Werde Betonwerker:in!

Unter Dach handwerken

Betonwerker:in – ein Knochenjob? Weit gefehlt. Betonwerker:innen stellen Elemente in verschiedensten Formen und für unterschiedlichste Verwendungen her: Von Treppenelementen über Sitzinseln und Brunnen bis hin zu Abwasserschächten. Und sie arbeiten unter Dach – geschützt vor Wind und Wetter.

Betonelemente werden in der Produktionshalle vorproduziert: Der Beton dort gemischt, gegossen und geglättet. Als Betonwerker:in ist reine Muskelkraft weniger gefragt als auf dem Bau, der Beruf erfordert insbesondere handwerkliches Geschick, technisches Verständnis und Kreativität. GRAU sprach mit den beiden Betonwerker-Lernenden Omer Jasari (MÜLLER-STEINAG Gruppe, Rickenbach LU) und Blerian Ramadani (Stüssi Betonvorfabrikation AG, Dällikon ZH).

Mit dem Kopf bei der Sache. Betonwerker:in ist ein anspruchsvoller Beruf.

Blerian und Omer, warum habt ihr euch für die Ausbildung als Betonwerker entschieden?

Blerian: Der Beruf hat mir einfach gefallen. Ich wollte unbedingt einen handwerklichen Beruf erlernen. Und den Baustoff Beton finde ich überaus spannend.

Omer: Schon als Kind habe ich in den Ferien oft meinen Vater zur Arbeit begleitet. Er arbeitet als Maurer und so kam ich mit der Baubranche in Berührung. Die Arbeiten gefielen mir, aber weil es im Winter oft sehr kalt ist, wollte ich nicht draussen arbeiten. Glücklicherweise bin ich auf den Beruf Betonwerker EFZ gestossen.

Was findet ihr am Baustoff Beton spannend?

Omer: Ich fand es schon immer faszinierend, dass aus dem zuerst flüssigen Material so harte und stabile Elemente entstehen können. Zudem ist Beton sehr vielfältig und durch die flexible Formbarkeit einzigartig.

Blerian: Eigentlich ist alles an Beton spannend; wie er hergestellt wird und wofür er benutzt werden kann. Überall braucht es Beton. Für Gebäude – sprich die Infrastruktur im ganzen Land.

Da sieht man, was man gemacht hat. Beton ist immer konkret.

Und was weckt euer Interesse an vorfabrizierten Betonelementen?

Blerian: Dass es so grosse Elemente gibt, ist einfach spannend. Die Arbeit mit dem Kran fasziniert mich besonders.

Omer: Lange dachte ich, dass Beton immer grau ist. Tatsächlich können wir die Elemente aber in jeder Farbe vorfabrizieren. Auch das macht Beton so vielfältig.

Gibt es Arbeiten, die ihr besonders gern macht?

Blerian: Eigentlich mache ich alles gern.

Omer: Ich mag es, Treppen zu produzieren. Am interessantesten finde ich es aber, wenn ich das Produkt von der Schalung bis zum fertigen Produkt mitproduzieren darf, egal welches.

«Das handwerkliche Geschick ist sehr wichtig. Zudem hilft mir mein gutes Vorstellungsvermögen.»

Omer Jasari

Welche eurer persönlichen Eigenschaften helfen euch auch im Beruf?

Omer: Das handwerkliche Geschick. Zudem hilft mir mein gutes Vorstellungsvermögen. Nur so ist es mir möglich, die Pläne zu verstehen und bei der Produktion das Endprodukt vor Augen zu haben.

Blerian: Mir hilft, dass ich sehr sportlich bin. Die körperliche Fitness reicht aber nicht aus, man muss für diesen Job auch einen wachen Kopf haben. Auch ein guter Teamgeist hilft. Als Einzelgänger kommt man bei diesem Beruf nicht weit. Wir arbeiten zusammen.

«Als Einzelgänger kommt man bei diesem Beruf nicht weit. Wir arbeiten zusammen.»

Blerian Ramadani

Habt ihr ein Lieblingsprojekt oder ein Lieblingswerkstück?

Blerian: Beim Schnuppern durfte ich das Modell einer Treppe selbst herstellen – selbst gezeichnet, selbst geschalt und armiert, selbst betoniert. Diese Modelltreppe durfte ich mit nach Hause nehmen.

Omer: Mein Lieblingswerkstück sind Wendeltreppen. Diese bestehen aus vielen Einzelteilen, die wir alle sorgfältig anfertigen. Besonders gern bin ich dabei, wenn wir sie zusammenbauen und das fertige Produkt entsteht.

Was gibt euch bei der Arbeit Antrieb?

Blerian: Ich komme morgens in die Halle und alle begrüssen mich mit einem Lachen im Gesicht. Es ist toll, ein Teil dieses Teams zu sein.

Omer: Das Lob des Berufsbildners oder von anderen Mitarbeitenden motiviert mich. Zudem ist es ein schönes Gefühl, das Endprodukt vor mir zu sehen und zu wissen, wie viel Arbeit von der Schalung bis zur Montage darin steckt.

Blerian Ramadani, Lernender Betonwerker, Stüssi Betonvorfabrikation AG
Omer Jasari, Lernender Betonwerker, MÜLLER-STEINAG Gruppe

Fahrt ihr manchmal zu Orten, wo man eure Arbeit sieht? Und wie geht es euch dabei?

Omer: Ja sehr oft sogar. Kürzlich waren wir bei einer Moschee, die aus unseren Stützen gebaut wurde. Voller Stolz konnte ich das Werk meiner Familie zeigen.

Blerian: Wir haben die Elemente für das neue Kunsthaus in Zürich geliefert. Das Kunsthaus ist mega schön gemacht. Da ist man schon stolz.

Was möchtet ihr nach der Ausbildung machen?

