Interview

«Unser Grossvater ist stolz auf uns – und wir auf ihn»

Alexander und Tobias Stüssi werden bald in dritter Generation gemeinsam das Familienunternehmen Stüssi Betonvorfabrikation AG in Dälllikon bei Zürich übernehmen. Die Brüder, die drei Jahre versetzt am gleichen Tag zur Welt kamen, ergänzen sich mit ihren Unterschieden. Alexander Stüssi ist technisch versiert, sein jüngerer Bruder Tobias kennt sich in organisatorischen Dingen aus.

Alexander und Tobias Stüssi, wann kamen Sie zum ersten Mal mit Beton in Berührung?
Alexander Stüssi: Das ist tatsächlich lange her. Als Jugendlicher half ich regelmässig im Betrieb mit. Buben finden Technik, Bauen und Kräne meist ja sowieso spannend.

Tobias Stüssi: Ja, auch ich kam in unserer Firma bei einem Sommerjob als Jugendlicher in Kontakt mit Beton.

«Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot.»

Alexander Stüssi

Was bedeutet Beton für Sie?
Tobias Stüssi: Salopp gesagt ist Beton gleichzeitig ziemlich einfach und recht kompliziert. Eigentlich braucht es für Basisbeton nicht viele Zutaten. Mit höheren Ansprüchen wird die Sache jedoch schnell hochkomplex und führt in Bereiche wie Chemie, Physik, Design oder Ökologie.

Alexander Stüssi: Für mich steht Beton für Entwicklung, für Zukunft. Beton ist DER essenzielle Baustoff, unser tägliches Brot. Mit Beton ist fast alles möglich, es ist superspannend, mit Beton zu arbeiten.

Ihr Grossvater gründete das Unternehmen. Deren Söhne, Ihr Vater und Ihr Onkel, führten den Betrieb weiter und werden ihn bald an Sie übergeben. War Ihr Weg vorbestimmt?
Alexander Stüssi: Bei uns hat es nie geheissen: Sohn, du musst die Firma übernehmen. Vielmehr wächst man einfach damit auf. Man sieht, was Grossvater, Vater und Onkel machen, interessiert sich dafür und realisiert, dass die Familie für diese Arbeit steht. Das wollen wir weiterführen.

Tobias Stüssi: Lange hatte ich keinen Kontakt zum Unternehmen. Erst nach dem Studium entstand wieder Nähe. Ich hatte genügend Zeit, mir zu überlegen, ob ich im Familienbetrieb einsteigen wollte.

Wie läuft es mit der Aufteilung?
Alexander Stüssi: Da gibt es keine Probleme, weil wir in klar getrennten Bereichen tätig sind mit überschaubaren Schnittstellen.

Tobias Stüssi: Wir ergänzen uns sehr gut. Alexander ist kompetent im Baubereich und sehr engagiert und zuverlässig. Meine Domäne ist das Büro.

Wie verstehen Sie sich als Brüder in diesem Setting?
Tobias Stüssi: Wir lernten uns in den letzten Monaten neu kennen – und von einer anderen Seite. Wir wuchsen gemeinsam auf, machten unabhängig voneinander Ausbildungen und sammelten Lebenserfahrung. Nun sind wir auch beruflich gemeinsam unterwegs.

Alexander Stüssi: Unser gegenseitiges Vertrauen ist stark. 

Wie läuft die berufliche Ablösung von Vater und Onkel?
Alexander Stüssi: Ich übernehme seit letztem Jahr den Part meines Onkels, der sich langsam aus dem Berufsleben zurückzieht. Tobias ist auf bestem Weg, die Führung der Administration und Organisation von unserem Vater zu übernehmen.

Tobias und Alexander Stüssi schreiben die Betongeschichte ihrer Familie fort.

Was sagt der Grossvater dazu?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater ist sehr stolz, dass nun bereits die dritte Generation die Zügel der Firma in die Hand nimmt. Er legte mit dem Unternehmen den Grundstein für die ganze Familie. Wir sind ihm sehr dankbar dafür.

Was bleibt mit Ihnen gleich?
Tobias Stüssi: Das hohe Engagement und die Leidenschaft für Betonvorfabrikate und für das Unternehmen möchte ich beibehalten. Freude haben an der Arbeit und etwas Positives bewirken, das wurde uns vorgelebt. Ich will stolz sein, wenn ich nach zwanzig, dreissig Jahren zurückschaue.

