Interview

Den frischen Duft von Beton in der Nase

Seit 18 Jahren leitet Carla Tschümperlin in dritter Generation die Geschicke des Zuger Familienunternehmens Tschümperlin AG, Baustoffe. Am Beton fasziniert sie das Wandelbare. Und dass er von Menschen geformt wird. Im Interview verrät sie ausserdem, wann sie in ihrem Element ist.

Carla Tschümperlin, wenn Sie den Baustoff in fünf Worten charakterisieren müssten, welche Worte wären das?
Formbar, futuristisch, funktional, fantastisch, «for-ever».

Wo wären wir heute, wenn es kein(e) Beton(elemente) gäbe?
Wir wären auf der Erde – im wahrsten Sinn des Wortes.

Wenn wir die Entwicklung der letzten 70 Jahre anschauen, war Beton immer ein wichtiger Bestandteil in der Architektur. Warum ist Beton dauerhaft modern?
Für mich drückt der Mensch mit dem Beton den aktuellen Zeitgeist aus. Beton ist das Material, das Ideen verwandelt – in eine formbare und dauerhafte Materie.

Was entspricht Ihnen mehr, ältere Bauten oder Architekturtrends?
Alte Gebäude haben eine Lebensqualität, die heute fast nicht mehr erreicht wird. Ich liebe aber auch das Futuristische. Der Beton stellt sich nicht in den Vordergrund, obwohl er als Material dominant und präsent ist. Er ist immer nur ein Ausdruck von dem, was wir aus ihm machen.

Carla Tschümperlin, Tschümperlin AG, Swiss Beton, GRAU online
Carla Tschümperlin, Inhaberin, Geschäftsleiterin, Verwaltungsratspräsidentin Tschümperlin AG, Baar ZG

Welche Trends verfolgen Sie, wenn es um die Weiterentwicklung von heutigen Baumaterialien geht?
Mich interessiert, wie der Beton seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Das ist für unsere Branche insgesamt, aber auch für die Menschheit, eine der ganz wichtigen Fragestellungen. Und sie muss uns alle interessieren. Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?

Zu ihrem Werdegang: Als Tochter in die Fussstapfen des Vaters zu treten, ist das schwierig?
Nein, denn ich kann bereits seit 18 Jahren meine eigenen Spuren ziehen. Meine Schuhgrösse passt locker in die meines Vaters (lacht). Ich gehe aber meinen eigenen Weg. Mich interessiert als Unternehmerin, wie ich meine Ideen verwirklichen kann. Das war in meiner Konstellation von Anfang an möglich.

Wie wäre es im Unterschied als Sohn, die Nachfolge des Vaters anzutreten?
Ein Sohn hat vielleicht eher ein Handicap. Er wird immer mit dem Vater verglichen. Das macht es schwieriger, die eigenen Spuren zu hinterlassen.

Ist die Gender-Thematik überhaupt wichtig für Sie?
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch die Chance bekommen soll, sich beruflich frei zu entfalten. Diese Chance muss Gender-neutral, aber auch Herkunfts-neutral gegeben werden. 

Diese Frage muss uns alle interessieren: Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?

Carla Tschümperlin
Short Cuts

Grosse Freude habe ich an unseren Sitzelementen aus eingefärbtem Beton, welche sich mit organischen Formen und Strukturen wunderbar in den Circle-Park in Kloten einfügen. Ein gelungenes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Designer, Landschaftsarchitektur und unserem Knowhow in der Fertigung von komplexen Freiformen. Zum Projekt >

Tschümperlin AG, Sitzelemente The Circle Park Flughafen Zürich Kloten, Betonelemente, Betonvorfabrikate, Beton

 

Das Pantheon in Rom fasziniert mich total. Den antiken «Opus Caementicium» haben die Römer bei viel tieferen Brenntemperaturen gebrannt, bei rund 900 Grad. Er hat Jahrtausende überdauert. Heutige Betonbauten sind zwar langlebig, aber die Lebensdauer beträgt 100 bis 120 Jahren. Für mich liegt in der Vergangenheit ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft.

Ich würde gerne in Zug beim Bundesplatz den lieblosen Asphalt herausreissen. Und dann auf dem Platz einen urbanen Lebensraum umsetzen, mit einer schönen Pflästerung, grossen Pflanzeninseln, Wasserbrunnen und Sitzgelegenheiten. Zug hätte das verdient und Beton macht es möglich.

