Vorteile der Vorfabrikation

Höhere Qualität, kleineres Sicherheitsrisiko

Wer kennt die Vorteile der Betonvorfabrikation besser als unsere direkten Abnehmer:innen? Matthieu Meyer ist Leiter Direktion Einkauf bei der Immobilienentwicklerin und Totalunternehmung Losinger Marazzi mit Sitz in Bern. Im Interview erzählt er, welche positiven Attribute er mit Betonfertigteilen verbindet und wie man aus seiner Sicht den CO2-Fussabdruck von Beton weiter verringern könnte.

Matthieu Meyer, wenn Sie ein Projekt planen, werden vorfabrizierte Betonelemente automatisch in Betracht gezogen?
Ja, wenn die Struktur des Gebäudes aus Beton geplant ist, werden bestimmte Elemente systematisch als vorfabrizierte Betonelemente eingeplant. Zum Beispiel Stützen, Treppen, Doppelwände oder Fassaden.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile der Vorproduktion im Bereich Beton?
Die Verwendung von Betonfertigteilen minimiert das Sicherheitsrisiko auf den Baustellen, weil sich nicht zu viele Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle befinden. Dazu kommt: Die Qualität von vorgefertigten Betonelementen ist höher als beim Ortbeton, weil die Elemente unter kontrollierten Bedingungen im Werk hergestellt wurden. Das ermöglicht uns in manchen Fällen, besondere architektonische Anforderungen zu erfüllen. Und schliesslich ermöglicht uns die Vorfabrikation eine bessere Einhaltung der Terminpläne und der damit verbundenen Kosten.

Die Erneuerung des Spenglerparks in Münchenstein BL umfasste die Aufstockung des bestehenden Baus um zwei neuer Geschosse sowie die Totalsanierung des Bestandes. Dabei wurden diverse vorfabrizierte Betonelemente in die bestehende Tragstruktur eingebaut.

Nutzten Sie Betonfertigteile auch bei Infrastrukturbauten?
Aus Gründen der Dichtigkeitsklasse und der Garantie verwenden wir in der Infrastruktur unserer Gebäude nur sehr wenige vorgefertigte Elemente. Wir verwenden diese insbesondere bei Komponenten, die mit dem Baugrund in Berührung kommen.

Gibt es ein aktuelles Projekt, bei dem Sie Betonvorfabrikate einsetzen, und was daran finden Sie besonders gelungen?
Die Verwendung von Betonfertigteilen beim Stadterneuerungsprojekt Spenglerpark in Münchenstein ermöglichte es uns, mit den Herausforderungen eines bestehenden Gebäudes umzugehen. Ein weiteres Projekt ist der Neubau der Post in Delémont, das ebenfalls bereits an den Bauherrn übergeben wurde und bei dem eine grosse Anzahl von Betonfertigteilen eingesetzt wurde. Hier ging es insbesondere darum, den Anforderungen des Architekten und des Bauherrn hinsichtlich des Terminplans und der Qualität gerecht zu werden, gerade auch, weil die ganze Fassade aus Betonfertigteilen besteht.

Wie wichtig ist es für Sie als Unternehmen, dass Rohstoffe regional produziert werden?
Sehr wichtig. Als verantwortungsbewusstes Unternehmen hinsichtlich der ESG-Nachhaltigkeitskriterien, steht bei uns zunächst die richtige Materialwahl im Vordergrund. Wir bevorzugen dabei die Verwendung von lokalen Rohstoffen, und berücksichtigen dies bereits in der Planungsphase unserer Projekte. Lokale Rohstoffe verringern die Transportauswirkungen auf die CO2-Bilanz beträchtlich. Wird der Baustoff Beton aus technischen Gründen gewählt, dann ist uns auch hier wichtig, dass für die Herstellung, insbesondere bei der Auswahl der Granulate für die Fertigteilfassaden, regionale Produkte zum Einsatz kommen.

Beim Neubau der Post in Delémont JU kommen vorfabrizierte Fassadenelemente aus Beton zum Einsatz.

Würden Sie Betonvorfabrikate als regionales Produkt bezeichnen?
Dies hängt sehr von der Art der vorgefertigten Elemente und den Anforderungen innerhalb eines spezifischen Projekts ab. Leider ist es nicht immer möglich, einen lokalen Partner zu finden.

Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion ist Beton bisher eher verpönt. Wie könnte man dieses Image aufbessern?
Seit 2021 messen wir den CO2-Ausstoss von allen in unseren Projekten eingesetzten Materialien. Beton fällt hier schwer ins Gewicht, weil er Zement beinhaltet. Darum versuchen wir aktuell in einem ersten Schritt, gemeinsam mit unseren Partnerlieferanten, zuverlässige, zertifizierte Daten über den CO2-Ausstoss von Beton zu erhalten. Hier fehlt es derzeit an vielen Orten noch an der Transparenz. Andererseits sind wir aktiv daran, die Branche zu pushen, um den CO2-Fussabdruck von Beton zu verbessern. Dementsprechend sind wir sehr offen für innovative Produkte, die es ja auch zum Teil schon gibt. Letztlich gilt auch, dass wir den Betonverbrauch möglichst auf die Bereiche konzentrieren, in denen das Material wirklich notwendig ist.

Gibt es andere Anwendungen, wo Betonelemente zur Nachhaltigkeit eines Baus beitragen können?
Aus unserer Erfahrung gibt es zwei mögliche Anwendungen. In Bestandsbauten geht es zunächst darum, die bestehenden Strukturen zu erhalten und zum Beispiel durch eine Aufstockung oder einen Anbau zu verdichten. Hier gibt es interessante technische Lösungen, um bestehende Betonstrukturen in Parkplätzen als Wärmespeicher zu nutzen. Im Neubau ist es aus unserer Sicht derzeit nicht sinnvoll, aktiv mehr Beton zu verbauen, um eine höhere thermische Masse zu erzielen oder um diesen als Energiespeicher zu nutzen. Unser Ziel bleibt, die aus statischer Sicht notwendige Betonmenge einzusetzen.