Omer: Zuerst möchte ich ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln. Danach will ich mich weiterbilden. Eine Weiterbildung als Vorarbeiter kann ich mir gut vorstellen oder auch den Baustoffprüfer finde ich spannend. Es gibt viele Möglichkeiten.

Blerian: Ich möchte sicher noch ein paar Jahre auf dem Beruf und in dieser Firma weiterarbeiten. Dann vielleicht intern weiterkommen. Ich könnte mir ebenfalls vorstellen, Vorarbeiter zu werden, oder in der Firma höher aufzusteigen, wer weiss?

Mehr Informationen

Werde Betonwerker:in! Ein spannender Beruf, der handwerkliches Geschick, technisches Knowhow und Kreativität vereint.
> https://www.swissbeton.ch/ausbildung/lehrberufe/

Und hier geht es zu den aktuell ausgeschriebenen Lehrstellen:
https://www.swissbeton.ch/ausbildung/lehrberufe/#lehrstellen

Blogeintrag vom Baumeisterverband zum Betonwerker:
> https://baumeister.swiss/jetzt-wird-betoniert/

Erfolgreicher Lehrabschluss

Lehre erfolgreich abgeschlossen

Die Branche der Betonvorfabrikanten begrüsst fünf neue Betonwerker in ihren Reihen. Sie haben ihre dreijährige Lehre erfolgreich abgeschlossen und sind nun bestens für die berufliche Laufbahn gerüstet. Am besten abgeschlossen hat Emir Kurtalic (STEINAG Rozloch AG) mit einer Gesamtnote von 5,2.

Bei der Qualifikationsfeier im Restaurant «Die Giesserei» in Zürich-Oerlikon durften fünf frisch gebackene Betonwerker ihr eidgenössisches Fähigkeitszeugnis entgegennehmen. Emir Kurtalic, der seine Lehre bei der STEINAG Rozloch AG absolvierte, schloss als Jahresbester mit der Note 5,2 ab. Leider konnte er an der Feier nicht teilnehmen.

Die Lehre ebenfalls erfolgreich abgeschlossen haben ausserdem: Ahmadi Nawruz (Külling AG), Giovanni Corapi (Loacker AG), Samir Jakupovic (Sebastian Müller AG) und Raphael Raths (Sebastian Müller AG).

Von links nach rechts: Giovanni Corapi (Loacker AG), Ahmadi Nawruz (Külling AG), Raphael Raths (Sebastian Müller AG), Albin Weber (Chefexperte und Lehrperson an der Berufsfachschule Zofingen), Samir Jakupovic (Sebastian Müller AG). Nicht auf dem Foto: Emir Kurtalic (STEINAG Rozloch AG)

Die Ausbildung zum/zur Betonwerker/in dauert drei Jahre und schliesst mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis ab. Der Regelunterricht findet an der Berufsfachschule in Zofingen AG statt. Zudem nehmen die Lernenden an 60 überbetrieblichen Kurstagen in den Maurerlehrhallen in Sursee teil. Die Anforderungen für eine Lehre als Betonwerker/in sind insbesondere handwerkliches Geschick und technisches Verständnis. Auch die Mathematik ist elementarer Bestandteil der Ausbildung. In der Deutschschweiz bilden 24 Lehrbetriebe Betonwerker/innen aus.

Interview

«Unser Grossvater ist stolz auf uns – und wir auf ihn»

Alexander und Tobias Stüssi werden bald in dritter Generation gemeinsam das Familienunternehmen Stüssi Betonvorfabrikation AG in Dälllikon bei Zürich übernehmen. Die Brüder, die drei Jahre versetzt am gleichen Tag zur Welt kamen, ergänzen sich mit ihren Unterschieden. Alexander Stüssi ist technisch versiert, sein jüngerer Bruder Tobias kennt sich in organisatorischen Dingen aus.

Alexander und Tobias Stüssi, wann kamen Sie zum ersten Mal mit Beton in Berührung?
Alexander Stüssi: Das ist tatsächlich lange her. Als Jugendlicher half ich regelmässig im Betrieb mit. Buben finden Technik, Bauen und Kräne meist ja sowieso spannend.

Tobias Stüssi: Ja, auch ich kam in unserer Firma bei einem Sommerjob als Jugendlicher in Kontakt mit Beton.

«Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot.»

Alexander Stüssi

Was bedeutet Beton für Sie?
Tobias Stüssi: Salopp gesagt ist Beton gleichzeitig ziemlich einfach und recht kompliziert. Eigentlich braucht es für Basisbeton nicht viele Zutaten. Mit höheren Ansprüchen wird die Sache jedoch schnell hochkomplex und führt in Bereiche wie Chemie, Physik, Design oder Ökologie.

Alexander Stüssi: Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot. Mit Beton ist fast alles möglich, es ist superspannend, mit Beton zu arbeiten.

Ihr Grossvater gründete das Unternehmen. Deren Söhne, Ihr Vater und Ihr Onkel, führten den Betrieb weiter und werden ihn bald an Sie übergeben. War Ihr Weg vorbestimmt?
Alexander Stüssi: Bei uns hat es nie geheissen: Sohn, du musst die Firma übernehmen. Vielmehr wächst man einfach damit auf. Man sieht, was Grossvater, Vater und Onkel machen, interessiert sich dafür und realisiert, dass die Familie für diese Arbeit steht. Das wollen wir weiterführen.

Tobias Stüssi: Lange hatte ich keinen Kontakt zum Unternehmen. Erst nach dem Studium entstand wieder Nähe. Ich hatte genügend Zeit, mir zu überlegen, ob ich im Familienbetrieb einsteigen wollte.

Wie läuft es mit der Aufteilung?
Alexander Stüssi: Da gibt es keine Probleme, weil wir in klar getrennten Bereichen tätig sind mit überschaubaren Schnittstellen.

