Produkte möglichst lange Nutzen

Es lebe die Langlebigkeit

Weitergeben, Wiederverwerten, Reparieren: das sind Aspekte der Kreislaufwirtschaft. In ihr werden Produkte und Materialien möglichst lange in Umlauf gehalten. Was noch zu gebrauchen ist, erhält ein neues Leben. Für die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Baubranche wird ein solcher Produktionskreislauf zum wichtigen Zukunftsfaktor.

Wegwerfen ist out. Das gilt bei weitem nicht nur für Elektronik, Kleider oder Möbel. Auch die Bauwirtschaft sorgt in verschiedenen Bereichen dafür, dass die Ressourcen wieder und wieder genutzt werden. Dadurch sparen wir primäre Rohstoffe und es entsteht weniger Abfall. Der Experte beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) bestätigt den Trend zu mehr Nachhaltigkeit beim Bau: «Das Thema gewann in den letzten Jahren in der Bauwirtschaft enorm an Fahrt, allerdings vor allem auf konzeptioneller Ebene», sagt Dr. David Hiltbrunner. Der Geograf befasst sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BAFU mit dem Thema Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Im Bundesamt will man nun das Thema von der konzeptionellen Ebene «auf den Boden bringen», wie Hiltbrunner sagt. Man nutze die wachsende Bereitschaft der Unternehmen. «Die Baumaterialhersteller merken, dass sie sich im Bereich Nachhaltigkeit neu positionieren müssen. Die Kreislaufwirtschaft zieht als Verkaufsargument. Entsprechend wird das Engagement in diese Richtung verstärkt und auch kommunikativ genutzt», stellt der Experte fest und erklärt weiter: «Die Betonindustrie leidet stark unter dem Image, eine Klimasünderin zu sein. Deshalb kommt die Kreislaufwirtschaft für die Beton- und Zementhersteller wie gerufen. Hier setzen sie sich ein und können echte Produktionsalternativen bieten.»

Eile mit Weile

Der im Dezember 2021 publizierte «Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft» zeigt auf, dass sich hierzulande noch nicht so viele Unternehmen in diese Richtung weiterentwickeln. Gemäss der Studie, die Forscher der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich durchführten, haben hierzulande erst zehn Prozent der Unternehmen substanziell Massnahmen ergriffen, um die Kreislaufwirtschaft auf Unternehmensebene umzusetzen. Das heisst: Sie engagieren sich darin, weniger Abfall zu produzieren, bessere, langlebigere Produkte herzustellen und bessere Reparaturserviceleistungen anzubieten. Viele Firmen warteten noch ab, um von den Erfahrungen der «First Mover» zu profitieren, sagt Professor Tobias Stucki, Co-Leiter des Instituts für Sustainable Business an der Berner Fachhochschule. Er nennt weitere Gründe für den langsamen Fortschritt: «Die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft braucht seine Zeit. Etablierte Unternehmen müssen bestehende Prozesse, Produkte und Organisationen verändern, was unter Umständen länger dauern kann. Im Gegensatz dazu
kann ein Start-up von Anfang an ein Geschäftsmodell aufbauen, das auf einer Kreislaufwirtschaft beruht.»

Ressourcen-Mangel zwingt zum Umdenken

Wie so oft werden Entwicklungen beschleunigt, wenn eine gewisse Not herrscht. Zum Beispiel wird es in der Schweiz immer schwieriger, den Rohstoff Kies zu gewinnen. Das Land ist dicht bebaut, es ist nicht einfach, an neue Kiesreserven heranzukommen. Gleichzeitig wird der Platz auf Deponien knapp, um alte Baustoffe zu entsorgen. «Hier sorgt die Kreislaufwirtschaft für eine klare Win-win-Situation», ist David Hiltbrunner vom BAFU überzeugt.
Fernziel der Kreislaufwirtschaft ist es, dass Unternehmen überhaupt keinen Abfall mehr produzieren und sich der Kreis somit ganz schliesst. Mit der längeren Nutzung von bestehenden Bauten wäre allerdings auch schon viel getan. Dessen sei man sich oft zu wenig bewusst, findet David Hiltbrunner: «Wir müssen besser auf die Langlebigkeit von Beton hinweisen. Wenn diese ausgenutzt wird, ist das ein wird das zum grossen ökologischen Pluspunkt für diese Bauten.»