«Beton bleibt ein hervorragendes Material, das eine hohe Festigkeit, eine einfache Verarbeitung und einen klaren wirtschaftlichen Vorteil bietet.»

Matthieu Meyer

Wie geht die Firma Losinger Marazzi mit dem Thema Recycling um?
Bei Losinger Marazzi streben wir schon seit vielen Jahren eine maximale Nutzung von Recycling-Betongranulat an. So wird zum Beispiel auf der Baustelle Quai Vernets Abbruchmaterial direkt vor Ort in die neue Betonmischung eingearbeitet. Derzeit untersuchen wir zudem die Machbarkeit der direkten Wiederverwendung von Betonelementen, konnten hier aber noch keine Projekte umsetzen. Aber wir haben beispielsweise beim Projekt Burgernziel in Bern mit dem Start-up Neustark zusammengearbeitet. Das Unternehmen entfernt mit seiner Technologie CO2 aus der Atmosphäre und speichert dieses in recyceltem Betongranulat.

Wie sehen Sie die Zukunft des Baustoffs Beton?
Was den CO2-Fussabdruck von Beton betrifft, müssen wir alle unsere Anstrengungen vereinen, um seine Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Hier sind wir daran, Innovationen zu testen und sind bereit, diese mit unseren Projektpartnern umzusetzen. Beton bleibt ein hervorragendes Material, das eine hohe Festigkeit, eine einfache Verarbeitung und einen klaren wirtschaftlichen Vorteil bietet. Ausserdem haben wir in der Schweiz im Bereich Beton eine grosse industrielle Produktionskapazität und eine starke lokale Vernetzung. Deswegen wird sicherlich Beton auch in Zukunft als Baustoff eingesetzt werden.

Matthieu Meyer ist Leiter Direktion Einkauf bei der Immobilienentwicklerin und Totalunternehmung Losinger Marazzi AG.
Vorteile der Vorfabrikation

Verkürzte Bauzeit, geringere Baukosten

Wer kennt die Vorteile der Betonvorfabrikation besser als unsere direkten Abnehmer:innen? Simon Gemperle ist Lead Buyer für Betonelemente bei der Implenia Schweiz AG mit Sitz in Opfikon ZH. Im Interview erzählt er, warum er nicht auf den Einsatz von Betonfertigteilen verzichten möchte und wie sie aus seiner Sicht zu mehr Nachhaltigkeit im Betonbau beitragen könnten.

Simon Gemperle, wenn Sie ein Projekt planen, werden vorfabrizierte Betonelemente automatisch in Betracht gezogen?
Grundsätzlich prüfen wir bei jedem Projekt einen möglichen Einsatz von Betonfertigteilen. Ich beobachte jedoch, dass in der Schweiz das volle Potenzial dieser Elemente noch nicht ausgenutzt und in vielen Bereichen die Ortbetonbauvariante vorgezogen wird. Die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Elementen wird nicht zuletzt vom Architektur- oder Ingenieurbüro des jeweiligen Projektes beeinflusst. Ich persönlich bin überzeugt, dass der Einsatz von Elementen in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird.

Warum?
Der Einsatz von vorfabrizierten Betonelementen kann bereits heute dazu beitragen, die Bauzeit zu verkürzen und die Kosten zu optimieren. Zusätzlich können durch eine werkseitige Qualitätskontrolle mögliche Mängel frühzeitig erkannt und behoben werden, was zu einem reibungslosen Bauablauf beiträgt. Im Übrigen bietet der Einsatz dieser Elemente neben der verlässlichen Qualität Vorteile wie eine geringere Abhängigkeit von Witterungsbedingungen auf der Baustelle und eine zuverlässigere Überwachung der Baukosten.

In welchen Bereichen sind vorfabrizierte Betonelemente unersetzlich?
Elemente können grundsätzlich immer auch in Ortbeton hergestellt oder durch ein anderes Material ersetzt werden. Bei Projekten im Infrastruktur- oder im Tunnelbau bieten industriell vorfabrizierte Betonelemente jedoch die bereits erwähnten, signifikanten Vorteile.

Simon Gemperle ist Lead Buyer für Betonelemente bei der Implenia Schweiz AG.

Warum nutzten Sie Betonfertigteile auch bei Infrastrukturbauten?
Bei Infrastrukturprojekten herrscht meist grosser Zeitdruck. Bei Strassenbauprojekten etwa wird oft der Verkehrsfluss beeinträchtigt. Vorgefertigte Betonelemente, die just-in-time auf die Baustelle geliefert werden, können dazu beitragen, dass Sperrungen verkürzt oder ganz vermieden werden.

Gibt es ein aktuelles Projekt, bei dem Sie Betonvorfabrikate einsetzen, und was daran finden Sie sehr gelungen?
Betonvorfabrikate kommen in irgendeiner Form bei nahezu all unseren Projekten zum Einsatz. Ein konkretes Beispiel ist das Projekt Brenner Basistunnel, wo wir die Tunnelwände mit vorgefertigten Tübbingen auskleiden, die wir in einem Werk direkt auf dem Baustellenareal passgenau und umweltfreundlich herstellen.