Tobias Stüssi: Wir ergänzen uns sehr gut. Alexander ist kompetent im Baubereich und sehr engagiert und zuverlässig. Meine Domäne ist das Büro.

Wie verstehen Sie sich als Brüder in diesem Setting?
Tobias Stüssi: Wir lernten uns in den letzten Monaten neu kennen – und von einer anderen Seite. Wir wuchsen gemeinsam auf, machten unabhängig voneinander Ausbildungen und sammelten Lebenserfahrung. Nun sind wir auch beruflich gemeinsam unterwegs.

Alexander Stüssi: Unser gegenseitiges Vertrauen ist stark. 

Wie läuft die berufliche Ablösung von Vater und Onkel?
Alexander Stüssi: Ich übernehme seit letztem Jahr den Part meines Onkels, der sich langsam aus dem Berufsleben zurückzieht. Tobias ist auf bestem Weg, die Führung der Administration und Organisation von unserem Vater zu übernehmen.

Tobias und Alexander Stüssi schreiben die Betongeschichte ihrer Familie fort.

Was sagt der Grossvater dazu?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater ist sehr stolz, dass nun bereits die dritte Generation die Zügel der Firma in die Hand nimmt. Er legte mit dem Unternehmen den Grundstein für die ganze Familie. Wir sind ihm sehr dankbar dafür.

Was bleibt mit Ihnen gleich?
Tobias Stüssi: Das hohe Engagement und die Leidenschaft für Betonvorfabrikate und für das Unternehmen möchte ich beibehalten. Freude haben an der Arbeit und etwas Positives bewirken, das wurde uns vorgelebt. Ich will stolz sein, wenn ich nach zwanzig, dreissig Jahren zurückschaue.

Führen Sie Ihre Mitarbeitenden anders als die Generation vor Ihnen?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater, Vater und Onkel sind wie wir gradlinige und ehrliche Menschen. Wir sagen, wenn uns etwas gefällt oder eben nicht. Hier fahren wir mehr oder weniger die gleiche Linie. Wir schätzen unsere Mitarbeitenden sehr und wollen möglichst nahe am Geschehen sein. Wir respektieren das Können und den Einsatz der Mitarbeitenden. Und diese sehen, was wir machen. So akzeptieren wir uns gegenseitig.

Ihr Unternehmen befindet sich im Zentrum der Wirtschaftsregion Zürich. Was heisst das für Sie?
Tobias Stüssi: Dällikon liegt am Tor zur Stadt Zürich und nahe bei Baden. Dieser urbane Standort prägt uns. Hier läuft sehr viel. Wir befinden uns in der Nachbarschaft von Google und Microsoft und erleben mit, was in anderen Bereichen passiert. Das gibt uns viel Input. Auch müssen wir uns als Arbeitgeber in dieser kompetitiven Umgebung beweisen.

Short Cuts

Unser Aushängeschild ist aktuell das Projekt «Three Point», an dem wir mitarbeiten. In Dübendorf werden die drei höchsten Wohntürme der Schweiz erstellt. Wir liefern die Balkonelemente.

Die Tessiner Superbatterie «Energy Vault», die nachhaltig produzierten Strom speichert. So könnte unsere Energiezukunft aussehen.

Bei einem privat finanzierten Wohnhaussystem wären wir gerne dabei, das günstiges, jedoch wertiges Wohnen im Raum Zürich ermöglicht – und in Sachen Nachhaltigkeit und Technik vorbildlich ist. 

Welche Entwicklungen im Bereich Betonvorfabrikate verfolgen Sie?
Tobias Stüssi: Ich interessiere mich stark für die Bereiche Digitalisierung, 3D-Planung und moderne Prozessabläufe.

Alexander Stüssi: Trends wie schlankes Bauen oder filigrane Betonkonstruktionen verfolge ich eng und freue mich immer, wenn ich eine schön strukturierte Betonfassade an einem modernen Gebäude sehe.

«Die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen auf ressourcenoptimierte Betonmischungen und effizientere Produktionsprozesse.»

Tobias Stüssi
Alexander Stüssi (unten) und Tobias Stüssi (oben) wollen hoch hinaus mit Betonfertigelementen.

Wo sehen Sie Herausforderungen?
Tobias Stüssi: Sicher ist die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen mit ressourcenoptimierten Betonmischungen bereits einiges um in diesem Bereich. Zum Thema gehört auch der sorgsame Umgang mit Energie, aus ökologischen und finanziellen Gründen.

Alexander Stüssi: Bei unserem Grossvater waren Rohstoffe sehr teuer, dafür die Arbeitsstunden günstig. Bei unserem Vater und Onkel waren Rohstoffe günstig, dafür die Arbeitsstunden teuer. Wir kämpfen – Stand heute – mit knappen und teuren Rohstoffen, Lieferschwierigkeiten, viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt sowie mit teuren Arbeitsstunden. Herausforderungen, denen wir uns stellen.

Schlussfrage: Wie ist es als Brüder, wenn man am gleichen Tag Geburtstag hat?
Tobias Stüssi: Es ist cool! Das mag wohl etwas überraschen. Als Kinder feierten wir unsere Geburtstage immer gemeinsam und haben dann alle unsere Gspänli eingeladen und zusammen gebastelt, Kuchen gegessen und so weiter.

Alexander Stüssi: Bei uns war es nie ein Thema, dass man am Geburtstag nicht die ganze Aufmerksamkeit geniesst. Und heute ist es angenehm, weil wir nie des anderen Geburtstag vergessen 😉.

Alexander Stüssi

34 Jahre, ist gelernter Zimmermann. Vor seinem Studium zum Bauingenieur arbeitete er bereits einige Jahre in der Produktion und als Montagepolier im Familienunternehmen. Im August 2021 kehrte er mit beruflicher Erfahrung als Ingenieur im konstruktiven Hochbau zur Stüssi AG zurück, leitet dort seither den Bereich Planung und ist als Bauleiter tätig.