Sie führen 130 Mitarbeitende an sechs Standorten. Wie stellen Sie sicher, dass sich Ihre Mitarbeitenden im Unternehmen wohl fühlen?
Das Wohlfühlen hat oft damit zu tun, dass man als Mensch überhaupt wahrgenommen wird. In einer Familienunternehmung fällt das leichter als in einem Konzern. Ich höre jedem Mitarbeitenden zu und wir pflegen flache Hierarchien.

Welche Führungswerte sind für Sie besonders wichtig?
Klare Ziele und Vertrauen. Die Freiheit, die damit einhergeht und ein aufmerksames Interesse am Menschen. Diese Kombination macht mir am meisten Freude.

Welche Botschaft haben Sie als erfolgreiche Unternehmerin an die junge Generation?
Stellt so lange Fragen, bis die Ideen von selbst entstehen.

Haben Sie nach 18 Jahren als Geschäftsleiterin noch viele neue Ideen?
Total. Es sprudelt ununterbrochen. Mein Ideenreichtum ist eine meiner grossen Stärken. Und dass ich Menschen dazu bringen kann, die Ideen gemeinsam mit mir umzusetzen.

Abschliessend: Verraten Sie uns, wann Sie durch und durch im Element sind?
Wenn ich in die Werkhalle komme, den frischen Duft von Beton in der Nase, und mir dabei überlege, wie man die Zukunft anpacken könnte.

Zur Person

Carla Tschümperlin hat Jura studiert und trat im Jahr 2000 ins Familienunternehmen ein, wo sie zuerst als Projektmanagerin und dann als Bereichsleiterin tätig war. Ab 2003 übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsleitung. Ende 2007 hat sie im Rahmen einer familieninternen Nachfolge die Aktienmehrheit von ihrem Vater und ihrem Onkel erworben und führt seither die Tschümperlin AG in der 3. Generation weiter. Sie ist Vorsitzende der Geschäftsleitung und Präsidentin des Verwaltungsrats. Die Tschümperlin AG beschäftigt 130 Mitarbeitende an 6 Standorten.

Interview

«Beton ist noch nicht bezwungen»

Für Marlise Blaser ist Beton ein lebendiger Baustoff, der immer wieder neu erfunden wird. Im Interview verrät sie, warum sie noch heute Herzklopfen hat, wenn neue Ideen entstehen und wo sie Potenzial für die Zukunft sieht.

Marlise Blaser, was respektive wie wäre die Welt ohne Beton(elemente)?
Sie wäre langweilig. Farblos. Uns würde die Weite fehlen, die Weitsicht. Wir könnten nichts mehr überbrücken. Und das meine ich auch länderübergreifend. Der Tunnelbau würde in seiner heutigen Form nicht möglich sein. Beton ist ein so wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, unserer Infrastruktur. Und Beton bietet schier endlose Möglichkeiten: verschiedene Oberflächen, Formen und Farben.

Wofür schlägt Ihr Herz bei diesem Thema?
Ich mag die Unendlichkeit des Werkstoffs. Beton sind keine Grenzen gesetzt. Wir können alles immer wieder neu denken. Und auch wenn wir dieses Geschäft schon lange betreiben, stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen. Ich lerne täglich dazu. Beton ist noch nicht bezwungen. Das Material ist unberechenbar. Das bereitet mir Herzklopfen – im Positiven.

Marlise Blaser, Inhaberin und Geschäftsleiterin Elementwerk Istighofen AG

… wofür schlägt Ihr Herz noch?
Für den Prozess am Produkt. Als Ingenieurin etwas zu berechnen, das später sichtbar wird – das wir erschaffen haben. Wir realisieren spannende Projekte, die wir noch lange Zeit später anschauen können, die Bestand haben. Und ich mag es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, zusammen etwas zu erschaffen – und selbst tätig zu sein.

Weshalb wird es Beton(elemente) auch in 30 Jahren noch geben? Wie werden wir den Baustoff dann wohl einsetzen?
Es wird ihn auf jeden Fall noch geben. Er wird vielleicht vermehrt bei Sanierungen eingesetzt und etwas weniger bei Neubauten. Gerade im Bereich Design und Ästhetik glaube ich, dass wir auch in Zukunft auf Beton setzen werden. Er wird sogar für noch filigranere Elemente eingesetzt werden. Und er wird ökologischer sein. Schon jetzt ist es möglich, mit Recycling-Beton zu bauen. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren enorm wachsen.