Wie wichtig ist für Sie als Unternehmen, dass die Rohstoffe, die Sie verwenden, regional produziert werden?
Wir versuchen, die Transportwege so kurz wie möglich zu halten. Das kommt der Umwelt zugute und stärkt gleichzeitig die lokale Wirtschaft. Für Implenia hat das Thema Nachhaltigkeit einen sehr hohen Stellenwert – als einer unserer fünf Unternehmenswerte ist Nachhaltigkeit seit 2009 fest in unserer Kultur verankert. Unser Anspruch ist es, das Thema gesamtheitlich zu denken und in allen Dimensionen – Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft – führend zu sein.

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Die Tübbinge für den neuen Brenner Basistunnel werden direkt vor Ort vorfabriziert.

Würden Sie Betonvorfabrikate als regionale Produkte bezeichnen?
Wir kaufen generell und wo immer möglich Betonvorfabrikate regional ein beziehungsweise stellen sie sogar wie beim Projekt Brenner Basistunnel direkt auf dem Baustellengelände her. Nur bei sehr grossen und komplexen Elementen werden zum Teil auch längere Distanzen zu den Elementwerken erforderlich.

Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion ist Beton bisher eher verpönt. Wie könnte man dieses Image aufbessern?
Bei der Beurteilung der CO2-Bilanz von Beton ist es wichtig, den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen. Dieser schliesst neben der Produktion auch die Förderung von Rohstoffen, den Transport, die Verarbeitung, die – zum Teil sehr lange – Nutzung oder die Wiederverwertung ein. Durch die Verwendung von Recyclingbeton können Emissionen gesenkt werden, insbesondere wenn diese wie einleitend beschrieben den ganzen Lebenszyklus umfassen.

Gibt es andere Anwendungen, wo Betonelemente zur Nachhaltigkeit eines Baus beitragen können?
Betonelemente können in verschiedenen Bereichen zur Nachhaltigkeit eines Baus beitragen. In Fassaden oder Böden etwa können sie so gestaltet werden, dass sie Sonnenenergie absorbieren und speichern. Die so entstandene Wärme wird dann im Lauf des Tages langsam freigesetzt, um die Innentemperatur zu regulieren und den Energiebedarf für die Heizung zu reduzieren. Ich denke in diesem Zusammenhang auch an thermische Massenspeicherung oder Wärmerückgewinnung, natürlich immer auch in Hinblick auf einen möglichen Überhitzungseffekt.  

«Aufgrund seiner Haltbarkeit, Festigkeit und seinen vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten wird Beton auch in Zukunft aus der Bauindustrie nicht wegzudenken sein.»

Simon Gemperle

Wie geht die Implenia mit dem Thema Recyling um? Und werden zum Beispiel Elemente aus Abbruchgebäuden wiederverwendet?
Wir stellen fest, dass gebrauchte Betonelemente normalerweise nicht wiederverwendet werden können. Implenia setzt aber wo immer möglich auf Recycling und die Kreislaufwirtschaft und hat 2021 auf einem Industriegelände in der Genfer Gemeinde Satigny eine Plattform zur Aufbereitung von Aushub- und Rückbaumaterialien errichtet. Die aufbereiteten Gesteinskörnungen stehen dann zur Herstellung von Recyclingbeton bereit.

Wie sehen Sie die Zukunft des Baustoffs Beton?
Ich sehe eine Kombination von Tradition und Innovation: Aufgrund seiner Haltbarkeit, Festigkeit und seinen vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten wird Beton auch in Zukunft aus der Bauindustrie nicht wegzudenken sein. Die Forschung zu diesem Baustoff läuft auf Hochtouren und neue Technologien wie etwa vorfabrizierte Elemente aus ultrahochfestem Beton oder die Herstellung von Betonelementen im 3D-Druckverfahren könnten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Implenia betreibt seit 2021 ein Werk zur Aufbereitung von Aushub- und Rückbaumaterialien im Kanton Genf.

Ein besonders langes Leben

Was aus Beton gebaut ist, hält – sehr lange. Kaum ein anderer Baustoff verfügt über eine solch verlässliche Dauerhaftigkeit. Die Langlebigkeit ist, wenn es um nachhaltiges Bauen geht, ein überaus geschätztes Kriterium. Und gerade hier haben vorfabrizierte Betonelemente einen besonderen Vorteil: Sie können auch bei einem Gebäudeabbruch 1:1 einer neuen Verwendung zugeführt werden.

Der beste Beweis für die Langlebigkeit von Beton ist die Leichtbeton-Kuppel des Pantheons in Rom. Sie wurde zwischen 100 und 125 n.Chr. erbaut und steht heute noch. «Für mich ist es eine Meisterleistung der Menschheit, dass sie vor über 2000 Jahren das Geheimnis des Betons entdeckte», sagt Adrian Forrer. Er leitet den Bereich Nachhaltigkeit der MÜLLER-STEINAG Gruppe und verfügt als Geologe über einen naturwissenschaftlichen Hintergrund: «Als Geologe lernte ich viele Fremdwörter. So kann man Beton im Geologen-Jargon auch als anthropogenes Gestein bezeichnen. Ein Gestein, das vom Menschen gemacht wurde.» Adrian Forrer war schon immer beeindruckt vom Rezept des Betons: «Mir imponiert seine natürliche Zusammensetzung aus weltweit verfügbaren mineralischen Rohstoffen Sand, Kies, Mergel und Kalk sowie aus Wasser.» Diese Zusammensetzung bringt ein Material mit enormen mechanischen und physikalischen Eigenschaften hervor. Dazu gehört, dass Beton besonders lange hält.

Die Lebensdauer nutzen
Beton steht in der Kritik. Besonders, weil für die Herstellung des Bindemittels Zement viel CO2 ausgestossen wird. Die Emissionen relativieren sich allerdings mit den Anzahl Jahren, in denen ein Betonbau genutzt wird. Leider wird dem aber in der gängigen Praxis nicht immer Rechnung getragen. Besonders im Hochbau wird gute Bausubstanz oft ohne Not abgebrochen und durch Neubauten ersetzt. Dadurch geht die ganze Energie, die für den Bau aufgewendet wurde, verloren. Der Abriss und der Neubau verzehren weitere Energie.