Tobias Stüssi

31 Jahre, absolvierte eine KV-Lehre in einem Speditionsunternehmen und schloss ein BWL-Studium ab. Er ist seit 2017 im Familienunternehmen tätig, vor allem in der Administration und Organisation. Allerdings springt er auch immer wieder in der Fertigung ein. Zurzeit bildet sich Tobias Stüssi an der Fachhochschule Nordwestschweiz im technischen Bereich weiter.

Interview

«In unseren Adern fliesst Beton»

Hendrix Müller führt den Produktionsstandort Rickenbach/LU der familieneigenen MÜLLER-STEINAG Gruppe. Er ist fasziniert vom vielfältigen Baustoff Beton und setzt alles daran, diesen umweltfreundlicher zu machen. Er bezeichnet sich selbst als «Early Adopter», als jemanden, der technische Neuerungen besonders schnell in den Alltag integriert.

Hendrix Müller, wann kamen Sie das erste Mal bewusst mit vorfabriziertem Beton in Berührung?
In meiner Kantonsschulzeit machte ich immer wieder Ferienjobs im Betrieb. Ich arbeitete in der Polymerbetonfertigung und liebte es. Später war ich eine Zeitlang auf einem Bauernhof tätig, wo wir für den Bau eines Freiluftstalles die Roste, Güllerinnen und Liegeplätze für die Kühe teilweise selbst betonierten. Und ich war auch schon als Lastwagenchauffeur mit Beton unterwegs.

Und heute?
Ich komme tagtäglich mit Beton in Berührung – und zwar wortwörtlich. Wenn ich durch die Betriebshallen gehe, berühre ich immer wieder das Material. Das Haptische ist mir wichtig. Und kürzlich wechselte ich bei mir Zuhause einige Verbundsteine selbst aus.

Was bedeutet Ihnen der Werkstoff Beton?
Für mich ist Beton mit Emotionen verbunden. Der Geruch ist spezifisch, wie auch beim Holz. Riecht es nach Beton oder Holz, werde ich an meine Grossväter erinnert, der eine führte unser Betonwerk, der andere eine Zimmerei. Mich faszinieren die vielen Möglichkeiten, die Beton bietet.

Wie unterscheiden sich Betonprodukte, die vor 20 Jahren entstanden, von den heutigen?
Grundsätzlich sind die Zutaten die gleichen. Sand und Kies, Wasser und Zement. Heute verwenden wir allerdings Zusatzmittel, die sich viel genauer einstellen lassen und erreichen so präzise die gewünschten Eigenschaften. Mit dem modernen SCC-Beton (selbstverdichtender Beton) arbeiten wir sehr fortschrittlich und auch viel ruhiger, da kaum mehr Vibratoren eingesetzt werden müssen. Das erhöht die Arbeitsqualität enorm.

Hendrix Müller, Müller Steinag Element AG, Swiss Beton, GRAU online
Hendrix Müller ist ein Technikfan uns sucht stets nach innovativen Lösungen.

Und wie werden Betonprodukte in 20 Jahren sein?
Der Blick in die Kristallkugel ist schwierig. Vielleicht kommen Alternativen zu herkömmlichem Zement auf, die zur Ergänzung eingesetzt werden können. Hier sind calcinierte Tone (LC3) sicher Favoriten. Auch hydrolithische Steinmehle gehören dazu. Zentral sind für mich die Anstrengungen, die CO2-Emissionen zu senken. Darauf muss sich die Zementindustrie und auch wir als Betonprodukthersteller fokussieren,

Betonvorfabrikate werden auf der ganzen Welt eingesetzt. Gibt es Unterschiede?
Bei uns in der Schweiz sind die Ansprüche um ein Vielfaches höher, Insbesondere, was die Optik und die Oberflächen angeht. Wir bieten wie sonst wohl niemand verschiedenste Betonoberflächen, vom Waschbeton bis zu gestrahltem Beton – und alles in perfekter Qualität. Bei uns geht es ja oft um einzelne Objekte. Plattenbauten mit x-facher Wiederholung gibt es hierzulande nicht.

Wo spielt die Musik in Sachen Beton?
Wir sind sehr nah dran am Puls der Zeit. Der Wissensaustausch unserer Forschungsabteilungen mit Hochschulen und Instituten ist ein zentraler Faktor. Ein Fokus der Forschung liegt darin, dünnere Betonteile mit hoher Festigkeit herzustellen, um so Material zu sparen. Es gibt noch weitere grossartige Ideen, die wir zum Teil bereits umsetzen. Zum Beispiel konnten wir bei uns im Werk bereits erfolgreich CO2 im Beton binden.

«Als Early Adopter suche ich immer nach neuen Lösungen, auch ausserhalb meines angestammten Bereichs.»

Hendrix Müller

Hendrix Müller, Sie befassen sich intensiv mit der Entwicklung von Beton für Vorfabrikate. Was fasziniert sie am meisten?
Spannend ist sicher brandfester Beton, wo ich bei Brandversuchen staunte, wieviel Wasser im erhärteten Beton gebunden ist. Ein weiteres hochinteressantes Feld sehe ich im schnellbeschleunigenden Beton mit sehr kurzer Aushärtezeit. Zudem finde ich generell bei unseren Elementen die Betonoberflächen faszinierend, die so fein sind wie Baby-Popos.

