Interview

«Beton wird seinen Platz behaupten»

Christian Peter leitet seit acht Jahren die Geschicke der Element AG. 2015 hat er das Unternehmen von ausländischen Investoren zurückgekauft, die es zehn Jahre zuvor übernommen hatten. Zusammen mit der gut 200-köpfigen Belegschaft hat er die Element AG seither als einen der führenden Schweizer Anbieter von vorfabrizierten Betonelementen re-etabliert.

Christian Peter, wenn Sie an den Werkstoff Beton denken, welche Attribute kommen Ihnen als erstes in den Sinn?
Beton ist ein komplett natürlicher und dauerhafter Baustoff, der dank seiner Langlebigkeit und des Einsatzes moderner Zementsorten besonders effizient ist. Er ist wesentlich nachhaltiger als man gemeinhin denkt.

Was meinen Sie damit?
Beton ist in den letzten Jahren aufgrund seiner CO2-Emissionen, die durch die Zementherstellung entstehen, verteufelt worden – zu Unrecht, finde ich. Leider ist es der Branche bisher nicht gelungen, den Baustoff dort hinzubringen, wo er hingehört. Wenn man nämlich genau hinschaut, ist er durchaus nachhaltig und gehört unbedingt in die Klimapolitik mit hinein. Denn wenn Beton richtig eingesetzt wird, mit dem korrekten Zement und den entsprechenden Zuschlagsstoffen, ist er äusserst effizient und extrem dauerhaft.

Was finden Sie an Beton schön?
Die unendlich vielen Gestaltungsmöglichkeiten. Gerade in der Vorfabrikation lässt sich Beton durch die Anfertigung individueller Schalungen in verschiedenste Formen giessen. Beton muss nicht immer eckig sein, die Passerelle de Rosel in Martigny zeigt zum Beispiel eine sehr ansprechende geschwungene Form.

Verbinden Sie auch Emotionen mit Beton?
Beton ist das Material, das mich über einen grossen Teil meiner beruflichen Laufbahn begleitet hat. Ein Baustoff, den ich aus dem Effeff kenne. Wenn ich die Bauwerke aus Beton sehe, seien dies gewaltige Träger für die Infrastruktur, filigrane Platten für den Hochbau oder auch ganz einfache Liftschächte oder Trafostationen, dann verspüre ich Stolz und Dankbarkeit, dass wir diese Teile produzieren dürfen. Es macht Freude und Spass, mitzuhelfen, dass das Bauwesen und damit jede einzelne Konstruktion funktioniert.

Christian Peter ist seit 2015 Inhaber und Geschäftsführer der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden.

Viele vorproduzierende Unternehmen sind Familienbetriebe. Sie haben Architektur studiert und waren auch in anderen Bereich der Wirtschaft tätig. Wie kommt das?
Ich war nicht beim Berufsberater (lacht). Ich habe einfach das gemacht, was mich in der jeweiligen Lebensphase interessiert hat. So resultierte ein etwas merkwürdiger Werdegang mit der ursprünglichen Ausbildung als Hochbauzeichner und den späteren Studien in Architektur, Jura und BWL. Ich verfolgte dabei keinen spezifischen Plan.

Nachdem Sie bereits in der Betonbranche Fuss gefasst hatten, gingen Sie dann aber doch wieder für ein paar Jahre hinaus in die Bankenwelt. Warum?
Die Zeit im Private Banking hat mir enorm viel gebracht. Meine Kunden schätzten es, jemanden mit unternehmerischer Erfahrung als Vis-à-Vis zu haben. Jemand der weiss, was sie als Unternehmer beschäftigt und der ihre Anliegen in der Bankenwelt bestens vertreten kann. Natürlich spielte auch eine Rolle, dass die Eigentümerfamilie, für welche ich arbeitete, ab 2004 einen Grossteil ihrer Firmen verkaufte. So ging im Jahre 2005 die Element AG an ein irisches Unternehmen.

