Klimafreundlicher Beton

Geniale Lösung: CO₂ in Beton speichern

Beim CO₂-Fussabdruck hat Beton keinen guten Ruf. Der Baustoff ist für sieben Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Was aber wäre, wenn Beton zur Bewältigung der Klimakrise beitragen könnte? Durch die Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre und seiner Speicherung in Recyclingbeton zeigt das Unternehmen Neustark, wie die Betonbranche Teil der Lösung werden kann.

Valentin Gutknecht (links) und Johannes Tiefenthaler gründeten zusammen die Firma Neustark.

An der ETH forschte Johannes Tiefenthaler an Möglichkeiten, wie man CO₂ speichern kann, anstatt es in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Die gleiche Vision verfolgte Valentin Gutknecht, der einen wirtschaftlichen Hintergrund hat und zuvor bei Climeworks arbeitete. Über einen gemeinsamen Kontakt trafen sich die beiden – die Idee für Neustark war geboren.
Schnell war für die Gründer klar, dass der Baustoff Beton ihr CO₂-Speicher werden soll. «Beton war für unser Vorhaben der ideale Träger», sagt Valentin Gutknecht, der das Unternehmen heute als Co-CEO mitleitet. «Das Bruchmaterial aus dem Rückbau ist der grösste Abfallberg weltweit. Zudem ist die Produktionskette für Recyclingbeton bereits etabliert. So kann unsere Technologie einem bestehenden Prozess hinzugefügt werden.»

«Wir bringen das CO₂ in seine Urform zurück und schliessen damit einen Kreislauf.»

CO2 in Kalkstein verwandeln

Zusätzlich von Bedeutung war, dass sich Beton auch in der chemischen Zusammensetzung für die CO2-Speicherung eignet. CO2 verwandelt sich, wenn es in Kontakt damit kommt, in Kalkstein und kann so dauerhaft gespeichert werden. «Die Mineralisierung von CO₂ ist die permanenteste Form von CO2-Speicherung», sagt Valentin Gutknecht. «Auch Zement wurde ursprünglich aus Kalkstein produziert. Wir bringen das Kohlendioxid also in seine Urform zurück und schliessen damit einen Kreislauf.»
An das CO2 gelangen die Jungunternehmer bei bestehenden Biogasanlagen. «Wenn die Biomasse vergärt, entsteht CO2, das in die Luft gelangt», erklärt Valentin Gutknecht. «Wir setzen quasi eine Kappe auf den Kamin und saugen das Gas ab, komprimieren und kühlen es, so dass es verflüssigt. So können wir es zu den Betonrecyclingunternehmen transportieren.» Dort angekommen wird das flüssige Kohlendioxid mit der von Neustark entwickelten patentierten Technologie dem Betonrückbaumaterial zugefügt und mineralisiert.

Grosses Potenzial für Netto-Null-Ziel

Mit seiner Methode kann Neustark rund 10 Kilogramm CO2 in einem Kubikmeter Beton speichern. Um diese Zahl einzuordnen, macht Valentin Gutknecht ein Rechenbeispiel: Aktuell produzieren wir in der Schweiz 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das Bundesamt für Umwelt geht davon aus, dass wir es bis 2050 schaffen, die Emissionen um rund 90 Prozent zu reduzieren. Das Ziel bleibt aber Null Emissionen. Gemäss Valentin Neustark kommen wir also nicht darum herum, einen Teil des Kohlendioxids einzulagern. «Wenn wir unsere Technologie konsequent anwenden, könnten wir bis 2050 bis zu einer Million Tonnen davon im Beton mineralisieren», sagt Gutknecht.
Wie aber verhält sich der CO2-Beton in der Anwendung im Vergleich zur herkömmlichen Mischung? Valentin Gutknecht betont, dass in Sachen Qualität und Konformität keine Kompromisse gemacht werden müssen. Im Gegenteil: «Der Kalkstein aus dem CO2 entsteht im Produktionsprozess dort, wo es Platz hat, sprich in den Zwischenräumen und den Poren des Gesteins. Das heisst, der neu entstandene Beton besteht aus sehr dichtem Material und somit eher druckfester als herkömmlicher Beton.»

«Grundsätzlich kann jeder Betrieb, der Recyclingbeton einsetzt, die Technologie nutzen.»

Auch für Produzenten von Betonelementen interessant

Seit der Gründung des Unternehmens 2019 hat Neustark bereits Anlagen an sieben Produktionsstätten verkauft, die im Verlauf des Jahres in Betrieb gehen. Diese sind über die ganze Schweiz verteilt, konzentrieren sich aber aktuell noch auf die Ballungszentren. Auch Hersteller von vorfabrizierten Betonelementen könnten auf diese Technologie setzen, ist Valentin Gutknecht überzeugt: «Grundsätzlich kann jeder Betrieb, der mit Recyclingbeton arbeitet, unsere Technologie nutzen. Unternehmen, die aufgrund eines kleinen Materialverbrauchs selbst kein Rückbaumaterial verarbeiten, können trotzdem mit uns Kontakt aufnehmen. Wir vernetzen sie mit dem nächstgelegenen Recyclingbetrieb.»

«Wir möchten die gesamte Baustoffbranche einladen, Teil der Lösung zu werden.»

Valentin Gutknecht, Co-CEO Neustark

CO2-neutraler Beton bis 2025

Wegen der steigenden Nachfrage sind mittlerweile 15 Mitarbeitende bei Neustark beschäftigt. Bereits ist die Entwicklung einer zweiten Technologie zur Mineralisierung von CO2 im Gang, die es dem Unternehmen ermöglichen soll, bis 2025 einen CO2-neutralen Beton herzustellen. «Unsere Vision ist, den Beton vom Teil des Problems zum Teil der Lösung zu machen. Wir haben etwas Handfestes, das funktioniert. Darum möchten wir die gesamte Baustoffbranche einladen, mit uns zusammenzuarbeiten und Teil dieser Lösung zu werden.»

Facebook
LinkedIn
Twitter
E-Mail