Sanierung statt Abriss
Weit geringer ist der Energieaufwand bei der Sanierung eines Gebäudes oder dessen architektonischer Ergänzung. Enormes Potenzial für die Einsparung von CO2: «Kann ein Gebäude umgenutzt statt abgerissen werden, so ist der Beitrag zur Nachhaltigkeit fast immer optimal. Ein gutes Beispiel dafür ist das Felix Blatter Spital in Basel, dass zu einem Wohnblock umgenutzt und nicht, wie ursprünglich geplant, abgerissen wurde.»

Bauten, die technisch ihren Anforderungen genügen, sollten eine zweite Chance erhalten, davon ist Adrian Forrer überzeugt. An der ETH in Zürich wird aktuell am Thema regenerative Architektur geforscht und damit ein altes Credo neu aufgegriffen: Bestehendes möglichst lange nutzen. «Es findet ein Umdenken statt, auch in unserer Branche», sagt Adrian Forrer. «Viele Produzenten von vorfabrizierten Betonelementen arbeiten mit den Forschungsabteilungen der Hochschulen zusammen, um neue Lösungen voranzutreiben.»

«Kann ein Gebäude umgenutzt statt abgerissen werden, so ist der Beitrag zur Umweltleistung fast immer optimal.»

Adrian Forrer, Leiter Nachhaltigkeit, MÜLLER-STEINAG Gruppe

Beton bleibt im Kreislauf
Ein Ansatz dabei ist das Recycling von bestehendem Baumaterial. Wird ein Gebäude abgerissen, sollen bestehende Betonelemente wiederverwendet werden. Wie etwa bei der umfassenden Sanierung eines Bürogebäudes an der Müllerstrase in Zürich. Die Liegenschaft wird aktuell bis auf die Betontragstruktur vollständig rückgebaut. Dabei werden alle Elemente und Materialen katalogisiert und wo immer möglich wiederverwertet (siehe auch Artikel von Beton Suisse).

Ist die Wiederverwendung eines Elements nicht möglich, gibt es eine weitere Option. Beton kann als Granulat aufbereitet und als Betonzuschlagstoff wieder zum Einsatz kommen. «Beton ist unsterblich», sagt Adrian Forrer. «Da seine Zusammensetzung absolut mineralisch ist, kann er selbst am Ende eines mehrfachen Recyclingprozesses als Gesteinskörnung wieder der Natur übergeben werden.»

Langlebige Seeufgergestaltung

Die Promenade am Utoquai in Zürich gehört zu den schönsten und beliebtesten Orten der Schweiz. Die vielbegangene Flaniermeile zwischen dem Bellevue und dem Seefeldquai bietet einen wunderbaren Ausblick über den Zürichsee und in die Altstadt. 1971 wurde die aktuelle Seepromenade fertiggestellt. Seit über 50 Jahren also prägen die damals verbauten Betonelemente das Seeufer. Die Elemente stammen von der Zürcher Firma Stüssi AG. Insgesamt 645 Elemente mit einem Gesamtgewicht von 3800 Tonnen: Abdeckplatten, Tauchwandelemente, Trittelemente Sitzbankelemente und Elemente für die Blumenbeete. Der mobile Kran für die Montage, der für die Setzung der vorfabrizierten Abdeckplatten genutzt wurde, wurde nach dem Bau auf dem Werkhof der Firma Stüssi in Dällikon ZH installiert und verrichtet dort seither zuverlässig seinen Dienst.

Langzeitbelastung bestanden

Das Autobahnviadukt Meggenhus ist ein wichtiges Stück A1 zwischen St.Gallen und dem Bodensee. In den 1970er-Jahren entstand hier für jede Fahrrichtung eine separate Brücke. Die Brücken wurden mit Betonelementen der saw gruppe gebaut. Das Werk der saw gruppe befindet sich in Widnau im St.Galler Rheintal nur rund 25 Kilometer vom Autobahnkreuz entfernt. Seit der Eröffnung der Autobahn vor 50 Jahren rollten unzählige Autos und Lastwagen über das Autobahnviadukt Meggenhus.

Klimafreundlicher Beton

Geniale Lösung: CO₂ in Beton speichern

Beim CO₂-Fussabdruck hat Beton keinen guten Ruf. Der Baustoff ist für sieben Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Was aber wäre, wenn Beton zur Bewältigung der Klimakrise beitragen könnte? Durch die Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre und seiner Speicherung in Recyclingbeton zeigt das Unternehmen Neustark, wie die Betonbranche Teil der Lösung werden kann.

Valentin Gutknecht (links) und Johannes Tiefenthaler gründeten zusammen die Firma Neustark.

An der ETH forschte Johannes Tiefenthaler an Möglichkeiten, wie man CO₂ speichern kann, anstatt es in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Die gleiche Vision verfolgte Valentin Gutknecht, der einen wirtschaftlichen Hintergrund hat und zuvor bei Climeworks arbeitete. Über einen gemeinsamen Kontakt trafen sich die beiden – die Idee für Neustark war geboren.
Schnell war für die Gründer klar, dass der Baustoff Beton ihr CO₂-Speicher werden soll. «Beton war für unser Vorhaben der ideale Träger», sagt Valentin Gutknecht, der das Unternehmen heute als Co-CEO mitleitet. «Das Bruchmaterial aus dem Rückbau ist der grösste Abfallberg weltweit. Zudem ist die Produktionskette für Recyclingbeton bereits etabliert. So kann unsere Technologie einem bestehenden Prozess hinzugefügt werden.»