Als sich dann aber die Gelegenheit ergab, haben Sie das Unternehmen 2015 zurückgekauft …
Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder jemand kauft das Unternehmen oder es verschwindet vom Markt. Das war die Ausgangslage. Ich fand, dass diese Firma eine Daseinsberechtigung hat. Sie beschäftigt viele Mitarbeitende und sie stellt Produkte her, die zukunftsfähig sind. So bin ich in dieses Abenteuer eingetaucht.

Short Cuts

Das Space Eye, dessen Architektur von Mario Botta stammt. Dieses Observatorium für Weltraum und Umwelt beherbergt das grösste Teleskop der Schweiz. Die weisse Fassade besteht aus carbonarmierten, vorfabrizierten Betonelementen mit einer Konstruktionsstärke von nur 50 Millimetern.

Bild: Element AG

Der geplante Tilia Tower in Prilly bei Lausanne. Der 85 Meter hohe Turm mit Wohnungen, Büros, einem Hotel und Ladenflächen ist eine vorbildliche Holz-Beton-Verbundbauweise.

Bild: Visualisierung, 3XN Architects

Die öffentliche Hand hat noch einige Autobahnüberdeckungen projektiert, ähnlich jener bei Schwamendingen. Hier hoffen wir auf weitere Aufträge, die wir aufgrund der bereits gewonnenen Erfahrungen effizient produzieren könnten.

Autobahnüberdeckung in Schwamendingen. Bild: Element AG.

Wenn Sie die Element AG beschreiben, was genau macht Ihr Unternehmen aus?
Wir sind eine eigentümergeführte Schweizer Firma mit einer absolut gesunden Bilanz und mit einer geradlinigen, korrekten Ausrichtung. Wir denken partnerschaftlich und verlangen dies auch von unseren Partnern. Innerhalb der Baubranche wollen wir als Manufaktur funktionieren, die von der Planung bis zur massgenauen Ausführung alles anbietet – und dies auf einem Topniveau. Ich bin stolz darauf, dass wir das einzige Unternehmen der Branche sind, das über zwei voll ausgebildete Standorte inklusive modernster Ingenieurbüros verfügt.
Unsere Spezialität sind grosse, schwere in Serie hergestellte Elemente, wie sie für Sportstadien, Lagerhallen oder auch Strassen- sowie Bahninfrastrukturbauten verwendet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich fertig gestellte Autobahnüberdeckung in Schwamendingen, für die 178 Träger aus unseren beiden Werken verbaut wurden – sie sind bis zu 70 Tonnen schwer und überbrücken die 30 Meter breite Autobahn.

Sie erwähnen den Slogan «100% Schweiz» auf Ihrer Webseite. Haben Sie sich bewusst von einem internationalen Unternehmen wieder zurück auf die Schweiz besinnt?
Das hat für mich nichts mit Patriotismus, sondern vor allem mit meinem Qualitätsverständnis zu tun. Im Ausland werden Dinge zwar günstiger hergestellt, aber zu ganz anderen Konditionen, Bedingungen oder Normen. Auch darum schauen wir als Unternehmen darauf, dass wir so viel wie möglich in der Schweiz einkaufen. Mit unseren zwei Werken in den Kantonen Aargau und Freiburg bekennen wir uns zur Schweiz als Produktionsstandort, und somit bleibt unsere Wertschöpfung eine gänzlich regionale.

«Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp.»

Christian Peter

Sie verkaufen bewusst keine Produkte ab Stange, sondern produzieren stets auf Auftrag. Warum?
Im Betonelementbau ist jedes Projekt ein Prototyp. Die Planer in der Schweiz können es sich erlauben, an jedes Projekt komplett neu heranzugehen und haben wenige bis keine Vorgaben bauherrenseits. Wir konstruieren unsere Elemente am 3D-Modell, inklusive aller Einlageteile, und binden sie dann in den digitalen Produktionsprozess ein. Dabei spielen die digitalen Prozesse wie BIM (Building Information Modelling) eine sehr wichtige Rolle. Bei uns wird hierzu die Software Tekla eingesetzt.