Welche Trends verfolgen Sie interessiert, wenn es um die Weiterentwicklung von heutigen Baumaterialien (darunter auch Betonelemente) geht?
Das grosse Thema ist die Nachhaltigkeit. Und hier besonders das Recycling. «Me luegt und lost». Dabei stelle ich fest, man hört gar nicht so viel. Wir arbeiten zudem an neuen Rezepturen mit dem Ziel, noch schlankere Strukturen zu bauen.

Ich mag die Unendlichkeit des Werkstoffs. Beton sind keine Grenzen gesetzt. Wir können alles immer wieder neu denken.

Marlise Blaser
Short Cuts

Die neue Sporthalle in Oberrüti AG. Die Fassadenelemente mit Wellenstruktur aus Faserbeton fügen sich perfekt in die Ästhetik der darüberliegenden Metallfassade ein. Die Betonelemente sind gerade mal 85 Millimeter dick.

 

Die von Mario Botta entworfene Kirche Santa Maria degli Angeli auf dem Monte Tamaro im Tessin.

Eines des Studios Zahad Hadid. Die Art und Weise, wie die Architekten mit der Formgebung spielen, ist atemberaubend.

2021 «feiert» die Schweiz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Wie relevant ist dieses Jubiläum für Sie?
Es ist für mich kein Thema. Wenn Sie mich schon fragen, dann würde ich sagen, es ist nichts, das wir feiern müssten. Es ist eine Selbstverständlichkeit.

Welche Botschaft haben Sie als erfolgreiche Unternehmerin an die Leaderinnen von morgen?
Lasst euch nicht «Kopf-Schüch» machen von der Männerwelt. Zieht euer Ding durch – ob Männlein oder Weiblein. Traut euch etwas zu. Ihr seid besser, als Ihr denkt …

Und wie schafft es die Branche, dass es – neben den Betonwerkern – bald auch Betonwerkerinnen gibt?
Wir werden nächstes Jahr wieder Lernende aufnehmen – wenn eine Frau dabei ist, freue ich mich sehr. Insofern sage ich allen jungen Frauen: Schickt uns eure Bewerbung. Betonwerkerin ist ein attraktiver Beruf: Pläne lesen, armieren, schalen … du machst einfach alles. Du bist von A bis Z dabei, bis ein Element fertig ist. Was du herstellst, ist sichtbar. Und du übernimmst Verantwortung. Bereits nach einem halben Jahr gehst du mit auf die Baustelle.

Abschliessend: Verraten Sie uns, wann Sie durch und durch im Element sind?
Wenn ich mit dem Mountainbike in den Bergen unterwegs bin.

Zur Person

Marlise Blaser ist gelernte Tiefbauzeichnerin. Später hat sie sich zur Bauingenieurin weitergebildet. 2002 kam sie als Geschäftsführerin zum Elementwerk Istighofen, fünf Jahre später übernahm sie das Unternehmen. Heute beschäftig sie 28 Mitarbeitende.

Kommentar

Betonvorfabrikate aus der Schweiz für Bauwerke in der Schweiz

In der Schweiz legen wir grossen Wert auf Qualität. Unsere Bauwerke weisen im internationalen Vergleich einen hohen Standard auf. Beton und Betonvorfabrikate tragen massgeblich dazu bei.

Dass Beton der meistverwendete Baustoff im Land ist, liegt auf der Hand. Das Naturprodukt besteht aus Sand, Wasser, Kies und Zement. Alles Elemente, die in der Schweiz in genügender Menge vorhanden sind. Mehr Made in Switzerland geht nicht.

Bei der Fabrikation von vorfabrizierten Betonprodukten werden je nach Verwendung verstärkende Elemente in die Betonprodukte eingearbeitet. Die Betonelementwerke in der Schweiz produzieren äusserst ressourcenschonend – dank der industriellen Fertigung der Betonvorfabrikate. Abfall gibt es fast keinen. Wenn ein Bauwerk zurückgebaut werden muss, sind die ursprünglich einmal verbauten Betonelemente vollständig rezyklierbar.