Im Bereich Digitalisierung leisten Sie Pionierarbeit. Sie machen den Lebenszyklus von Betonbauwerken digital verfügbar. Was ist der Vorteil?
Die sogenannte BIM-Technologie (Building Information Modeling) heisst auf Deutsch Bauwerksdatenmodellierung. BIM ist eine Methode, bei der Gebäude mithilfe von Software vernetzt geplant, gebaut und bewirtschaftet werden. Ich sehe den Vorteil dabei weniger im Erstellen und Bauen, sondern vor allem in der Instandhaltung des Gebäudes – bis zu einem möglichen Abbruch der Liegenschaft. Alle nötigen Informationen für den Unterhalt oder eine Sanierung sind vorhanden. Beim Abbruch eines Gebäudes ist damit sofort klar, was noch von Nutzen ist und was nicht. Diese Daten sind für die Kreislaufwirtschaft zentral. Hier sehe ich viel Potential.

Man spürt bei Ihnen, dass Sie sich für neue Technologien begeistern. Woher kommt diese Affinität zum Technischen und Digitalen?
Als Early Adopter suche ich immer nach neuen Lösungen, auch ausserhalb meines angestammten Bereichs. Bei technologischen Entwicklungen bin ich immer sehr früh dran und weiss, worum es geht. Neueste Trends und deren praktische Umsetzung sind einfach spannend. Zum Beispiel können wir mittlerweile mit Sensoren den Bewässerungsgrad einer Baumgrube überwachen. So muss die Stadtgärtnerei nicht unnötig bewässern.

«Mein Ziel ist, Beton so nachhaltig wie möglich zu machen.»

Hendrix Müller

Ein wichtiges Thema ist die Nachhaltigkeit von Beton und Betonvorfabrikaten zu verbessern. Wohin geht die Reise?
Mein Ziel ist, Beton so nachhaltig wie möglich zu machen. Dabei denken ich nicht in erster Linie an Zertifikate oder Kompensationen, sondern an konkrete Massnamen in unserem Betrieb. Wir machen bereits sehr viel mit einer umweltfreundlichen Transportflotte, Holzschnitzelheizung, Strom aus Photovoltaik oder umfangreichen Rekultivierungen.

Was halten Sie von mit Ton versetztem sogenannten Ökobeton, wie ihn die Universität Lausanne propagiert?
Wir verfolgen die Entwicklung mit Interesse. Für uns in der Region ist dieser LC3-Beton nicht ideal, da die Ausschalfristen noch zu lang sind und wir bei uns auch wenig Tonvorkommen haben. In Indien, wo dieser Beton nun vermehrt eingesetzt wird, macht er aber durchaus Sinn. Wir selbst produzieren Elemente aus Recyclingbeton oder fertigen Steine aus Lehmbeton und machen mit dem sogenannten Terrabloc gute Erfahrungen.

Zum Schluss die Frage: Sie sind Teil einer grossen Betonfamilie, drei Onkel und zwei Cousinen sind im Unternehmen aktiv. Ist das Thema Beton bei einem Familientreffen Allgegenwärtig?
Tatsächlich fliesst bei uns Beton durch die Adern. Bei Familienfesten haben allerdings auch sehr viele andere Themen Platz. Wir sind gesellig und vielseitig interessiert. Von Musik über Politik und Technik bis hin zu Astronomie oder Historischem. Wir sind alles, ausser Betonköpfe.   

Zur Person

Hendrix Müller (Jahrgang 1978) ist Verwaltungsrat der familiengeführten Luzerner MÜLLER-STEINAG Gruppe und Geschäftsführer des Produktionsstandortes Rickenbach/LU, wo er auch wohnt. Der dreifache Familienvater ist in der Freizeit oft in der Natur und in den Bergen anzutreffen und betreibt gerne Ausdauersport.

Interview

«Sandgestrahlt ist ziemlich cool»

Betonwerker stellen Produkte aus Beton her, die für den Bau von Wohnungen, Brücken und Lärmschutzwänden eingesetzt werden. Typische Produkte sind Kanalisationsrohre, Treppen oder Balkone. Die Ausbildung dauert drei Jahre. GRAU sprach mit den beiden Betonwerker-Lernenden Merlin Spichtig und Raphael Raths.

Merlin und Raphael, weshalb habt ihr euch für eine Ausbildung als Betonwerker EFZ entschieden?

Merlin: Weil ich mich schon immer für einen handwerklichen Beruf interessiert habe. Erst schnupperte ich als Maurer. Allerdings gefiel es mir nicht, immer draussen zu arbeiten. Mal ist es zu heiss, mal zu kalt. Dann wollte der Zufall, dass mein Lehrer mit dem Sohn meines heutigen Chefs Fussball spielte und sich die beiden über Jobs unterhielten. Auf diesem Weg kam ich zu meiner Lehrstelle.

Raphael: Es ist ein abwechslungsreicher Beruf. Mir macht es Spass, etwas im Team zu schaffen. Die Aufgaben sind vielseitig. Wir machen Treppen, Fassaden, Stützen.

Was findet ihr an Beton spannend?

Raphael: Mit Beton ist jeder Tag anders. Von Lehrjahr zu Lehrjahr werden die Aufgaben komplexer.

Merlin: Ich finde die verschiedenen Beton-Oberflächen spannend. Geschliffene Oberflächen gefallen mir am besten. Sandgestrahlt ist auch ziemlich cool.

Gibt es Arbeiten, die ihr besonders gerne macht?

Raphael: Mir gefällt das Taloschieren. Darunter versteht man das Glätten und Verdichten von Betonoberflächen.

Merlin: Bei mir sind es der Schalungsbau und das Betonieren allgemein. Also auch das Abglätten und andere Arbeiten, die dazugehören.

Habt ihr ein Lieblingsprojekt oder ein Lieblingswerkstück?

Merlin: Für mich ist das schwer zu sagen. Vieles hat seinen Reiz.

Raphael: Ich mache gerne Fassaden. Das ist spannend, da sehr anspruchsvoll.

Macht euch die Arbeit stolz?

Raphael: Es macht mich sehr stolz, zu sehen, was ich mitgeleistet habe.

Merlin: Wenn etwas gut gelingt, macht mich das schon stolz.