Das schlummernde Rohstofflager weiternutzen

Gute Beispiele gibt es bereits. Auch im Bereich der Betonvorfabrikate. So zeigte etwa eine Studie der Stadt Zürich, dass die vorgemauerten Zwischenwände und die vorfabrizierten Betondecken von den alten Triemli-Hochhäusern in Zürich an einem anderen Ort gebraucht werden können. In einem Vorreiterprojekt sollen diese nun beim neuen Recyclingcenter Juch Areal wieder zum Einsatz kommen. Ein weiteres Beispiel steht in Basel. Dort wurde kürzlich ein grosses Silogebäude aus Beton in einen neuen Ort mit viel Leben umgewandelt. Das Silo Erlenmatt behielt den ursprünglichen Charakter – und ist heute als trendiges Hostel mit Gastronomie und Projekträumen voller Leben.

Es lohnt sich auch finanziell

Professor Tobias Stucki von der Berner Fachhochschule ist sicher, dass sich Investitionen in die Kreislaufwirtschaft auch langfristig lohnen: «Einerseits geht es um eine effiziente Ressourcennutzung. Und mit einer solchen lassen sich Kosten sparen. Dazu kommt, dass sowohl der politische als auch der Druck von Konsumentinnen und Konsumenten steigen wird. Irgendwann werden Unternehmen, die sich nicht zirkulär ausrichten, ihre Produkte nicht mehr verkaufen können.»

Vom Saulus zum Paulus?

Der Baustoff Beton kann theoretisch grosse Mengen an CO₂ binden. Das Verfahren dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Das Spin-off der ETH Zürich Neustark ist vielversprechend unterwegs. Die Forscher des Start-ups haben ein Verfahren entwickelt, bei dem CO2 aus der Atmosphäre entfernt und es dauerhaft in recyceltem Beton speichert. Heute wird erst ein kleiner Teil dieses Potenzials ausgeschöpft: «Im Beton könnten 60 Prozent der Emissionen gebunden werden», sagt David Hiltbrunner vom Bundesamt für Umwelt. «Heute sind wir hier erst im einstelligen Bereich. Es gibt also noch viel Luft nach oben.»

Drei Pioniere der Kreislaufwirtschaft

Caterpillar, USA

Ein Vorzeigeunternehmen bei der Kreislaufwirtschaft ist der Baumaschinenhersteller Caterpillar. Gemäss eigenen Angaben des US-amerikanischen Unternehmens landen fast 90 Prozent seiner Baumaschinen nach Ablauf des Lebenszyklus wieder in den eigenen Werken, wo sie auseinandergeschraubt, Teil für Teil überholt und mit neuen Komponenten versehen werden. So wird ein Grossteil des Altmaterials wiederverwendet, noch bevor es einem aufwändigen Recyclingprozess zugeführt wird.

Hilti, Liechtenstein

Beim liechtensteinischen Werkzeughersteller sind alle Produktionsschritte auf Kreislauf ausgerichtet. Bereits bei der Produktentwicklung wird der Einsatz von wiederverwerteten Materialien geprüft und darauf geschaut, dass alle verbauten Teile auch zukünftig wiederverwendbar bleiben. Hilti hat zudem eine Logistikkette für die Rückführung gebrauchter Produkte etabliert und ein globales System von Reparaturzentren aufgebaut. Ein weiterer Pluspunkt: Bei Hilti kann man Geräte inklusive Reparatur, Wartung und Transport von und zu der Baustelle mieten.

Mosa, Niederlande

Das Unternehmen entwickelt und produziert seit 1983 Keramikfliesen in Maastricht. Es verfolgt bei der Produktion eine strikte Philosophie der Nachhaltigkeit und hat die «Cradle to Cradle» Gold-Zertifizierung für fast die gesamte Fliesenkollektion erhalten. Die Hauptaspekte dafür sind die Nähe der Produktionsstätte zum Rohmaterial, die Verwendung von reinen Rohmaterialien, die eine lange Haltbarkeit garantieren und rezyklierbar sind, die Wiederaufbereitung von gebrauchtem Wasser in der Produktion, und die Verwendung von nachhaltigen Energieressourcen.

Kreislaufwirtschaft

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