Das Bundesamt für Umwelt ruft zu mehr Kreislaufwirtschaft auf

Appell an die Baubranche

Keine andere Branche produziert so viel Abfall wie die Bauindustrie. Über 50 Millionen Tonnen Aushub- und Ausbruchmaterial und rund 17 Millionen Tonnen Rückbaumaterial fallen pro Jahr an. Das Bundesamt für Umwelt BAFU ruft die Branche zum Handeln auf und setzt dabei auf zwei Ansätze: Abfall vermeiden und Recycling. Ein Gastbeitrag von Bernhard Hammer, stellvertretender Leiter der Abteilung Abfall und Rohstoffe, Bundesamt für Umwelt.

Natürliche Ressourcen wie Wasser, Boden, saubere Luft oder Bodenschätze bilden die Basis für unsere Lebensqualität. Sie werden heute massiv übernutzt. Dieser Druck auf die natürlichen Ressourcen dürfte sich künftig noch verschärfen, da das Wirtschaftsvolumen und die Weltbevölkerung weiterwachsen. Die planetaren Belastungsgrenzen werden bereits um ein Vielfaches überschritten. Um der abnehmenden Verfügbarkeit von Rohstoffen entgegenzuwirken, ist die Entkoppelung von Konsum und Abfallaufkommen unabdingbar.

Im Einklang mit dem Kreislaufgedanken ist eine ganzheitliche Lebenswegbetrachtung gefordert: Produkte müssen vermehrt so hergestellt werden, dass sie weniger Material erfordern, langlebiger werden und besser zu rezyklieren sind. Am Ende der Produktlebensdauer sollen neue Rohstoffe statt Abfälle entstehen.

Ein Mengenproblem

Bauabfälle bilden mit Abstand die grösste Abfallkategorie. Jährlich fallen zwischen 50 und 60 Millionen Tonnen Aushub- und Ausbruchmaterial, sowie rund 17 Millionen Tonnen Rückbaumaterial an. Weil der grösste Teil davon unverschmutzt ist, stellen Bauabfälle vor allem ein Mengen- und weniger ein Schadstoffproblem dar. Rund drei Viertel der Bauabfälle werden verwertet: Mit dem unverschmutzten Aushub werden hauptsächlich Materialentnahmestellen wie Kiesgruben wieder aufgefüllt und rekultiviert. Mineralische Rückbaumaterialien wie Kiessande und Beton können zu Recyclingbaustoffen aufbereitet oder direkt auf der Baustelle wiedereingesetzt werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um das Image von Recyclingbaustoffen zu verbessern, damit die einwandfreie Qualität von RC-Baustoffen auch anerkannt wird.

Einen weitaus grösseren ökologischen Nutzen als das Recycling hat aber die Vermeidung von Abfällen. Hier liegt vor allem im Baubereich noch ein sehr grosses Potenzial brach. Noch viel zu oft werden Gebäude vor dem Ende ihrer Lebensdauer abgebrochen und durch neue ersetzt, anstatt dass man mit dem Bestand weiterarbeiten würde. Meist werden dabei einwandfreie Bauteile wie Metallträger, Fenster und Türen oder Fassadenelemente direkt entsorgt, anstatt sie wiederzuverwenden.

Digitalisierung als Chance

Zur Förderung der Wiederverwendung könnte zukünftig die Digitalisierung beitragen: Bauteilbörsen etwa könnten direkt auf die bereits beim Bau digital erfassten Daten zu verwendeten Gebäudebestandteilen zugreifen, sobald ein Gebäude renoviert oder zurückgebaut wird. Die Plattform www.madaster.ch ermöglicht zum Beispiel einen Überblick zu den in einer Immobilie verbauten Bauteilen und Materialien durch digital standardisierte Erfassung. Gebäude sind so von Anfang an ein Depot von Materialien.
Doch selbst wenn sämtliche Rückbaumaterialien rezykliert würden, liesse sich bloss ein Viertel des Baustoffbedarfs mit Sekundärrohstoffen decken. Es werden also auch zukünftig weiterhin grosse Mengen an Primärrohstoffen benötigt, solange die Bautätigkeit nicht erheblich abnimmt.

Angesichts der anhaltenden Zunahme der mineralischen Bauabfälle reichen die heutigen Massnahmen nicht aus, um eine nachhaltige Entsorgung zu gewährleisten. Behörden und Wirtschaft müssen ihre Anstrengungen intensivieren, um das Potenzial der Verwertung von Aushub-, Ausbruch- und Rückbaumaterial auszuschöpfen. Dabei sollen möglichst freiwillige Branchenlösungen zum Tragen kommen.

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