«Wir bringen das CO₂ in seine Urform zurück und schliessen damit einen Kreislauf.»

CO2 in Kalkstein verwandeln

Zusätzlich von Bedeutung war, dass sich Beton auch in der chemischen Zusammensetzung für die CO2-Speicherung eignet. CO2 verwandelt sich, wenn es in Kontakt damit kommt, in Kalkstein und kann so dauerhaft gespeichert werden. «Die Mineralisierung von CO₂ ist die permanenteste Form von CO2-Speicherung», sagt Valentin Gutknecht. «Auch Zement wurde ursprünglich aus Kalkstein produziert. Wir bringen das Kohlendioxid also in seine Urform zurück und schliessen damit einen Kreislauf.»
An das CO2 gelangen die Jungunternehmer bei bestehenden Biogasanlagen. «Wenn die Biomasse vergärt, entsteht CO2, das in die Luft gelangt», erklärt Valentin Gutknecht. «Wir setzen quasi eine Kappe auf den Kamin und saugen das Gas ab, komprimieren und kühlen es, so dass es verflüssigt. So können wir es zu den Betonrecyclingunternehmen transportieren.» Dort angekommen wird das flüssige Kohlendioxid mit der von Neustark entwickelten patentierten Technologie dem Betonrückbaumaterial zugefügt und mineralisiert.

Grosses Potenzial für Netto-Null-Ziel

Mit seiner Methode kann Neustark rund 10 Kilogramm CO2 in einem Kubikmeter Beton speichern. Um diese Zahl einzuordnen, macht Valentin Gutknecht ein Rechenbeispiel: Aktuell produzieren wir in der Schweiz 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das Bundesamt für Umwelt geht davon aus, dass wir es bis 2050 schaffen, die Emissionen um rund 90 Prozent zu reduzieren. Das Ziel bleibt aber Null Emissionen. Gemäss Valentin Neustark kommen wir also nicht darum herum, einen Teil des Kohlendioxids einzulagern. «Wenn wir unsere Technologie konsequent anwenden, könnten wir bis 2050 bis zu einer Million Tonnen davon im Beton mineralisieren», sagt Gutknecht.
Wie aber verhält sich der CO2-Beton in der Anwendung im Vergleich zur herkömmlichen Mischung? Valentin Gutknecht betont, dass in Sachen Qualität und Konformität keine Kompromisse gemacht werden müssen. Im Gegenteil: «Der Kalkstein aus dem CO2 entsteht im Produktionsprozess dort, wo es Platz hat, sprich in den Zwischenräumen und den Poren des Gesteins. Das heisst, der neu entstandene Beton besteht aus sehr dichtem Material und somit eher druckfester als herkömmlicher Beton.»

«Grundsätzlich kann jeder Betrieb, der Recyclingbeton einsetzt, die Technologie nutzen.»

Auch für Produzenten von Betonelementen interessant

Seit der Gründung des Unternehmens 2019 hat Neustark bereits Anlagen an sieben Produktionsstätten verkauft, die im Verlauf des Jahres in Betrieb gehen. Diese sind über die ganze Schweiz verteilt, konzentrieren sich aber aktuell noch auf die Ballungszentren. Auch Hersteller von vorfabrizierten Betonelementen könnten auf diese Technologie setzen, ist Valentin Gutknecht überzeugt: «Grundsätzlich kann jeder Betrieb, der mit Recyclingbeton arbeitet, unsere Technologie nutzen. Unternehmen, die aufgrund eines kleinen Materialverbrauchs selbst kein Rückbaumaterial verarbeiten, können trotzdem mit uns Kontakt aufnehmen. Wir vernetzen sie mit dem nächstgelegenen Recyclingbetrieb.»

«Wir möchten die gesamte Baustoffbranche einladen, Teil der Lösung zu werden.»

Valentin Gutknecht, Co-CEO Neustark

CO2-neutraler Beton bis 2025

Wegen der steigenden Nachfrage sind mittlerweile 15 Mitarbeitende bei Neustark beschäftigt. Bereits ist die Entwicklung einer zweiten Technologie zur Mineralisierung von CO2 im Gang, die es dem Unternehmen ermöglichen soll, bis 2025 einen CO2-neutralen Beton herzustellen. «Unsere Vision ist, den Beton vom Teil des Problems zum Teil der Lösung zu machen. Wir haben etwas Handfestes, das funktioniert. Darum möchten wir die gesamte Baustoffbranche einladen, mit uns zusammenzuarbeiten und Teil dieser Lösung zu werden.»

Produkte möglichst lange Nutzen

Es lebe die Langlebigkeit

Weitergeben, Wiederverwerten, Reparieren: das sind Aspekte der Kreislaufwirtschaft. In ihr werden Produkte und Materialien möglichst lange in Umlauf gehalten. Was noch zu gebrauchen ist, erhält ein neues Leben. Für die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Baubranche wird ein solcher Produktionskreislauf zum wichtigen Zukunftsfaktor.

Wegwerfen ist out. Das gilt bei weitem nicht nur für Elektronik, Kleider oder Möbel. Auch die Bauwirtschaft sorgt in verschiedenen Bereichen dafür, dass die Ressourcen wieder und wieder genutzt werden. Dadurch sparen wir primäre Rohstoffe und es entsteht weniger Abfall. Der Experte beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) bestätigt den Trend zu mehr Nachhaltigkeit beim Bau: «Das Thema gewann in den letzten Jahren in der Bauwirtschaft enorm an Fahrt, allerdings vor allem auf konzeptioneller Ebene», sagt Dr. David Hiltbrunner. Der Geograf befasst sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BAFU mit dem Thema Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Im Bundesamt will man nun das Thema von der konzeptionellen Ebene «auf den Boden bringen», wie Hiltbrunner sagt. Man nutze die wachsende Bereitschaft der Unternehmen. «Die Baumaterialhersteller merken, dass sie sich im Bereich Nachhaltigkeit neu positionieren müssen. Die Kreislaufwirtschaft zieht als Verkaufsargument. Entsprechend wird das Engagement in diese Richtung verstärkt und auch kommunikativ genutzt», stellt der Experte fest und erklärt weiter: «Die Betonindustrie leidet stark unter dem Image, eine Klimasünderin zu sein. Deshalb kommt die Kreislaufwirtschaft für die Beton- und Zementhersteller wie gerufen. Hier setzen sie sich ein und können echte Produktionsalternativen bieten.»