Die schweizerischen Betonelementwerke kennen den heimischen Baumarkt.
Kurze Wege zu Architekten und Ingenieuren ermöglichen es, schon im Planungsprozess gemeinsam gute Lösungen zu finden. Mit Just-in-time Lieferungen werden die vorfabrizierten Betonelemente auf die Baustelle geliefert – auch hier ist die Distanz kurz, da Betonelement zumeist in der Region der Baustelle produziert werden.

Treppen, Balkone, Liftschächte, Fassaden, Röhren, Stützen, Gartenelemente und viele weitere Produkte werden als Betonvorfabrikate aus der Schweiz für die Bauwerke in der Schweiz produziert und verbaut. Wohnungen, Büros, Industriegebäude, Brücken, Tunnels und vieles mehr benutzen wir jeden Tag. Ich freue mich immer wieder, funktionale und architektonisch wertvolle Betonbauten zu sehen und zu nutzen.

Ueli Büchi, Geschäftsführer der B-B-B.ch GmbH, Niederhasli, Projektleiter und Berater, ist seit 2018 Präsident von SwissBeton.

Projekt LIFT

Leistungsfähig durch individuelle Förderung und praktische Tätigkeit

Jugendliche mit einer erschwerten Ausgangslage den Start in das Berufsleben zu ermöglichen – darum kümmert sich das Projekt LIFT. Creabeton Matériaux ist ein regionaler Projektpartner.

Das Projekt ist ein Integrations- und Präventionsprogramm für Jugendliche am Übergang zwischen Volksschule und Berufsbildung. Die Teilnehmenden besuchen freiwillig in der unterrichtsfreien Zeit sogenannte Wochenarbeitsplätze in Betrieben der jeweiligen Region. Diese Kurzeinsätze von wöchentlich 2–3 Stunden sind ein guter Weg, den Jugendlichen niederschwellig eine Ausbildung zu ermöglichen. Creabeton Matériaux stellt jährlich zwei Wochenarbeitsplätze zur Verfügung – in der Verwaltung und in der Produktion. Mehr über das Projekt erfahren Sie im Video.

Durch das Projekt können wir Jugendliche aus der Region fördern – in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung.

Adrian Forrer, Geschäftsleiter Creabeton Matériaux AG
Tutorial

Bauen mit Betonelementen

Was macht das Bauen mit Betonelementen eigentlich so reizvoll? Nur drei Vorteile: unbegrenzte Formbarkeit der Elemente. Just-in-time-Produktion. Die ästhetische Qualität. Mehr Besonderheiten im Video.

Interview

Vorgefertigte Stützen als einzig sinnvolle Herangehensweise

Zürich hat ein neues Wahrzeichen: den Andreasturm; 80 Meter hoch, über 21 Stockwerke verteilt, eine Beauty aus Glas. Er ist ein Glanzstück punkto Architektur, Ingenieurwesen und Nachhaltigkeit. Thomas Rinas, Gesamtprojektleiter Andreasturm bei SBB Immobilien, gibt Einblick.

Thomas Rinas, der Andreasturm wurde mit dem «DGNB Platin»-Zertifikat der Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft ausgezeichnet. Was bedeutet das für Sie resp. die SBB Immobilien als Bauherrin?
Mit der Auszeichnung haben wir ein von Beginn der Projektentwicklung an konsequent verfolgtes Ziel erreicht: die Errichtung eines höchst nachhaltigen Gebäudes mit einem über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Nachhaltigkeitsniveau.

Gesamtprojektleiter Andreasturm:
Thomas Rinas, SBB Immobilien

Eine Besonderheit des Bauwerks ist die Vergrösserung der Stockwerksfläche ab dem 12. Stock. Was steckt dahinter?
Die Auskragung – wie auch die gesamte skulpturale Gestaltung des Gebäudes – resultieren aus der architektonischen Designidee von Gigon Guyer und führen zu einer Differenzierung in der Vertikalen. Im Innenraum führt die Auskragung zu schrägen Stützen, die dabei ein spannendes Gestaltungselement bilden.

Im Einsatz: 745 Stützen aus dunklem Beton; darunter aufwändige Spezialanfertigungen – entwickelt und hergestellt von SACAC, geliefert in gerade einmal fünf Monaten, just in time.