Führen Sie Ihre Mitarbeitenden anders als die Generation vor Ihnen?
Alexander Stüssi: Unser Grossvater, Vater und Onkel sind wie wir gradlinige und ehrliche Menschen. Wir sagen, wenn uns etwas gefällt oder eben nicht. Hier fahren wir mehr oder weniger die gleiche Linie. Wir schätzen unsere Mitarbeitenden sehr und wollen möglichst nahe am Geschehen sein. Wir respektieren das Können und den Einsatz der Mitarbeitenden. Und diese sehen, was wir machen. So akzeptieren wir uns gegenseitig.

Ihr Unternehmen befindet sich im Zentrum der Wirtschaftsregion Zürich. Was heisst das für Sie?
Tobias Stüssi: Dällikon liegt am Tor zur Stadt Zürich und nahe bei Baden. Dieser urbane Standort prägt uns. Hier läuft sehr viel. Wir befinden uns in der Nachbarschaft von Google und Microsoft und erleben mit, was in anderen Bereichen passiert. Das gibt uns viel Input. Auch müssen wir uns als Arbeitgeber in dieser kompetitiven Umgebung beweisen.

Short Cuts

Unser Aushängeschild ist aktuell das Projekt «Three Point», an dem wir mitarbeiten. In Dübendorf werden die drei höchsten Wohntürme der Schweiz erstellt. Wir liefern die Balkonelemente.

Die Tessiner Superbatterie «Energy Vault», die nachhaltig produzierten Strom speichert. So könnte unsere Energiezukunft aussehen.

Bei einem privat finanzierten Wohnhaussystem wären wir gerne dabei, das günstiges, jedoch wertiges Wohnen im Raum Zürich ermöglicht – und in Sachen Nachhaltigkeit und Technik vorbildlich ist. 

Welche Entwicklungen im Bereich Betonvorfabrikate verfolgen Sie?
Tobias Stüssi: Ich interessiere mich stark für die Bereiche Digitalisierung, 3D-Planung und moderne Prozessabläufe.

Alexander Stüssi: Trends wie schlankes Bauen oder filigrane Betonkonstruktionen verfolge ich eng und freue mich immer, wenn ich eine schön strukturierte Betonfassade an einem modernen Gebäude sehe.

«Die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen auf ressourcenoptimierte Betonmischungen und effizientere Produktionsprozesse.»

Tobias Stüssi
Alexander Stüssi (unten) und Tobias Stüssi (oben) wollen hoch hinaus mit Betonfertigelementen.

Wo sehen Sie Herausforderungen?
Tobias Stüssi: Sicher ist die Nachhaltigkeit ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Wir setzen mit ressourcenoptimierten Betonmischungen bereits einiges um in diesem Bereich. Zum Thema gehört auch der sorgsame Umgang mit Energie, aus ökologischen und finanziellen Gründen.

Alexander Stüssi: Bei unserem Grossvater waren Rohstoffe sehr teuer, dafür die Arbeitsstunden günstig. Bei unserem Vater und Onkel waren Rohstoffe günstig, dafür die Arbeitsstunden teuer. Wir kämpfen – Stand heute – mit knappen und teuren Rohstoffen, Lieferschwierigkeiten, viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt sowie mit teuren Arbeitsstunden. Herausforderungen, denen wir uns stellen.

Schlussfrage: Wie ist es als Brüder, wenn man am gleichen Tag Geburtstag hat?
Tobias Stüssi: Es ist cool! Das mag wohl etwas überraschen. Als Kinder feierten wir unsere Geburtstage immer gemeinsam und haben dann alle unsere Gspänli eingeladen und zusammen gebastelt, Kuchen gegessen und so weiter.

Alexander Stüssi: Bei uns war es nie ein Thema, dass man am Geburtstag nicht die ganze Aufmerksamkeit geniesst. Und heute ist es angenehm, weil wir nie des anderen Geburtstag vergessen 😉.

Alexander Stüssi

34 Jahre, ist gelernter Zimmermann. Vor seinem Studium zum Bauingenieur arbeitete er bereits einige Jahre in der Produktion und als Montagepolier im Familienunternehmen. Im August 2021 kehrte er mit beruflicher Erfahrung als Ingenieur im konstruktiven Hochbau zur Stüssi AG zurück, leitet dort seither den Bereich Planung und ist als Bauleiter tätig.

Tobias Stüssi

31 Jahre, absolvierte eine KV-Lehre in einem Speditionsunternehmen und schloss ein BWL-Studium ab. Er ist seit 2017 im Familienunternehmen tätig, vor allem in der Administration und Organisation. Allerdings springt er auch immer wieder in der Fertigung ein. Zurzeit bildet sich Tobias Stüssi an der Fachhochschule Nordwestschweiz im technischen Bereich weiter.

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