Eile mit Weile

Der im Dezember 2021 publizierte «Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft» zeigt auf, dass sich hierzulande noch nicht so viele Unternehmen in diese Richtung weiterentwickeln. Gemäss der Studie, die Forscher der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich durchführten, haben hierzulande erst zehn Prozent der Unternehmen substanziell Massnahmen ergriffen, um die Kreislaufwirtschaft auf Unternehmensebene umzusetzen. Das heisst: Sie engagieren sich darin, weniger Abfall zu produzieren, bessere, langlebigere Produkte herzustellen und bessere Reparaturserviceleistungen anzubieten. Viele Firmen warteten noch ab, um von den Erfahrungen der «First Mover» zu profitieren, sagt Professor Tobias Stucki, Co-Leiter des Instituts für Sustainable Business an der Berner Fachhochschule. Er nennt weitere Gründe für den langsamen Fortschritt: «Die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft braucht seine Zeit. Etablierte Unternehmen müssen bestehende Prozesse, Produkte und Organisationen verändern, was unter Umständen länger dauern kann. Im Gegensatz dazu
kann ein Start-up von Anfang an ein Geschäftsmodell aufbauen, das auf einer Kreislaufwirtschaft beruht.»

Ressourcen-Mangel zwingt zum Umdenken

Wie so oft werden Entwicklungen beschleunigt, wenn eine gewisse Not herrscht. Zum Beispiel wird es in der Schweiz immer schwieriger, den Rohstoff Kies zu gewinnen. Das Land ist dicht bebaut, es ist nicht einfach, an neue Kiesreserven heranzukommen. Gleichzeitig wird der Platz auf Deponien knapp, um alte Baustoffe zu entsorgen. «Hier sorgt die Kreislaufwirtschaft für eine klare Win-win-Situation», ist David Hiltbrunner vom BAFU überzeugt.
Fernziel der Kreislaufwirtschaft ist es, dass Unternehmen überhaupt keinen Abfall mehr produzieren und sich der Kreis somit ganz schliesst. Mit der längeren Nutzung von bestehenden Bauten wäre allerdings auch schon viel getan. Dessen sei man sich oft zu wenig bewusst, findet David Hiltbrunner: «Wir müssen besser auf die Langlebigkeit von Beton hinweisen. Wenn diese ausgenutzt wird, ist das ein wird das zum grossen ökologischen Pluspunkt für diese Bauten.»

Das schlummernde Rohstofflager weiternutzen

Gute Beispiele gibt es bereits. Auch im Bereich der Betonvorfabrikate. So zeigte etwa eine Studie der Stadt Zürich, dass die vorgemauerten Zwischenwände und die vorfabrizierten Betondecken von den alten Triemli-Hochhäusern in Zürich an einem anderen Ort gebraucht werden können. In einem Vorreiterprojekt sollen diese nun beim neuen Recyclingcenter Juch Areal wieder zum Einsatz kommen. Ein weiteres Beispiel steht in Basel. Dort wurde kürzlich ein grosses Silogebäude aus Beton in einen neuen Ort mit viel Leben umgewandelt. Das Silo Erlenmatt behielt den ursprünglichen Charakter – und ist heute als trendiges Hostel mit Gastronomie und Projekträumen voller Leben.

Es lohnt sich auch finanziell

Professor Tobias Stucki von der Berner Fachhochschule ist sicher, dass sich Investitionen in die Kreislaufwirtschaft auch langfristig lohnen: «Einerseits geht es um eine effiziente Ressourcennutzung. Und mit einer solchen lassen sich Kosten sparen. Dazu kommt, dass sowohl der politische als auch der Druck von Konsumentinnen und Konsumenten steigen wird. Irgendwann werden Unternehmen, die sich nicht zirkulär ausrichten, ihre Produkte nicht mehr verkaufen können.»

Vom Saulus zum Paulus?

Der Baustoff Beton kann theoretisch grosse Mengen an CO₂ binden. Das Verfahren dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Das Spin-off der ETH Zürich Neustark ist vielversprechend unterwegs. Die Forscher des Start-ups haben ein Verfahren entwickelt, bei dem CO2 aus der Atmosphäre entfernt und es dauerhaft in recyceltem Beton speichert. Heute wird erst ein kleiner Teil dieses Potenzials ausgeschöpft: «Im Beton könnten 60 Prozent der Emissionen gebunden werden», sagt David Hiltbrunner vom Bundesamt für Umwelt. «Heute sind wir hier erst im einstelligen Bereich. Es gibt also noch viel Luft nach oben.»

Drei Pioniere der Kreislaufwirtschaft

Caterpillar, USA

Ein Vorzeigeunternehmen bei der Kreislaufwirtschaft ist der Baumaschinenhersteller Caterpillar. Gemäss eigenen Angaben des US-amerikanischen Unternehmens landen fast 90 Prozent seiner Baumaschinen nach Ablauf des Lebenszyklus wieder in den eigenen Werken, wo sie auseinandergeschraubt, Teil für Teil überholt und mit neuen Komponenten versehen werden. So wird ein Grossteil des Altmaterials wiederverwendet, noch bevor es einem aufwändigen Recyclingprozess zugeführt wird.