Eine ingenieurtechnische Herausforderung, die mit mehrgeschossigen, schrägen Spezialstützen aus vorgefertigten Betonelementen gelöst ist. Weshalb war das die richtige Lösung?
Die Bauingenieure von WaltGalmarini haben sich intensiv mit dem Tragwerk auseinandergesetzt. Aufgrund der hohen Lasten in einem Hochhaus, der speditiven Errichtung durch die Totalunternehmerin und der schrägen Geometrie des Gebäudes ist auch aus meiner Sicht eine Vorfertigung der Stützen die einzig sinnvolle Herangehensweise.

Wie beurteilen Sie den Einsatz der Vorfabrikate?
Gerade bei Elementen wie Stützen und Treppen ist eine Vorfertigung mit kontrollierten Bedingungen im Werk sinnvoll. Die Elemente lassen sich in hoher Qualität herstellen und werden dann «just-intime » vor Ort eingebaut. Voraussetzung sind eine gute Planung und Logistik. Transporte von Materialien können auf ein Minimum beschränkt werden, was wiederum der Nachhaltigkeit zugutekommt.

Was fasziniert Sie ausserdem am Andreasturm?
Das Bauwerk wurde mit vier Untergeschossen in Deckelbauweise errichtet – eine spannende und herausfordernde Bauweise. Die sechs Hauptlifte im Gebäude werden über eine gemeinsame Zielwahlsteuerung bedient und fahren mit drei Metern pro Sekunde angenehm schnell.

Kommentar

Die Herausforderungen annehmen

Ohne Beton kein Wohnen, kein Arbeiten, keinen Verkehr, keine Freizeitaktivitäten. Das sagt einer, der die Baubranche aus dem Effeff kennt: Ueli Büchi. Seit 2018 ist er Präsident vonSwissBeton.

Ueli Büchi, sind vorfabrizierte Betonelemente aus der Schweiz zukunftsfähig?
Die Industrie 4.0 hat die Baustellen längst erreicht und wird sie in Zukunft noch mehr prägen. Vorfabrizierte Betonelemente aus der Schweiz passen dank ihrer Natur geradezu ideal. Sie stehen für  kostenoptimierte Vorproduktion, Just-intime-Lieferungen und Wirtschaftlichkeit. Hinzu kommen kurze Transportwege, eine direkte, einfache Kommunikation, konkurrenzfähige Preise und das Vertrauen in einen Schweizer Partner, der Verantwortung übernimmt. Für Bauherren, Bauplaner und Bauleiter sind all dies entscheidende Punkte, die für Betonelemente aus der Schweiz sprechen.

Wie wird sich der Markt entwickeln?
Die Anforderungen der Bauherren und Ingenieure an ästhetische, zweckmässige, energetisch perfekte Produkte, die den Normen entsprechen und erst noch kostengünstig sind, werden uns respektive unsere Mitgliedfirmen herausfordern. Wir sind bereit, diese Herausforderungen anzunehmen und zu meistern – heute
und in Zukunft.

Ueli Büchi, Geschäftsführer der B-B-B.ch GmbH, Niederhasli, Projektleiter und Berater, ist seit 2018 Präsident von SwissBeton.

Wie haben Sie es geschafft?
Fundiertes Know-how, jahrelange Erfahrung und eine grosse Portion Neugier sind sehr gute Begleiter auf dem Weg zu solch massgeschneiderten Lösungen.

Wo sind Grenzen gesetzt?
Grenzen sind da, wo ein Risiko nicht kalkulierbar ist oder Beton respektive das Betonelement schlicht keinen Sinn macht. Ansonsten denken wir beim Elementwerk Istighofen bevorzugt in Lösungen. Wir sprechen von symbolischen 7206 Möglichkeiten und wollen damit aufzeigen, dass mehr möglich ist, als man bisweilen denkt. Schön, wenn Architekten unbeschwert mit ihren Ideen zu uns kommen, bevor sie sich allzu sehr den Kopf über die Machbarkeit zerbrechen. Wir lieben knifflige Aufgaben; je grösser  die Herausforderung, desto grösser der Ehrgeiz, eine sinnvolle Lösung zu finden.

Ich bin überzeugt, dass Betonelemente in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Kostengünstige Vorproduktion und die positiven Eigenschaften von Beton sprechen deutlich für die Produkte von SwissBeton.