Fahrt ihr manchmal zu Bauwerken/Arealen, wo man eure Arbeit sieht?

Raphael: Manchmal, per Zufall. Wir wurden auch schon auf die Baustelle eingeladen. Zum Beispiel beim Flughafen Zürich zum Grossprojekt «Circle», wo wir alle Stützen lieferten.
Merlin: Wenn ich unterwegs bin und ein Gebäude sehe, das wir gemacht haben, dann freue ich mich und denke: Das sieht super aus!

Mit Beton ist jeder Tag anders.

Raphael Raths

Was ist das Schöne an eurem Beruf?

Raphael: Ich finde es echt toll, dass man sieht, was aus der Arbeit wird.

Merlin: Mir gefallen das Material und die Abwechslung. Natürlich auch die guten Leute im Betrieb. Unter der Lehrlingslohn ist auch angenehm 😉.

Was war bisher der grösste Erfolg in eurer Lehre?

Merlin: Im Kurs mit den Lernenden produzierten wir echt schöne Sachen aus Beton: Tische, Sitzbänke und so weiter.

Raphael: Dass ich gute Schulnoten habe und es auch im Betrieb gut klappt.

Was sind eure Hobbys?

Raphael: Gamen, mit Kollegen chillen, dann auch Joggen oder Spazieren. Neu spiele ich in der Guggenmusik mit – auf dem Sousaphon.

Merlin: Schwimmen, Tennisspielen – und mit Kollegen unterwegs sein.

Welche eurer Eigenschaften helfen auch im Beruf?

Merlin: Ein fitter Körper. Und die Genauigkeit ist wichtig.

Raphael: Räumliches Vorstellungvermögen und handwerkliches Geschick.

Was möchtet ihr nach der Ausbildung machen?

Raphael: Mich weiterbilden. Zum Beispiel zum Vorarbeiter. Später könnte ich mir ein Studium vorstellen.

Merlin: Zuerst kommt die Rekrutenschule, dann sehen wir weiter. Eine Berufsmatura würde mich schon interessieren.

Raphael Raths, 18

3. Lehrjahr Betonwerker EFZ
Sebastian Müller AG in Rickenbach LU

Lehrling Rapheal Raths, Sebastian Müller AG

Merlin Spichtig, 17

2. Lehrjahr Betonwerker EFZ
Fanger Elementtechnik AG in Sachseln OW

Interview

Den frischen Duft von Beton in der Nase

Seit 18 Jahren leitet Carla Tschümperlin in dritter Generation die Geschicke des Zuger Familienunternehmens Tschümperlin AG, Baustoffe. Am Beton fasziniert sie das Wandelbare. Und dass er von Menschen geformt wird. Im Interview verrät sie ausserdem, wann sie in ihrem Element ist.

Carla Tschümperlin, wenn Sie den Baustoff in fünf Worten charakterisieren müssten, welche Worte wären das?
Formbar, futuristisch, funktional, fantastisch, «for-ever».

Wo wären wir heute, wenn es kein(e) Beton(elemente) gäbe?
Wir wären auf der Erde – im wahrsten Sinn des Wortes.

Wenn wir die Entwicklung der letzten 70 Jahre anschauen, war Beton immer ein wichtiger Bestandteil in der Architektur. Warum ist Beton dauerhaft modern?
Für mich drückt der Mensch mit dem Beton den aktuellen Zeitgeist aus. Beton ist das Material, das Ideen verwandelt – in eine formbare und dauerhafte Materie.

Was entspricht Ihnen mehr, ältere Bauten oder Architekturtrends?
Alte Gebäude haben eine Lebensqualität, die heute fast nicht mehr erreicht wird. Ich liebe aber auch das Futuristische. Der Beton stellt sich nicht in den Vordergrund, obwohl er als Material dominant und präsent ist. Er ist immer nur ein Ausdruck von dem, was wir aus ihm machen.

Carla Tschümperlin, Tschümperlin AG, Swiss Beton, GRAU online
Carla Tschümperlin, Inhaberin, Geschäftsleiterin, Verwaltungsratspräsidentin Tschümperlin AG, Baar ZG

Welche Trends verfolgen Sie, wenn es um die Weiterentwicklung von heutigen Baumaterialien geht?
Mich interessiert, wie der Beton seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Das ist für unsere Branche insgesamt, aber auch für die Menschheit, eine der ganz wichtigen Fragestellungen. Und sie muss uns alle interessieren. Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?

Zu ihrem Werdegang: Als Tochter in die Fussstapfen des Vaters zu treten, ist das schwierig?
Nein, denn ich kann bereits seit 18 Jahren meine eigenen Spuren ziehen. Meine Schuhgrösse passt locker in die meines Vaters (lacht). Ich gehe aber meinen eigenen Weg. Mich interessiert als Unternehmerin, wie ich meine Ideen verwirklichen kann. Das war in meiner Konstellation von Anfang an möglich.

Wie wäre es im Unterschied als Sohn, die Nachfolge des Vaters anzutreten?
Ein Sohn hat vielleicht eher ein Handicap. Er wird immer mit dem Vater verglichen. Das macht es schwieriger, die eigenen Spuren zu hinterlassen.

Ist die Gender-Thematik überhaupt wichtig für Sie?
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch die Chance bekommen soll, sich beruflich frei zu entfalten. Diese Chance muss Gender-neutral, aber auch Herkunfts-neutral gegeben werden. 

Diese Frage muss uns alle interessieren: Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?