Hilti, Liechtenstein

Beim liechtensteinischen Werkzeughersteller sind alle Produktionsschritte auf Kreislauf ausgerichtet. Bereits bei der Produktentwicklung wird der Einsatz von wiederverwerteten Materialien geprüft und darauf geschaut, dass alle verbauten Teile auch zukünftig wiederverwendbar bleiben. Hilti hat zudem eine Logistikkette für die Rückführung gebrauchter Produkte etabliert und ein globales System von Reparaturzentren aufgebaut. Ein weiterer Pluspunkt: Bei Hilti kann man Geräte inklusive Reparatur, Wartung und Transport von und zu der Baustelle mieten.

Mosa, Niederlande

Das Unternehmen entwickelt und produziert seit 1983 Keramikfliesen in Maastricht. Es verfolgt bei der Produktion eine strikte Philosophie der Nachhaltigkeit und hat die «Cradle to Cradle» Gold-Zertifizierung für fast die gesamte Fliesenkollektion erhalten. Die Hauptaspekte dafür sind die Nähe der Produktionsstätte zum Rohmaterial, die Verwendung von reinen Rohmaterialien, die eine lange Haltbarkeit garantieren und rezyklierbar sind, die Wiederaufbereitung von gebrauchtem Wasser in der Produktion, und die Verwendung von nachhaltigen Energieressourcen.

Kreislaufwirtschaft

Das Bundesamt für Umwelt ruft zu mehr Kreislaufwirtschaft auf

Appell an die Baubranche

Keine andere Branche produziert so viel Abfall wie die Bauindustrie. Über 50 Millionen Tonnen Aushub- und Ausbruchmaterial und rund 17 Millionen Tonnen Rückbaumaterial fallen pro Jahr an. Das Bundesamt für Umwelt BAFU ruft die Branche zum Handeln auf und setzt dabei auf zwei Ansätze: Abfall vermeiden und Recycling. Ein Gastbeitrag von Bernhard Hammer, stellvertretender Leiter der Abteilung Abfall und Rohstoffe, Bundesamt für Umwelt.

Natürliche Ressourcen wie Wasser, Boden, saubere Luft oder Bodenschätze bilden die Basis für unsere Lebensqualität. Sie werden heute massiv übernutzt. Dieser Druck auf die natürlichen Ressourcen dürfte sich künftig noch verschärfen, da das Wirtschaftsvolumen und die Weltbevölkerung weiterwachsen. Die planetaren Belastungsgrenzen werden bereits um ein Vielfaches überschritten. Um der abnehmenden Verfügbarkeit von Rohstoffen entgegenzuwirken, ist die Entkoppelung von Konsum und Abfallaufkommen unabdingbar.

Im Einklang mit dem Kreislaufgedanken ist eine ganzheitliche Lebenswegbetrachtung gefordert: Produkte müssen vermehrt so hergestellt werden, dass sie weniger Material erfordern, langlebiger werden und besser zu rezyklieren sind. Am Ende der Produktlebensdauer sollen neue Rohstoffe statt Abfälle entstehen.

Ein Mengenproblem

Bauabfälle bilden mit Abstand die grösste Abfallkategorie. Jährlich fallen zwischen 50 und 60 Millionen Tonnen Aushub- und Ausbruchmaterial, sowie rund 17 Millionen Tonnen Rückbaumaterial an. Weil der grösste Teil davon unverschmutzt ist, stellen Bauabfälle vor allem ein Mengen- und weniger ein Schadstoffproblem dar. Rund drei Viertel der Bauabfälle werden verwertet: Mit dem unverschmutzten Aushub werden hauptsächlich Materialentnahmestellen wie Kiesgruben wieder aufgefüllt und rekultiviert. Mineralische Rückbaumaterialien wie Kiessande und Beton können zu Recyclingbaustoffen aufbereitet oder direkt auf der Baustelle wiedereingesetzt werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um das Image von Recyclingbaustoffen zu verbessern, damit die einwandfreie Qualität von RC-Baustoffen auch anerkannt wird.

Einen weitaus grösseren ökologischen Nutzen als das Recycling hat aber die Vermeidung von Abfällen. Hier liegt vor allem im Baubereich noch ein sehr grosses Potenzial brach. Noch viel zu oft werden Gebäude vor dem Ende ihrer Lebensdauer abgebrochen und durch neue ersetzt, anstatt dass man mit dem Bestand weiterarbeiten würde. Meist werden dabei einwandfreie Bauteile wie Metallträger, Fenster und Türen oder Fassadenelemente direkt entsorgt, anstatt sie wiederzuverwenden.

Digitalisierung als Chance

Zur Förderung der Wiederverwendung könnte zukünftig die Digitalisierung beitragen: Bauteilbörsen etwa könnten direkt auf die bereits beim Bau digital erfassten Daten zu verwendeten Gebäudebestandteilen zugreifen, sobald ein Gebäude renoviert oder zurückgebaut wird. Die Plattform www.madaster.ch ermöglicht zum Beispiel einen Überblick zu den in einer Immobilie verbauten Bauteilen und Materialien durch digital standardisierte Erfassung. Gebäude sind so von Anfang an ein Depot von Materialien.
Doch selbst wenn sämtliche Rückbaumaterialien rezykliert würden, liesse sich bloss ein Viertel des Baustoffbedarfs mit Sekundärrohstoffen decken. Es werden also auch zukünftig weiterhin grosse Mengen an Primärrohstoffen benötigt, solange die Bautätigkeit nicht erheblich abnimmt.

