Forschungsprojekt

Nachhaltiger Bauen mit Re-Use

Um CO₂-Emissionen beim Bauen zu reduzieren, sind auch lokale Bauherrschaften gefragt, insbesondere Gemeinden und Städte. Nun liegen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Wiederverwendung von Baumaterialen vor, bei dem die Stadt Baden als Beispiel diente. Vorgefertigte Elemente aus Beton spielen bei der Lösungsfindung eine entscheidende Rolle.

Eines von mehreren Beispielen aus der Stadt Baden: Beim Umbau und der Sanierung des Schulhauses Tannegg (ehemals Pfaffechappe) wurde auf Re-Use gesetzt.

Die Schweiz hat sich das Netto-Null-Ziel fürs Jahr 2050 vorgenommen, die Aargauer Stadt Baden will dieses sogar schon 2040 erreichen. Erkenntnisse, die dabei hilfreich sind, ergaben sich aus einem Forschungsprojekt. Es trägt den Titel «Re-Use auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel bei Gebäuden» und ging von Baden als Basis aus. Das Vorhaben, bei dem das Potenzial der Wiederverwendung von Bauteilen bei künftigen Bauvorhaben im Fokus stand, startete 2023 und ist mittlerweile abgeschlossen. Es zeigt auf, dass bei Wohn- und Bürogebäuden bis 2050 rund 3,2 Prozent der grauen Treibhausgasemissionen durch den Einsatz des Re-Use-Prinzips eingespart werden können. Dies ist in grossen Teilen darauf zurückzuführen, dass in der Stadt Baden ein substanzielles Wachstum für den Gebäudebestand prognostiziert wurde und daher zusätzliches Material unabdingbar ist. Im Bericht heisst es: «Zwar scheint dieser Wert im ersten Moment gering, jedoch ist er ein wichtiger Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Besonders die Wiederverwendung von konstruktiven Bauteilen aus Beton oder Stahl weisen grosses Potenzial auf.

Vorfertigung als Anknüpfungspunkt

Die Leitung des Re-Use-Projekts hatten Fachleute von Intep – Integrale Planung GmbH – in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für «Ökologisches Systemdesign» der ETH Zürich inne. Die am Projekt beteiligte Umweltingenieurin Claudine Karlen von Intep verweist darauf, dass das Potenzial zum Recycling auf konstruktive Bauteile besonders zutrifft: «Solche bestehen häufig aus stahlarmiertem Beton und sie machen als Wände oder Decken einen grossen Teil des Bestands aus.» Claudine Karlen und das Forschungsteam sehen vor allem bei den vorgefertigten Elementen aus Beton grosse Chancen: «Sie können einfacher wiederverwendet werden als Ortbeton. Denn wir können sie als einzelne Bestandteile demontieren und sie weisen oftmals standardisierte Formate auf. So können wir sie im Idealfall als Ganzes in Neubauten integrieren.» Weitere Möglichkeiten bestehen laut Claudine Karlen darin, die bestehenden Elemente zuzuschneiden, um die Rohstoffe andernorts zum Einsatz zu bringen. «Dadurch ändern sich allerdings die statischen Eigenschaften und das kann schnell zu einem grossen Aufwand führen», fügt sie an. «Die Planer müssen dann abwägen, ob die Wiederverwendung unter diesen Umständen wirklich Sinn ergibt.»

Gesammelte Daten als Grundlage

Wie Claudine Karlen ausführt, wurden beim Forschungsprojekt verschiedene Daten als Grundlage zur Modellierung genutzt. Ein Teil davon stammte aus der Literatur, beispielsweise aus Analysen und Inventaren von Bestandsgebäuden. Ebenso flossen Erfahrungswerte aus eigenen Beratungsmandaten sowie aus Gesprächen mit Architekturexperten für die Stadt Baden mit ein. Weiter standen den Forschenden die öffentlich zugänglichen Daten vom Gebäude- und Wohnregistern sowie von Swisstopo zur Verfügung.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt Baden im Bereich Re-Use beurteilt Claudine Karlen als äusserst gelungen – nicht nur, um Baustoffe im Sinne der Nachhaltigkeit weiter nutzen zu können, sondern auch, um neue Gebäude künftig bereits mit dem Gedanken an die Demontage und Wiederverwendung zu konzipieren. Dies ist allerdings nur einer von zahlreichen Ansätzen zur Verringerung der CO2-Emissionen in der Baubranche. Weitere Lösungen sind ebenso bedeutend – zum Beispiel eine ressourcenschonende Konstruktion, die Wahl CO2-armer Baustoffe, das Bauen im Bestand sowie eine effiziente Nutzung des Raumes.

Austausch intensivieren

«Durch Massnahmen wie die konsequente Trennung von Bauteilen bei neuen Projekten schaffen wir die Grundlage dafür, dass Bauteile in Zukunft leichter rückgebaut und erneut genutzt werden können», davon ist auch der Badener Stadtrat Benjamin Steiner überzeugt. Er verweist darauf, dass die neue Strategie eine unabhängige Anpassung der verschiedenen Bauteilsysteme mit unterschiedlicher Lebensdauer gewährleistet.

Die im Forschungsprojekt entwickelte Roadmap zeigt nun exemplarisch auf, welche Handlungsfelder hierfür auf kommunaler Ebene verfügbar sind. Dies, um das Re-Use-Prinzip künftig sowohl lokal als auch regional konsequent anzuwenden und zu fördern. Damit verbundene Ansätze werden nun umgesetzt oder sie sind in Planung. Dazu zählen zum Beispiel CO2-Grenzwerte für Bauprojekte, deren Implementierung in der Nutzungsplanung und Vergabekriterien zum Rückbau sowie für das ressourcenschonende Bauen. Die Fachleute der Stadt Baden werden sich zukünftig vermehrt mit anderen Städten und dem Baugewerbe austauschen. Damit möchten sie die Erarbeitung von Standards für die Inventarisierung von Bauteilen unterstützen. Das Ziel besteht darin, bei künftigen Rückbauten schon im Voraus zu wissen, welche Bauteile für die Wieder- oder Weiterverwendung verfügbar sind.

Weitere Angaben zum Projekt Re-Use in Baden:

Forschungsbericht

Projektwebsite bei Intep

Information der Stadt Baden

Facebook
LinkedIn
Twitter
E-Mail