Carla Tschümperlin
Short Cuts

Grosse Freude habe ich an unseren Sitzelementen aus eingefärbtem Beton, welche sich mit organischen Formen und Strukturen wunderbar in den Circle-Park in Kloten einfügen. Ein gelungenes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Designer, Landschaftsarchitektur und unserem Knowhow in der Fertigung von komplexen Freiformen. Zum Projekt >

Tschümperlin AG, Sitzelemente The Circle Park Flughafen Zürich Kloten, Betonelemente, Betonvorfabrikate, Beton

 

Das Pantheon in Rom fasziniert mich total. Den antiken «Opus Caementicium» haben die Römer bei viel tieferen Brenntemperaturen gebrannt, bei rund 900 Grad. Er hat Jahrtausende überdauert. Heutige Betonbauten sind zwar langlebig, aber die Lebensdauer beträgt 100 bis 120 Jahren. Für mich liegt in der Vergangenheit ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft.

Ich würde gerne in Zug beim Bundesplatz den lieblosen Asphalt herausreissen. Und dann auf dem Platz einen urbanen Lebensraum umsetzen, mit einer schönen Pflästerung, grossen Pflanzeninseln, Wasserbrunnen und Sitzgelegenheiten. Zug hätte das verdient und Beton macht es möglich.

Sie führen 130 Mitarbeitende an sechs Standorten. Wie stellen Sie sicher, dass sich Ihre Mitarbeitenden im Unternehmen wohl fühlen?
Das Wohlfühlen hat oft damit zu tun, dass man als Mensch überhaupt wahrgenommen wird. In einer Familienunternehmung fällt das leichter als in einem Konzern. Ich höre jedem Mitarbeitenden zu und wir pflegen flache Hierarchien.

Welche Führungswerte sind für Sie besonders wichtig?
Klare Ziele und Vertrauen. Die Freiheit, die damit einhergeht und ein aufmerksames Interesse am Menschen. Diese Kombination macht mir am meisten Freude.

Welche Botschaft haben Sie als erfolgreiche Unternehmerin an die junge Generation?
Stellt so lange Fragen, bis die Ideen von selbst entstehen.

Haben Sie nach 18 Jahren als Geschäftsleiterin noch viele neue Ideen?
Total. Es sprudelt ununterbrochen. Mein Ideenreichtum ist eine meiner grossen Stärken. Und dass ich Menschen dazu bringen kann, die Ideen gemeinsam mit mir umzusetzen.

Abschliessend: Verraten Sie uns, wann Sie durch und durch im Element sind?
Wenn ich in die Werkhalle komme, den frischen Duft von Beton in der Nase, und mir dabei überlege, wie man die Zukunft anpacken könnte.

Zur Person

Carla Tschümperlin hat Jura studiert und trat im Jahr 2000 ins Familienunternehmen ein, wo sie zuerst als Projektmanagerin und dann als Bereichsleiterin tätig war. Ab 2003 übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsleitung. Ende 2007 hat sie im Rahmen einer familieninternen Nachfolge die Aktienmehrheit von ihrem Vater und ihrem Onkel erworben und führt seither die Tschümperlin AG in der 3. Generation weiter. Sie ist Vorsitzende der Geschäftsleitung und Präsidentin des Verwaltungsrats. Die Tschümperlin AG beschäftigt 130 Mitarbeitende an 6 Standorten.

Interview

«Beton ist noch nicht bezwungen»

Für Marlise Blaser ist Beton ein lebendiger Baustoff, der immer wieder neu erfunden wird. Im Interview verrät sie, warum sie noch heute Herzklopfen hat, wenn neue Ideen entstehen und wo sie Potenzial für die Zukunft sieht.

Marlise Blaser, was respektive wie wäre die Welt ohne Beton(elemente)?
Sie wäre langweilig. Farblos. Uns würde die Weite fehlen, die Weitsicht. Wir könnten nichts mehr überbrücken. Und das meine ich auch länderübergreifend. Der Tunnelbau würde in seiner heutigen Form nicht möglich sein. Beton ist ein so wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, unserer Infrastruktur. Und Beton bietet schier endlose Möglichkeiten: verschiedene Oberflächen, Formen und Farben.

Wofür schlägt Ihr Herz bei diesem Thema?
Ich mag die Unendlichkeit des Werkstoffs. Beton sind keine Grenzen gesetzt. Wir können alles immer wieder neu denken. Und auch wenn wir dieses Geschäft schon lange betreiben, stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen. Ich lerne täglich dazu. Beton ist noch nicht bezwungen. Das Material ist unberechenbar. Das bereitet mir Herzklopfen – im Positiven.

Marlise Blaser, Inhaberin und Geschäftsleiterin Elementwerk Istighofen AG

… wofür schlägt Ihr Herz noch?
Für den Prozess am Produkt. Als Ingenieurin etwas zu berechnen, das später sichtbar wird – das wir erschaffen haben. Wir realisieren spannende Projekte, die wir noch lange Zeit später anschauen können, die Bestand haben. Und ich mag es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, zusammen etwas zu erschaffen – und selbst tätig zu sein.

Weshalb wird es Beton(elemente) auch in 30 Jahren noch geben? Wie werden wir den Baustoff dann wohl einsetzen?
Es wird ihn auf jeden Fall noch geben. Er wird vielleicht vermehrt bei Sanierungen eingesetzt und etwas weniger bei Neubauten. Gerade im Bereich Design und Ästhetik glaube ich, dass wir auch in Zukunft auf Beton setzen werden. Er wird sogar für noch filigranere Elemente eingesetzt werden. Und er wird ökologischer sein. Schon jetzt ist es möglich, mit Recycling-Beton zu bauen. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren enorm wachsen.

Welche Trends verfolgen Sie interessiert, wenn es um die Weiterentwicklung von heutigen Baumaterialien (darunter auch Betonelemente) geht?
Das grosse Thema ist die Nachhaltigkeit. Und hier besonders das Recycling. «Me luegt und lost». Dabei stelle ich fest, man hört gar nicht so viel. Wir arbeiten zudem an neuen Rezepturen mit dem Ziel, noch schlankere Strukturen zu bauen.

