Carla Tschümperlin, wenn Sie den Baustoff in fünf Worten charakterisieren müssten, welche Worte wären das?
Formbar, futuristisch, funktional, fantastisch, «for-ever».
Wo wären wir heute, wenn es kein(e) Beton(elemente) gäbe?
Wir wären auf der Erde – im wahrsten Sinn des Wortes.
Wenn wir die Entwicklung der letzten 70 Jahre anschauen, war Beton immer ein wichtiger Bestandteil in der Architektur. Warum ist Beton dauerhaft modern?
Für mich drückt der Mensch mit dem Beton den aktuellen Zeitgeist aus. Beton ist das Material, das Ideen verwandelt – in eine formbare und dauerhafte Materie.
Was entspricht Ihnen mehr, ältere Bauten oder Architekturtrends?
Alte Gebäude haben eine Lebensqualität, die heute fast nicht mehr erreicht wird. Ich liebe aber auch das Futuristische. Der Beton stellt sich nicht in den Vordergrund, obwohl er als Material dominant und präsent ist. Er ist immer nur ein Ausdruck von dem, was wir aus ihm machen.
Welche Trends verfolgen Sie, wenn es um die Weiterentwicklung von heutigen Baumaterialien geht?
Mich interessiert, wie der Beton seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Das ist für unsere Branche insgesamt, aber auch für die Menschheit, eine der ganz wichtigen Fragestellungen. Und sie muss uns alle interessieren. Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?
Zu ihrem Werdegang: Als Tochter in die Fussstapfen des Vaters zu treten, ist das schwierig?
Nein, denn ich kann bereits seit 18 Jahren meine eigenen Spuren ziehen. Meine Schuhgrösse passt locker in die meines Vaters (lacht). Ich gehe aber meinen eigenen Weg. Mich interessiert als Unternehmerin, wie ich meine Ideen verwirklichen kann. Das war in meiner Konstellation von Anfang an möglich.
Wie wäre es im Unterschied als Sohn, die Nachfolge des Vaters anzutreten?
Ein Sohn hat vielleicht eher ein Handicap. Er wird immer mit dem Vater verglichen. Das macht es schwieriger, die eigenen Spuren zu hinterlassen.
Ist die Gender-Thematik überhaupt wichtig für Sie?
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch die Chance bekommen soll, sich beruflich frei zu entfalten. Diese Chance muss Gender-neutral, aber auch Herkunfts-neutral gegeben werden.
Diese Frage muss uns alle interessieren: Wie bringen wir den Werkstoff Beton dazu, Lösungen für die Zukunft zu bieten?
Carla Tschümperlin
Short Cuts
Grosse Freude habe ich an unseren Sitzelementen aus eingefärbtem Beton, welche sich mit organischen Formen und Strukturen wunderbar in den Circle-Park in Kloten einfügen. Ein gelungenes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Designer, Landschaftsarchitektur und unserem Knowhow in der Fertigung von komplexen Freiformen. Zum Projekt >
Das Pantheon in Rom fasziniert mich total. Den antiken «Opus Caementicium» haben die Römer bei viel tieferen Brenntemperaturen gebrannt, bei rund 900 Grad. Er hat Jahrtausende überdauert. Heutige Betonbauten sind zwar langlebig, aber die Lebensdauer beträgt 100 bis 120 Jahren. Für mich liegt in der Vergangenheit ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft.
Ich würde gerne in Zug beim Bundesplatz den lieblosen Asphalt herausreissen. Und dann auf dem Platz einen urbanen Lebensraum umsetzen, mit einer schönen Pflästerung, grossen Pflanzeninseln, Wasserbrunnen und Sitzgelegenheiten. Zug hätte das verdient und Beton macht es möglich.
Sie führen 130 Mitarbeitende an sechs Standorten. Wie stellen Sie sicher, dass sich Ihre Mitarbeitenden im Unternehmen wohl fühlen?
Das Wohlfühlen hat oft damit zu tun, dass man als Mensch überhaupt wahrgenommen wird. In einer Familienunternehmung fällt das leichter als in einem Konzern. Ich höre jedem Mitarbeitenden zu und wir pflegen flache Hierarchien.
Welche Führungswerte sind für Sie besonders wichtig?
Klare Ziele und Vertrauen. Die Freiheit, die damit einhergeht und ein aufmerksames Interesse am Menschen. Diese Kombination macht mir am meisten Freude.
Welche Botschaft haben Sie als erfolgreiche Unternehmerin an die junge Generation?
Stellt so lange Fragen, bis die Ideen von selbst entstehen.
Haben Sie nach 18 Jahren als Geschäftsleiterin noch viele neue Ideen?
Total. Es sprudelt ununterbrochen. Mein Ideenreichtum ist eine meiner grossen Stärken. Und dass ich Menschen dazu bringen kann, die Ideen gemeinsam mit mir umzusetzen.
Abschliessend: Verraten Sie uns, wann Sie durch und durch im Element sind?
Wenn ich in die Werkhalle komme, den frischen Duft von Beton in der Nase, und mir dabei überlege, wie man die Zukunft anpacken könnte.
Zur Person
Carla Tschümperlin hat Jura studiert und trat im Jahr 2000 ins Familienunternehmen ein, wo sie zuerst als Projektmanagerin und dann als Bereichsleiterin tätig war. Ab 2003 übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsleitung. Ende 2007 hat sie im Rahmen einer familieninternen Nachfolge die Aktienmehrheit von ihrem Vater und ihrem Onkel erworben und führt seither die Tschümperlin AG in der 3. Generation weiter. Sie ist Vorsitzende der Geschäftsleitung und Präsidentin des Verwaltungsrats. Die Tschümperlin AG beschäftigt 130 Mitarbeitende an 6 Standorten.