Ueli Büchi, Präsident SwissBeton

Welches realisierte Projekt, bei dem Schweizer Betonelemente eingesetzt wurden, hat es Ihnen besonders angetan?
Da gibt es zahlreiche, auch unscheinbare: eine schöne Baumscheibe, elegante Perronkanten beim Bahnhof, ein schöner Treppenaufgang in einem Museum…

Welches Projekt würden Sie, wenn Sie frei wählen könnten, mit vorfabrizierten Elementen realisieren?
Die Sitzgelegenheiten und gestalteten Aufenthaltsräume im Rahmen des Projektes «Aufwertung Haslisee» in meiner Wohngemeide Niederhasli. Betonelemente wären prädestiniert und ein Mehrwert für alle Einwohner.

Wie bedeutend werden vorfabrizierte Betonelemente in Zukunft für den Markt Schweiz sein?
Ich bin überzeugt, dass Betonelemente in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Kostengünstige Vorproduktion und die positiven Eigenschaften von Beton sprechen deutlich für die Produkte von SwissBeton. Und welche Ziele haben Sie sich dabei als Präsident von SwissBeton gesetzt? Ich habe drei Schwerpunkt: Erstens möchte ich die Ausbildung stärken, zweitens im Bereich Kommunikation einen Schritt weiter gehen und so – als dritten Punkt – die Vorteile von Betonvorfabrikaten für die Kunden noch besser aufzeigen.

Interview

7206 (ungeahnte) Möglichkeiten

Vorfabrizierte Elemente aus Beton sollen starr und unflexibel sein? Das Gegenteil ist der Fall. Marlise Blaser, Inhaberin und Geschäftsführerin der Elementwerk Istighofen AG, und ihr Team beweisen dies immer wieder eindrücklich. Im Gespräch mit der «Chefin im Element».

Marlise Blaser, weshalb ist Beton Ihr Element?
Beton mag man oder man mag ihn nicht. Ich bin gleichsam verliebt – weil er so eigen ist und unglaublich viele Möglichkeiten bietet. Je nach Architekten- oder Bauherrenidee wird er als Element umgesetzt zum besonderen Blickfang an Fassaden, zum selbstbewussten Statement in einer Küche oder zum Gestaltungsmerkmal im Aussenraum – immer individuell. Mich reizt zudem, das vermeintlich «starre» Material und seine Machbarkeiten auszureizen.

Ein Beispiel?
Wir durften fürs Kirchenzentrum Ebikon den Glockenturm aus Betonelementen realisieren. Der «Turm», der an ein aufgeklapptes Buch erinnern soll, besteht aus 40 Elementplatten mit Öffnungen in Form von Franziskanerkreuzen. Jede Platte ist gerade mal 16 Millimeter dick. Wir haben noch nie vorher ein Element in dieser Dicke mit einem so hohen Lochanteil in CEMFOR® produziert.

Marlise Blaser Dipl. Bauingenieurin FH, NDS BWL

Wie haben Sie es geschafft?
Fundiertes Know-how, jahrelange Erfahrung und eine grosse Portion Neugier sind sehr gute Begleiter auf dem Weg zu solch massgeschneiderten Lösungen.

Wo sind Grenzen gesetzt?
Grenzen sind da, wo ein Risiko nicht kalkulierbar ist oder Beton respektive das Betonelement schlicht keinen Sinn macht. Ansonsten denken wir beim Elementwerk Istighofen bevorzugt in Lösungen. Wir sprechen von symbolischen 7206 Möglichkeiten und wollen damit aufzeigen, dass mehr möglich ist, als man bisweilen denkt. Schön, wenn Architekten unbeschwert mit ihren Ideen zu uns kommen, bevor sie sich allzu sehr den Kopf über die Machbarkeit zerbrechen. Wir lieben knifflige Aufgaben; je grösser  die Herausforderung, desto grösser der Ehrgeiz, eine sinnvolle Lösung zu finden.

Unsere Philosophie ist, so individuell wie möglich zu sein und auch Spezialwünsche zu erfüllen. Das geht nur mit Handarbeit.