Ich mag die Unendlichkeit des Werkstoffs. Beton sind keine Grenzen gesetzt. Wir können alles immer wieder neu denken.

Marlise Blaser
Short Cuts

Die neue Sporthalle in Oberrüti AG. Die Fassadenelemente mit Wellenstruktur aus Faserbeton fügen sich perfekt in die Ästhetik der darüberliegenden Metallfassade ein. Die Betonelemente sind gerade mal 85 Millimeter dick.

 

Die von Mario Botta entworfene Kirche Santa Maria degli Angeli auf dem Monte Tamaro im Tessin.

Eines des Studios Zahad Hadid. Die Art und Weise, wie die Architekten mit der Formgebung spielen, ist atemberaubend.

2021 «feiert» die Schweiz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Wie relevant ist dieses Jubiläum für Sie?
Es ist für mich kein Thema. Wenn Sie mich schon fragen, dann würde ich sagen, es ist nichts, das wir feiern müssten. Es ist eine Selbstverständlichkeit.

Welche Botschaft haben Sie als erfolgreiche Unternehmerin an die Leaderinnen von morgen?
Lasst euch nicht «Kopf-Schüch» machen von der Männerwelt. Zieht euer Ding durch – ob Männlein oder Weiblein. Traut euch etwas zu. Ihr seid besser, als Ihr denkt …

Und wie schafft es die Branche, dass es – neben den Betonwerkern – bald auch Betonwerkerinnen gibt?
Wir werden nächstes Jahr wieder Lernende aufnehmen – wenn eine Frau dabei ist, freue ich mich sehr. Insofern sage ich allen jungen Frauen: Schickt uns eure Bewerbung. Betonwerkerin ist ein attraktiver Beruf: Pläne lesen, armieren, schalen … du machst einfach alles. Du bist von A bis Z dabei, bis ein Element fertig ist. Was du herstellst, ist sichtbar. Und du übernimmst Verantwortung. Bereits nach einem halben Jahr gehst du mit auf die Baustelle.

Abschliessend: Verraten Sie uns, wann Sie durch und durch im Element sind?
Wenn ich mit dem Mountainbike in den Bergen unterwegs bin.

Zur Person

Marlise Blaser ist gelernte Tiefbauzeichnerin. Später hat sie sich zur Bauingenieurin weitergebildet. 2002 kam sie als Geschäftsführerin zum Elementwerk Istighofen, fünf Jahre später übernahm sie das Unternehmen. Heute beschäftig sie 28 Mitarbeitende.

Kommentar

Betonvorfabrikate aus der Schweiz für Bauwerke in der Schweiz

In der Schweiz legen wir grossen Wert auf Qualität. Unsere Bauwerke weisen im internationalen Vergleich einen hohen Standard auf. Beton und Betonvorfabrikate tragen massgeblich dazu bei.

Dass Beton der meistverwendete Baustoff im Land ist, liegt auf der Hand. Das Naturprodukt besteht aus Sand, Wasser, Kies und Zement. Alles Elemente, die in der Schweiz in genügender Menge vorhanden sind. Mehr Made in Switzerland geht nicht.

Bei der Fabrikation von vorfabrizierten Betonprodukten werden je nach Verwendung verstärkende Elemente in die Betonprodukte eingearbeitet. Die Betonelementwerke in der Schweiz produzieren äusserst ressourcenschonend – dank der industriellen Fertigung der Betonvorfabrikate. Abfall gibt es fast keinen. Wenn ein Bauwerk zurückgebaut werden muss, sind die ursprünglich einmal verbauten Betonelemente vollständig rezyklierbar.

Die schweizerischen Betonelementwerke kennen den heimischen Baumarkt.
Kurze Wege zu Architekten und Ingenieuren ermöglichen es, schon im Planungsprozess gemeinsam gute Lösungen zu finden. Mit Just-in-time Lieferungen werden die vorfabrizierten Betonelemente auf die Baustelle geliefert – auch hier ist die Distanz kurz, da Betonelement zumeist in der Region der Baustelle produziert werden.

Treppen, Balkone, Liftschächte, Fassaden, Röhren, Stützen, Gartenelemente und viele weitere Produkte werden als Betonvorfabrikate aus der Schweiz für die Bauwerke in der Schweiz produziert und verbaut. Wohnungen, Büros, Industriegebäude, Brücken, Tunnels und vieles mehr benutzen wir jeden Tag. Ich freue mich immer wieder, funktionale und architektonisch wertvolle Betonbauten zu sehen und zu nutzen.

Ueli Büchi, Geschäftsführer der B-B-B.ch GmbH, Niederhasli, Projektleiter und Berater, ist seit 2018 Präsident von SwissBeton.

Projekt LIFT

Leistungsfähig durch individuelle Förderung und praktische Tätigkeit

Jugendliche mit einer erschwerten Ausgangslage den Start in das Berufsleben zu ermöglichen – darum kümmert sich das Projekt LIFT. Creabeton Matériaux ist ein regionaler Projektpartner.

Das Projekt ist ein Integrations- und Präventionsprogramm für Jugendliche am Übergang zwischen Volksschule und Berufsbildung. Die Teilnehmenden besuchen freiwillig in der unterrichtsfreien Zeit sogenannte Wochenarbeitsplätze in Betrieben der jeweiligen Region. Diese Kurzeinsätze von wöchentlich 2–3 Stunden sind ein guter Weg, den Jugendlichen niederschwellig eine Ausbildung zu ermöglichen. Creabeton Matériaux stellt jährlich zwei Wochenarbeitsplätze zur Verfügung – in der Verwaltung und in der Produktion. Mehr über das Projekt erfahren Sie im Video.

Durch das Projekt können wir Jugendliche aus der Region fördern – in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung.

Adrian Forrer, Geschäftsleiter Creabeton Matériaux AG
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