Die eigentliche Handarbeit gibt es aber auch bei Ihnen, von der Schalung bis zum fertigen Element …
BIM und Handarbeit stehen nicht im Widerspruch. Mit BIM arbeiten wir, um über eine strukturierte Datensammlung zu verfügen. Das heisst nicht, dass die Herstellung künftig etwa durch Roboter ersetzt werden könnte.

Und doch schreitet die Digitalisierung weiter voran …
Ich glaube, dass die Produktion in naher Zukunft individualisiert bleibt. Wir sind von den Ingenieuren und Architekten abhängig, die die Bauten planen. Diese werden hierzulande an ihren besonders individuellen – das heisst komplizierten und teuren – Gebäuden gemessen. Der Digitalisierungsprozess in der Schweizer Bauwirtschaft kommt sehr schleppend voran, da besonders die Bauherrschaften und vor allem die Planer einem stärker digitalisierten Bauablauf skeptisch gegenüberstehen. Dazu kommt, dass die Ausbildungsstätten für Baufachleute erst langsam dazukommen, digitalisiertes Bauen zu vermitteln.

Wie zukunftstauglich ist dieses Denken?
Es wird sich zwangsläufig Richtung Digitalisierung verändern. Denn gerade jetzt spüren wir eine Abschwächung in der Bauindustrie. Somit werden sich Investoren in Zukunft genauer überlegen, wie teuer ein Bau wirklich werden darf. Wir werden einen neuen und vor allem effizienteren Weg auf allen Ebenen der Bauwirtschaft suchen müssen.

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Das Thema der Nachhaltigkeit ist brandaktuell. Was unternimmt die Element AG in diesem Bereich?
Wir haben unsere Betonrezepturen in den letzten zehn Jahren gewaltig optimiert, um den CO2-Ausstoss bei der Produktion zu verringern. 20% haben wir bisher geschafft. Wir sind somit gut unterwegs und das Interesse, einen noch nachhaltigeren Beton zu produzieren, ist auch bei den Kolleginnen und Kollegen gross. Wir tun alles, um noch viel besser zu werden. Wir bauen zudem bereits heute mit Recyclingbeton, auch bei Tragwerken und Fassaden, und haben noch viele Ideen, welche wir umsetzen wollen.

Gibt es weitere Stossrichtungen, die Sie verfolgen, respektive: Wo gehören Sie zu den First Movern?
Bei den Betonmischungen gibt es noch viel Potenzial für Forschung und Entwicklung. Unsere Investitionen fokussieren wir darum auf den stark CO2-reduzierten Zement, auf die Digitalisierung mit einem modellbasierten, durchgängigen Workflow über alle Produktionsschritte sowie auf die ideale leichtere Konstruktion. In allen Bereichen gehören wir zu den führenden Unternehmen der Schweiz. Überdies bieten wir Konstruktionen in UHFB an (ultra-hochfester Faserverbund-Baustoff), im Moment vornehmlich für Brücken und Passerellen. Die Armierungsmethoden verändern sich auch, so haben wir für die Fassade der neuen und grössten von Mario Botta entworfene Sternwarte «Space Eye» im bernischen Uecht/Niedermuhlern eine ultra-dünne Fassade aus carbonarmierten Elementen gefertigt.

Einen weiteren, wichtigen Ansatz sehe ich beim Gewicht und Volumen. Ein Betonteil, das 2 Kubikmeter misst, könnte vielfach dieselbe Funktion erfüllen, wenn man das Volumen auf 1,2 Kubikmeter optimiert. Hier sehe ich die effizienteste Sparmöglichkeit, sowohl hinsichtlich des Materials als auch in Bezug auf die Kosten. Leider verhindern die Schweizerischen Normen nach wie vor, dass die Planer an effizienten, robusten Konstruktionen interessiert sind. Noch immer werden häufig Honorare nach Baukosten bemessen, was schlanke und effiziente Lösungen oft ausschliesst. Dazu muss ich schweren Herzens immer wieder feststellen, dass die Ingenieurkunst in der Schweiz auf einem bescheidenen Niveau angelangt ist. Um aus unserem Beton das Ganze herauszuholen und um die Digitalisierung hochzuhalten, können wir unsere Konstrukteure und Ingenieure fast nur noch im wesentlich weiter entwickelten Ausland rekrutieren. Dieser Umstand schmerzt mich.

«Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben.»

Christian Peter

Die mangelnden Fachkräfte sind ein grosses Thema. Wie kommen Sie an Ihre Mitarbeitenden?
Als ich die Firma 2015 kaufte, hatten wir fast keinen Rücklauf auf Stelleninserate. Heute bekommen wir auf praktisch jede Ausschreibung wieder gute Bewerbungen. Wir erhalten sogar Spontanbewerbungen. Der Rücklauf ist nicht üppig, aber die Situation hat sich verändert. Wir müssen jedoch als Arbeitgeber sehr flexibel bleiben. Nicht immer bekommt man die topausgebildete Fachkraft, die einfach alles selbstständig und richtig macht. Wir erhalten viele Bewerbungen, die nur ungefähr in das Wunschprofil hineinpassen. Mir ist in der Rekrutierung vor allem wichtig, dass wir Menschen anstellen, die wirklich etwas erreichen wollen, Freude an unseren Konstruktionen haben und für die Element AG langfristig einstehen wollen.

Gerade beim Betonwerker ist es noch immer schwierig, Lernende zu finden …
Vielleicht ist diese Ausbildung als handfeste, dreijährige Lehre ein bisschen zu anspruchsvoll angesiedelt. Es melden sich oftmals Jugendliche, die die geforderten schulischen Fähigkeiten nicht mitbringen. Vielleicht müsste man hier über eine zweijährige Ausbildung wie etwa beim Schreinerpraktiker (EBA) nachdenken.

Welche Momente bei der Element AG sind für Sie besonders wertvoll?
Mich beeindruckt, dass wir zusammen mit unseren gut 200 Mitarbeitenden die Element AG von einer nicht so guten Situation dorthin gebracht haben, wo wir heute stehen. Und es freut mich sehr, dass auch die Mitarbeitenden stolz darauf sind. Und selbstverständlich gibt es das eine oder andere Bauprojekt, das mir grosse Freude macht, manchmal aufgrund der Tatsache, dass wir daran gut verdienen und manchmal, weil es einfach ein super Projekt ist.

Und wann läuft es für sie rund?
Was heisst rund laufen? Wenn es gar keine Probleme mehr gibt, werde ich nicht mehr gebraucht und mir wird langweilig. Darum ist «unrund» manchmal gar nicht so schlecht. Mir geht es gut, wenn die Menschen um mich herum Freude haben. Und ja, vielleicht läuft es dann für mich rund.

Wo sehen Sie den Baustoff Beton in der Zukunft?
Ich habe für den Beton keine Bedenken. Im Moment haben wir zwar einen Holzhype. Ja, ich mag Holz. Aber ich mag dieses Schwarz-Weiss-Denken nicht. Und ich bin felsenfest überzeugt, dass Beton seinen Platz behaupten wird. Denn man kann gewisse Dinge nicht mit Holz realisieren. Es geht schlussendlich um den Einsatz des richtigen Werkstoffes am richtigen Ort. Das ist für mich echte Nachhaltigkeit.

Und wann sind Sie durch und durch in Ihrem Element?
Wenn ich in der Element AG mitarbeite.

Christian Peter

Christian E. Peter ist CEO der Element AG mit rund 200 Mitarbeitenden. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner hat er sich am Abendtechnikum in Bern zum Architekten HTL weitergebildet und anschliessend in Fribourg Rechtswissenschaften und in Bern Betriebswirtschaft studiert. Er hatte unter anderem Stellen inne als Portfoliomanager bei der Credit Suisse, als Sektionschef am Eidg. Institut für Geistiges Eigentum, als CEO bei der Element Integral AG sowie als Head Premium Clients bei der Credit Suisse, bevor er 2015 die Element AG kaufte. Christian E. Peter ist Eigentümer mehrerer Firmen und hat verschiedene weitere Mandate in der Schweiz.

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