Marlise Blaser, Inhaberin und Geschäftsleiterin Elementerwerk Istighofen AG

Der Blick in Ihre Produktion in Istighofen überrascht. Statt mit Maschinen wird hier von Hand gearbeitet …
Viel Maschine macht viel Rechteck. Unsere Philosophie ist, so individuell wie möglich zu sein und auch Spezialwünsche zu erfüllen. Das geht nur mit Handarbeit.

Sie setzen sich stark für den Produktionsstandort Schweiz ein. Weshalb?
Die Gründe sind vielfältig – und einfach: Wir – damit meine ich uns Betonelementhersteller genauso wie unsere Kollegen, die auf die Fertigung von Standardteilen spezialisiert sind – produzieren in hervorragender Qualität, sind termintreu, flexibel, schnell und ganz in der Nähe, wenn unsere Kundinnen und Kunden kurzfristig etwas brauchen. Das wohl Entscheidendste ist aber: Wir übernehmen Verantwortung.

16 Millimeter dünnes Betonelement mit Öffnungen in der Form von Franziskanerkreuzen.
Interview

«Trotzdem ist Handarbeit nötig …»

Die Digitalisierung ist unser ständiger Begleiter, und Roboter gehören je länger je mehr zum Arbeitsalltag. Neu auch in der Herstellung von Betonfertigelementen. Doch ist auf die Helfer wirklich Verlass? Einer, der diese Thematik sehr ernst nimmt, ist Markus Hirschi. Wir haben dem Roboterbesitzer und Branchenpionier den Puls gefühlt.

Markus Hirschi, Sie haben einen von weltweit drei für die Vorfabrikation modifizierten 7D-Industrierobotern im Einsatz. Erzählen Sie …
Unser MODELLIT-Roboter «Specht» eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Mit den speziell entwickelten Werkzeugen und der Software arbeitet er absolut zuverlässig, ist 24/7 ohne Pause einsetzbar und an Genauigkeit kaum zu übertreffen.

Und was fasziniert Sie ganz besonders?
Der kurze Weg. Der Fräsroboter schafft sehr komplexe, filigrane, organische Strukturen in kürzester Zeit und ohne unnötige Zwischenschritte. Wir gelangen also fast direkt von der Idee zur Schalung und sparen damit Zeit und Kosten. Der Roboter ist ein Pionierprojekt in der Herstellung von Betonfertigelementen.

Markus Hirschi, Inhaber und Geschäftsführer der Filigran Bauelemente AG, ist stolzer Besitzer von einem der weltweit drei Filigran-Fräsrobotern dieser Art.

Ein erstes Zwischenfazit?
Die Anschaffungskosten waren extrem hoch, die Einarbeitungszeit anspruchsvoll und es fehlte uns an Daten und Personal, denn das Projekt vereint Maschinen- und Bauindustrie auch in der Bedienung. Dazu kommt, dass auf dem Bau viele noch nicht so weit sind, trotz omnipräsenter Digitalisierung. Viele Planer zeichnen zwar schon in 3D, die vorhandenen Daten sind jedoch für die Roboterproduktion oft ungenügend und müssen in den meisten Fällen neu gezeichnet und aufbereitet werden. Wir brauchen Geduld, aber die Fortschritte zeigen sich bereits. Das macht Freude.

Blick ins Jahr 2030: Sind in der Produktion von Betonfertigelementen vielleicht nur noch Roboter im Einsatz?
Wahrscheinlich nicht. Trotz der vielen Vorteile, die der Roboter mit sich bringt, ist noch immer sehr viel Handarbeit erforderlich. Da wir fast nur Einzelstücke herstellen, ist der Einsatz von Robotertechnologie nur in bestimmten Bereichen möglich. Aber die Technologie entwickelt sich rasant, dadurch werden wohl Möglichkeiten geschaffen, an die wir heute noch gar nicht denken. 

Wissen

Schweizer Unternehmergeist
Geht es darum, Neues auszuprobieren, sind KMU ganz vorne mit dabei. So auch die Filigran AG, deren Kerngeschäft die Produktion von Spezialitäten (nicht Grossserien) ist. In der bauintensiven Schweiz ziehen sie als Erste die Robotik-Digitalisierung durch. Und das obwohl Innovationen meist nicht exakt im Voraus berechnet werden können.

Ein kleiner «Wunderknabe», der bereits bei diversen Projekten überzeugte. Der MODELLIT-Filigran-Fräsroboter.
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