbeitende und sorgen dafür, dass die nächste Generation keinen Scherbenhaufen übernehmen und aufräumen muss.

 

Unternehmensleitung in Familienhand: Marcel, Andre, Alex und Sabrina Schmitter

Sie sind mit Ihren Unternehmungen im den Bereichen Betonelemente, Fassaden, Tragkonstruktionen, Betonwerk, Logistik, Entsorgung und Vermietung tätig. Ist das nicht ziemlich komplex?
Alex Schmitter: Wenn man das Unternehmen von aussen betrachtet, kann es auf den ersten Blick tatsächlich kompliziert ausschauen. Wir sind intern jedoch top organisiert und haben die einzelnen Bereiche sauber aufgeteilt, das macht die Sache einfach. Und: Wir profitieren von vielen Synergien.

Ihr Unternehmen befindet sich im St.Galler Rheintal ganz im Osten der Schweiz an der Grenze zu Österreich – was heisst das für Sie?
Sabrina Schmitter: Wir sehen die Lage am Rande der Schweiz nicht als Nachteil. Wir zeichnen einfach einen halben Kreis und keinen Ganzen.
Marcel Schmitter: Die Lage bringt Vor- und Nachteile. Wir profitieren zum Beispiel von qualifiziertem Personal aus Österreich und aus Deutschland und von Lieferanten aus dieser Region. Gleichzeitig arbeiten wir nur in der Schweiz und haben manchmal weitere Wege.
Alex Schmitter: Das sind wir uns allerdings gewohnt und ein eigener Gleisanschluss macht den Transport einfach und ökologisch. Das Gleis gibt es seit 1924 – strategisch ein bis heute bedeutender Entscheid unseres Grossvaters. Wir transportieren rund 250’000 Tonnen Kies, Sand, Zement und sonstige Güter pro Jahr mit der Bahn. Das ist richtig viel.
Andre Schmitter: Mit der Digitalisierung sind Distanzen sowieso weniger wichtig geworden in den letzten Jahren.

Sichtwort Digitalisierung: Welche Entwicklungen im Bereich Betonvorfabrikate beschäftigt Sie?
Marcel Schmitter: Alles rund um den 3D-Druck beschäftigt uns natürlich sehr. Es handelt sich um einen Branchentrend. Damit produzieren wir schlanker, und es gibt noch mehr Möglichkeiten für Freiformen.
Andre Schmitter: Wir realisierten in den letzten Jahren sehr komplexe und komplizierte Projekte – und diese nehmen in Zukunft wohl eher zu. Vor allem im Fassadenbau werden die Elemente immer dünner und gleichzeitig grösser. Da muss man in der Produktion fit sein.
Alex Schmitter: Vieles hat mit Ästhetik zu tun – und das gefällt uns.
Sabrina Schmitter: Wir sehen die neuen Entwicklungen als Herausforderung, die wir gerne annehmen – zum Beispiel das digitale Planen mit der BIM-Technik.

«Wir alle wuchsen mit Beton auf und waren seit Kindsbeinen auf dem Werksgelände.»

Sabrina Schmitter
Short Cuts

Der «Weisse Würfel» der Hilty Art Foundation in Vaduz. Wir realisierten die Fassade des privat finanzierten Museums aus weissem Marmorbeton.

©Valentin Jeck, Stäfa

Die neue Swiss Life Arena in Zürich ist ein eindrückliches Bauwerk aus Beton. Leider nicht von uns.

©ZSC Lions AG

Ein Eiffelturm aus Beton, das wäre ein Traumprojekt.

Wie schätzen Sie heute die Entwicklung der Baukonjunktur ein: Stichworte Teuerung, knapperes Material, Unsicherheiten?
Marcel Schmitter: Unserer Meinung nach wird hier alles etwas zu warm gekocht. In der Schweiz ist der Wohnraum nach wie vor knapp. Es wird weiterhin viel gebaut.
Alex Schmitter: Ja, wir verfallen hier nicht in Panik. Es gibt auch im Bereich Infrastruktur weiterhin viel zu tun.

Wie wirken sich die steigenden Energiepreise auf Ihr Geschäft aus?
Alex und Marcel Schmitter: Das ist tatsächlich ein grosses Thema. Wir erleben momentan eine Verdoppelung des Strompreises und eine Verdreifachung des Gaspreises.
Sabrina Schmitter: Durch die aktuellen Entwicklungen müssen wir unsere Preise regelmässig erhöhen. Früher reichte eine Preisliste pro Jahr. Jetzt müssen wir wegen der Zuschläge die Preislisten mehrmals jährlich anpassen.

Eine Herausforderung für die gesamte Baubranche ist die Nachhaltigkeit. Welche Massnahmen ergreifen Sie im Unternehmen?
Alex Schmitter: Wir waren und sind als Unternehmen in Sachen Energieverbrauch schon immer sparsam. Mit der vermehrten Nachfrage von Recycling-Beton kommt eine Stärke von uns zum Tragen. Zudem können wir mit dem eigenen Entsorgungspark den Kreislauf selbst schliessen.
Marcel Schmitter: Regionale Baustoffe und der Transport auf der Schiene gehören ebenso zur Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass unsere Produkte hochwertig und damit langlebig sind. Auch das ist ein Beitrag zur Schonung der Ressourcen.

Wie und wo sehen Sie die Zukunft des Betons?
Sabrina Schmitter: Hier kann ich wohl für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass auch unsere Nachfahren Beton brauchen werden. Das Material ist langlebig, regional erhältlich und rezyklierbar. Holz kann Beton nicht ersetzen, dafür ist Beton zu wichtig, zu vielseitig und ein zu spannendes Baumaterial. Immerhin ist Beton direkt nach Wasser das zweitwichtigste Material der Welt.

«Ich halte täglich Beton in den Händen und arbeite damit. Für mich bedeutet Beton, etwas zu erschaffen, das man sieht. Und ich finde beeindruckend, welche Vielfalt von Farben und Formen Beton zulässt.»

Andre Schmitter

Marcel Schmitter

Geschäftsführer Betonwerk & Logistik und Verkauf Betonwerk
Er ist in der Familie der Kaufmann mit Erfahrung im Transportgewerbe.

Sabrina Schmitter

Assistenz der Geschäftsleitung & Marketing
Sie ist die Alleskönnerin der Schmitters: Hochbauzeichnerin. Bautechnikerin. LKW-Fahrerin und Polizistin.

Andre Schmitter

Produktion
Der Maurer und vielseitig talentierte Mann fürs Handwerkliche. So jemanden wünscht man sich in jeder Familie.

Alex Schmitter

Geschäftsführer Vermietung & Administration
Er war Oberstufenlehrer für Mathematik und Physik und gilt als der Denker in der Familie Schmitter.

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