Angesichts der anhaltenden Zunahme der mineralischen Bauabfälle reichen die heutigen Massnahmen nicht aus, um eine nachhaltige Entsorgung zu gewährleisten. Behörden und Wirtschaft müssen ihre Anstrengungen intensivieren, um das Potenzial der Verwertung von Aushub-, Ausbruch- und Rückbaumaterial auszuschöpfen. Dabei sollen möglichst freiwillige Branchenlösungen zum Tragen kommen.

Auf der Schiene transportiert

Per Bahn zum Kunden

Der ökologische Fussabdruck von Beton wird oft kritisiert. Und doch, mit cleveren Massnahmen kann auch dieser Baustoff nachhaltig sein: Werden Ausgangsmaterialien per Bahn angeliefert, und die fertigen Elemente ebenso abtransportiert, ist schon viel getan. Kommt dazu noch das Recycling ins Spiel, kann sich das massgeblich auf die CO2-Bilanz auswirken, wie das Beispiel der saw gruppe zeigt.

Mehr als 11’300 eingesparte LKW-Fahrten pro Jahr, über 367’000 Tonnen weniger Dieselverbrauch, um fast 1400 Tonnen tiefere CO2-Emissionen: Das sind beeindruckende Zahlen. Zu verdanken sind sie einer simplen Tatsache: Das Werk der saw gruppe in Widnau im St.Galler Rheintal verfügt über einen eigenen Bahnanschluss. Auf diesem Weg werden Ausgangsmaterialien wie Kies und Zement angeliefert. Und auch das Resultat, fertige Betonelemente, können auf der Schiene transportiert werden. Dem dicht gesponnenen Bahnnetz der Schweiz ist es zu verdanken, dass das an nahezu jeden Punkt des Landes möglich ist.

Die fertigen Elemente werden im Werk der saw gruppe auf den Zug verladen und übers Schienennetz zum Kunden transportiert.
Die fertigen Elemente werden im Werk der saw gruppe auf den Zug verladen und übers Schienennetz zum Kunden transportiert.

Recyclingbeton aus Widnau

Für die saw gruppe ist das nicht nur praktisch, sondern ein wichtiges Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Ökologie, die im Familienunternehmen schon immer eine grosse Bedeutung genossen. Nicht ohne Grund wird die saw gruppe seit Jahren mit dem Energiezertifikat der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) ausgezeichnet.
Das Engagement erschöpft sich nicht im eigenen Bahnanschluss. So wird in Widnau beispielsweise auch Recyclingbeton produziert. Bauteile aus einem Abbruch oder einem Überschuss werden zerkleinert, sortiert und als Kiesersatz wieder für die Herstellung von Beton verwendet. Ein sinnvoller Kreislauf zugunsten der Natur.
7’500 Betonelemente verlassen jedes Jahr das Werk in Widnau. Das bisher grösste misst stolze 38 Meter. In den 63 Jahren seit Bestehen hat das Unternehmen unzählige Bauten aus Industrie, Gewerbe, Büro, Wohnen sowie Brücken mitgeprägt. Dabei stand immer fest: Die Natur darf nicht auf der Strecke bleiben.

Brückensanierung

Auf weitere 30 Jahre

Wie die Nutzungsdauer einer Brücke mit den richtigen Massnahmen um rund 30 Jahre verlängert werden kann, zeigt das Beispiel Stahlseilhängebrücke in Andelfingen deutlich.

In den 1970er Jahren erstellt, ist die Brücke in die Jahre gekommen. 2018 wurde sie für knapp CHF 1 Mio. saniert. Zum Einsatz kamen u.a. vorfabrizierte CPC-Betonplatten. Die Platten sind mit dünnen vorgespannten Carbonlitzen bewehrt. Carbon weist eine hohe Zugfestigkeit auf und korrodiert nicht – das ermöglicht, dünne, tragfähige Betonplatten zu erstellen. Die Brücke in Andelfingen ist eine der ersten, die für die Sanierung mit diesen Platten bestückt wurde.

Tiefbauschächte

Auf den Platz, fertig, los

Wer auf dem Flughafen baut, muss schnell sein. Einzig die Nacht bleibt, um etwas zu verändern. Der Einsatz von vorfabrizierten Elementen ist geradezu prädestiniert.

In diesem Fall sind es Tiefbauschächte. 156 davon wurden 2018 im Rahmen der Realisierung von zehn neuen Standplätzen eingebaut. Während mit den neuen Standplätzen Betriebsabläufe optimiert und Umsteigezeiten verkürzt werden, lag der Vorteil der Betonfertigelemente in ihrer ultraschnellen Einbauzeit. Gerade einmal 20 Minuten waren pro Schacht nötig. Damit profitierte der Flughafen von einem merklichen Zeitvorteil – die Bauzeit konnte minimiert und die Kosten reduziert werden.

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Objekt

Perfekter Kreis(lauf)

Auf dem Bucheggplatz in Zürich steht dieser Brunnen. Freiformflächig, monolithisch, 10 Tonnen schwer. Konzipiert und geplant wurde er vom Studio Vulkan Landschaftsarchitektur GmbH, Zürich.

Für die Herstellung waren 380 Arbeitsstunden nötig inklusive Transport und Versetzen. Der Kies wurde aus der produktionseigenen Grube gewonnen, von der grosse Flächen nach Plan renaturiert werden. Das Betonelement ist eine mit Liebe hergestellte Einzelanfertigung mit langer Lebensdauer und Designqualität – und damit das Gegenteil von Massenanfertigung. Mit der Kiesgewinnung vor Ort, der Produktion vor Ort, hiesigem Handwerk, kurzen Wegen und der Freude, ein Unikat herzustellen, das die Lebensqualität im öffentlichen Raum verbessert, kombiniert dieses Element nachhaltiges Denken und Handeln auf verschiedenen Ebenen.

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